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Already layed Stumbling Stones



Sala Najmann * 1923

Tiedemannstraße 17 (Eimsbüttel, Stellingen)


HIER WOHNTE
SALA NAJMANN
JG. 1923
‚POLENAKTION‘ 1938
BENTSCHEN / ZBASZYN
DEPORTIERT
GHETTO RADOM
1942 KZ RAVENSBRÜCK
ERMORDET

further stumbling stones in Tiedemannstraße 17:
Baruch Najmann, Mania Najmann

Baruch Najmann, geb. 22.6.1896 in Checiny/Polen, am 28.10.1938 nach Polen ausgewiesen, am 11.9.1939 ins KZ Fuhlsbüttel, am 24.2.1940 weiter ins KZ Sachsenhausen, am 3.9.1940 ins KZ Dachau eingeliefert, am 28.12.1940 verstorben

Mania Najmann, geb. Wurzel, geb. 15.7.1893 in Kalisz/Polen, am 28.10.1938 nach Polen ausgewiesen, ab 1939 Warschauer Getto, für tot erklärt 8.5.1945

Sala Najmann, geb. 4.4.1923 in Stellingen, am 28.10.1938 nach Polen ausgewiesen, am 20.6.1942 ins KZ Ravensbrück eingewiesen, für tot erklärt 8.5.1945

Tiedemannstraße 17, Stellingen

Baruch Najmann, geboren am 22. Juni 1896 in Checiny/Polen geboren, war mit Mania, geb. Wurzel, geb. am 15. Juli 1893 in Kalisz/Polen, verheiratet. Sie hatten drei Kinder. Sala, genannt Charlotte, geboren am 4. April 1923, Ida, geboren am 9. September 1925 und Wilhelm, genannt Willi, geboren am 7. März 1929.

Die aus Polen stammende jüdische Familie galt den Nationalsozialisten als polnisch. Ihr Umzug nach Deutschland erfolgte möglicherweise 1918 im Rahmen der polnischen Staatsgründung, da sich die Familie als deutsch verstand. Bis 1935 nannte sie sich Neumann und die Kinder trugen eingedeutschte bzw. deutsche Vornamen. Baruch Najmann betrieb eine Tuchhandlung in der Tiedemannstraße 17, wo die Familie auch wohnte. Seit 1931 war er als Tuchhändler B. Neumann im Altonaer Adressbuch verzeichnet.

Nach späteren Zeugenaussagen lief das Geschäft gut. Baruch Najmann handelte mit Stoffen und Wäsche, welche er an Privatleuten verkaufte. Er war dem Zeugen als fleißiger Geschäftsmann bekannt, der seine Familie gut ernähren und seine drei Kinder in höheren Schulen ausbilden lassen konnte. Auch sei die Familie jedes Jahr in den Urlaub gefahren. Das Geschäft soll auch 1937 und 1938 noch gut gegangen sein.

Tochter Sala, genannt Charlotte, besuchte die Realschule der jüdischen Mädchenschule in der Hamburger Karolinenstraße. Eine Freundin und Klassenkameradin erinnerte sich später, dass sie nach der Realschule die Höhere Töchterschule besuchen wollte, um Abitur zu machen. Ida Najmann besuchte die Jüdische Gemeindeschule in Altona in der Palmaille. Als die Schule geschlossen wurde, musste sie nach Hamburg wechseln. Willi Najmann besuchte die Jüdische Schule in Altona bis September 1938 und wurde dann auf die Talmud-Tora-Schule in Hamburg umgeschult.

Baruch Najmann wurde mit seiner Familie nach Polen in das Lager Bentschen (Zbąszyń) abgeschoben: Am 28. Oktober 1938 wurden ca. 17.000 Jüdinnen und Juden polnischer Herkunft im Rahmen der sogenannten Polenaktion aus dem Deutschen Reich nach Polen abgeschoben. Die polnische Regierung hatte zuvor gedroht, den im Ausland lebenden Polen die Pässe nicht zu verlängern. Diese wären dadurch zu Staatenlosen geworden. Die NS-Regierung befürchtete, Tausende "Ostjuden" würden dauerhaft auf deutschem Territorium bleiben. Ohne Vorwarnung und ohne Ansehen der Person wurden daraufhin im gesamten Deutschen Reich Männer, Frauen und Kinder von ihren Arbeitsplätzen oder aus ihren Wohnungen geholt, an verschiedenen Plätzen zusammengefasst und noch am selben Tag mit der Eisenbahn bei Zbąszyń (Bentschen), Chojnice (Konitz) in Pommern und Beuthen in Oberschlesien über die polnische Grenze abgeschoben. Die Kosten sollten die Betroffenen selbst tragen, für die Mittellosen das Deutsche Reich einspringen. Die etwa 1000 Menschen aus Groß-Hamburg wurden zunächst nach Neu Bentschen (heute Zbąszynek) gebracht und von dort mit Gewalt über die polnische Grenze nach Zbąszyń (Bentschen) getrieben. Als die polnische Regierung die Grenze schloss, wurden sie u.a. in Ställen der polnischen Kavallerie unter schlechtesten Bedingungen untergebracht. Ein Teil der Betroffenen durfte später in Polen einreisen, anderen verblieben im Lager wie Mania Najmann und die Kinder, wieder andere erhielten eine befristete Genehmigung, an den früheren Wohnort zurück zu kehren, um dringende Angelegenheiten zu regeln. Dazu gehörte auch Baruch Najmann.

