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Fritz Fröhlich * 1908

Lastropsweg 35 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
FRITZ FRÖHLICH
JG. 1908
EINGEWIESEN 1935
ALSTERDORFER ANSTALTEN
‚VERLEGT‘ 10.8.1943
‚HEILANSTALT‘ MAINKOFEN
ERMORDET 23.11.1944

Fritz Hugo Fröhlich, geb. 26.2.1908 in Altona, am 29.3.1935 aufgenommen in den Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf), am 10.8.1943 abtransportiert in die Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen bei Deggendorf, dort gestorben am 23.11.1944

Lastropsweg 35 (Eimsbüttel)

Fritz Hugo Fröhlich (Rufname Fritz) wurde am 26. Februar 1908 in der Waterloostraße 2 in der damals noch selbstständigen preußischen Stadt Altona (heute ein Teil von Hamburg) geboren.

Seine Eltern, der Zigarrenhändler Paul Hugo Fröhlich (Rufname Hugo), geboren am 27. Juni 1876 in Schwerin an der Warthe, und Margarete Hedwig Charlotte Fröhlich, geborene Stolz, geboren am 18. September 1879 ebenfalls in Schwerin an der Warthe, bekannten sich beide zur evangelischen Konfession. Sie hatten am 24. Januar 1905 in ihrem Geburtsort geheiratet.

Fritz Fröhlichs Vater war seit 1906 mit einer Zigarrenhandlung im Adressbuch von Altona in der Waterloostraße 2, ab 1909 in der Königstraße 184 und nach einer Zwischenstation in der damaligen Hamburgerstraße (heute Max-Brauer-Allee) in Altona ab 1916 im Lastropsweg 35 in Hamburg-Eimsbüttel verzeichnet.

Das Ehepaar Fröhlich hatte außer Fritz weitere acht Kinder. Dies ergibt sich aus einem Eintrag in Fritz Fröhlichs Patientenakte der damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf).

Während der Schulzeit musste Fritz Fröhlich eine Klasse wiederholen. Er wurde aus der 2. Klasse der Volksschule entlassen (die 1. Klasse war damals die höchste). Anschließend durchlief er eine Schlosserlehre, die er nach vier Jahren mit der Gesellenprüfung beendete. Danach war er mit kurzen Unterbrechungen arbeitslos. Er wohnte immer bei seinen Eltern.

Wegen "Schmerzen im Kopf", besonders in Phasen von Ärger, wurde Fritz Fröhlich am 26. Juni 1931 im Krankenhaus Eppendorf aufgenommen. Dort beschrieb man ihn zunächst als "unauffällig". Nach einem Wutanfall jedoch wollte er zur Polizei laufen, um sich erschießen zu lassen. Als er anfing "unmotiviert" zu lachen, "alberne Redensarten" zu führen, "nackt umher zu laufen" und "in absurden Stellungen im Bett" zu liegen, dachten die Krankenhausärzte zunächst an einen schizophrenen Schub. Sie hielten es aber auch für möglich, dass Fritz Fröhlich eine Geisteskrankheit vortäuschte, um länger im Krankenhaus bleiben zu können. Sie waren sich ihrer Beurteilung nicht sicher und stellten im März 1934 die Diagnosen "Schizophrenie" sowie "leicht erregbarer Schwachsinn" jeweils versehen mit einem Fragezeichen und überwiesen Fritz Fröhlich am 4. August 1931 in die für psychische Erkrankungen zuständige Staatskrankenanstalt Friedrichsberg. (Als Schwachsinn wurde früher eine Intelligenzminderung bzw. angeborene Intelligenzschwäche bezeichnet.)

Dort zerschlug Fritz Fröhlich nach einem Anfall "plötzlicher triebhafter Erregung" – wie es hieß – eine Fensterscheibe. Er verletzte sich dabei selbst am linken Handgelenk. Danach soll er geäußert haben, die Fensterscheibe eingeschlagen zu haben, um "seine Sünden abzubüßen". Phasen außerordentlicher Freundlichkeit und großer Arbeitslust wechselten mit "Gereiztheit" und "Versündigungsideen". Es wurde jedoch kein Hinweis auf Wahnideen oder Sinnestäuschungen gesehen. Auch kam es nicht zu Anfällen von Bewusstlosigkeit oder Krämpfen.

Im Februar 1934 entwich Fritz Fröhlich während eines Arbeitseinsatzes auf dem Anstaltsgelände aus der Staatskrankenanstalt. Drei Tage später wurde er in Boizenburg aufgegriffen und zurückgebracht. Als Grund für seine Flucht gab er an, sein Ziel sei Berlin gewesen, in Friedrichsberg sei es zu langweilig. Fritz Fröhlich blieb noch ein Jahr in Friedrichsberg. Seine Diagnose lautete auch hier "Schizophrenie, erethischer Schwachsinn", jeweils versehen mit einem Fragezeichen (erethisch = leicht erregbar).

Am 29. März 1935 wurde Fritz Fröhlich in die Alsterdorfer Anstalten überwiesen. Hier soll er zunächst verwirrt gewesen und von den Mitpatienten verspottet und ausgenutzt worden sein. Die Berichte über ihn sprechen wieder von einem stark wechselhaften Verhalten. In der Arbeitskolonne habe er dauernd zur Arbeit aufgefordert werden müssen. Fritz Fröhlich entwickelte einen starken Sammeltrieb, er verwahrte Stofffetzen, zerbrochene Zahnbürstenstiele, Scherben, bunte Knöpfe, Zigarettenschachteln u.a.m. in seinen Taschen. 1936 steckte er sich mehrere Male glimmende Zigaretten und Zigarettenstummel in den Mund und schluckte sie hinunter. Wiederholt wurde aber auch notiert, dass er gut arbeite und keine krankhaften Erscheinungen zeige.

Nach einer Schlägerei mit einem Pfleger, den er in den rechten Daumen biss, sodass dieser sich in ärztliche Behandlung begeben musste, wurde Fritz Fröhlich in den Wachsaal gebracht.
("Wachsäle" gab es bereits in den 1910er Jahren. Dort wurden unruhige Kranke isoliert und mit Dauerbädern, Schlaf- sowie Fieberkuren behandelt. In den Alsterdorfer Anstalten wurden sie erst Ende der 1920er Jahre eingeführt. Im Laufe der 1930er Jahre wandelte sich deren Funktion: Nun wurden hier Patientinnen und Patienten vor allem ruhiggestellt, teils mit Medikamenten, teils mittels Fixierungen oder anderer Maßnahmen. Die Betroffenen empfanden dies oft als Strafe.)

Über Fritz Fröhlich finden sich auch in den Folgejahren immer wieder Einträge über Verwirrtheit und heftige Streitigkeiten mit anderen Patienten und auch mit Pflegern. In der Folge wurde er mehrmals isoliert. Mit einer "Schutzjacke" (beschönigender Begriff für die in der Umgangssprache genannte "Zwangsjacke") wurde er vor Schlägen und Kratzattacken gegen sich selbst bewahrt.

Die gelegentliche Angriffslust früherer Jahre soll sich 1941 und 1942 weitgehend gelegt und Fritz Fröhlich sich ruhig verhalten haben und allen Anordnungen nachgekommen sein. An seiner Umgebung habe er keinen Anteil genommen.

Unter dem 10. August 1943 enthält Fritz Fröhlichs Patientenakte folgenden Eintrag: "Wegen schwerer Beschädigung der Anstalt durch Fliegerangriff verlegt nach Mainkofen. Gez. Dr. Kreyenberg".

In der Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen bei Deggendorf wurden offenbar keinerlei Anstrengungen unternommen, um Fritz Fröhlichs Krankheitserscheinungen zu lindern. In nur drei Einträgen in der Patientenakte ist vermerkt, dass er am 11. August 1943 der Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen "zugegangen", am 4. Juli 1944, dass er in letzter Zeit körperlich "zurückgegangen" sei und im Auswurf Tuberkelbazillen nachgewiesen worden seien. Am 23. November 1944 hieß es schließlich: "Kommt heute an seiner Lungentuberkulose ad Exitum."

Aus der Anstalt Mainkofen wurden während der ersten Phase der "Euthanasie"-Morde Menschen in die Tötungsanstalt Schloss Hartheim in der Nähe von Linz verschleppt und mit Gas ermordet. 604 von ihnen sind namentlich bekannt. Nach dem offiziellen Stopp der "Euthanasie"-Morde im August 1941 wurde der Tod der Patientinnen und Patienten in Mainkofen selbst durch Nahrungsentzug im Rahmen des "Bayrischen Hungererlasses" (Hungerkost, fleisch- und fettlose Ernährung, in Mainkofen als "3-b Kost" bezeichnet), pflegerische Vernachlässigung und überdosierte Medikamentengaben vorsätzlich herbeigeführt.

In Mainkofen starben 762 Patientinnen und Patienten in den sogenannten Hungerhäusern. Als angebliche Todesursache wurde insbesondere Darmkatarrh, Tbc, Lungenentzündung bzw. Lungentuberkulose festgehalten.

Es muss davon ausgegangen werden, dass auch Fritz Fröhlich in Mainkofen zu Tode gebracht wurde.

© Ingo Wille

Quellen: Adressbuch Hamburg (diverse Jahrgänge), StaH 332-5 Standesämter 113305 Geburtsregister Nr. 558/1908 (Fritz Hugo Fröhlich); Standesamt Schwerin a.d. Warthe, Geburtsregister Nr. 235/1879 (Margarethe Hedwig Charlotte Stolz), Heiratsregister Nr. 5/1905 (Paul Hugo Fröhlich, Margarethe Hedwig Charlotte Stolz); Evangelische Stiftung Alsterdorf, Archiv, Sonderakte V 415 (Fritz Hugo Fröhlich). Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr – Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Stuttgart 2016, S. 315 ff.

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