Am 17. Juli 1939 fuhr er, mit einem solchen Visum ausgestattet, in Begleitung seiner Tochter Sala nach Hamburg, um sein Geschäft aufzulösen. Sein Sohn Willi schrieb dazu 1955: "Bis zum Kriegsausbruch erhielt ich Briefe von meinem Vater und meiner Schwester, in denen sie mir von der Erfolglosigkeit ihrer Bemuehungen berichteten. Das Lager und der ganze Ladeninhalt mussten zwangsverkauft werden. Das Geld, das bei der Auktion erzielt wurde, war gerade genug, um Kleidung fuer unsere Familie anzuschaffen. Ein aehnliches Schicksal hatten unsere Moebel."

Immerhin war es Baruch Najmann offenbar noch gelungen, einen großen Teil seines Waren-lagers zu verkaufen. Der Wert des Lagers wurde in der Wiedergutmachungsakte mit RM 7.026,45 angegeben. Tatsächlich konnte Najmann bis zum 4. August 1939 bereits für den größten Teil des Lagers RM 4.092,29 als Verkaufserlös realisieren.

Die fristgerechte Rückkehr nach Polen war durch den Kriegsbeginn unmöglich geworden. Baruch Najmann wurde daraufhin vermutlich am 11. September 1939 verhaftet und in ein Konzentrationslager verbracht. Mit Kriegsbeginn inhaftierte das Deutsche Reich tausende männliche polnische Juden als "feindliche Ausländer". Baruch Najmann wurde wahrscheinlich über das KZ Hamburg-Fuhlsbüttel nach Oranienburg in das KZ Sachsenhausen verbracht. Nach einer anderen Quelle soll Najmann soll er bereits am 9. September 1939 nach Buchenwald verbracht worden sein, was jedoch unwahrscheinlich ist, denn die in Norddeutschland Verhafteten wurden in Sachsenhausen konzentriert. Dort saß er vom 24. Februar 1940 bis zum 2. September 1940 ein und wurde anschließend in das KZ Dachau verlegt, wo er am 3. September 1940 eintraf.

Im Konzentrationslager Dachau war Baruch Najmann mit der Berufsbezeichnung "Fleischer" registriert. Als Wohnanschrift wurde "Hamburg, Rabstraße 22" angegeben. Eine solche Straße gab es damals weder in Hamburg noch in Altona. Geburtsdatum und -ort stimmen allerdings überein.

Noch in der Haft hatte Baruch Najmann offenbar vergebens versucht, mit Hilfe des Roten Kreuzes nach Palästina oder Bolivien auszuwandern. Eine Anfrage des Roten Kreuzes zu seinem Verbleib wurde vom Geheimen Staatspolizeiamt in Berlin im Mai 1940 dahingehend beschieden, dass "eine Auswanderung polnischer oder ehemals polnischer Juden" unerwünscht sei, "weil dadurch eine Schmälerung der ohnehin geringen Auswanderungsmöglichkeiten für die Juden deutscher Staatsangehörigkeit entstehen muß. Außerdem kann schon mit Rücksicht auf den z.Zt. bestehenden Kriegszustand einer Entlassung des Juden N. nicht nähergetreten werden."

Baruch Najmann verstarb am 28. Dezember 1940 in Dachau in der Haft. Die offizielle Todesursache war nach einer Mitteilung des Internationalen Roten Kreuzes "Versagen v. Herz und Kreislauf b. Darmkath. Ödemen und Körperschw.", was man als Tod durch Verhungern und Entkräftung interpretieren kann.

Ein Teil des Hausrats wurde nach Inhaftierung von Baruch Najmann versteigert, ein anderer wurde offensichtlich vom Deutschen Reich beschlagnahmt und versteigert, "da der Erblasser vor seiner endgültigen Auswanderung verstorben ist." Der Wert des Hausrats wurde von einem Auktionator mit 538,20 RM bewertet.

Währenddessen lebte seine Familie im Lager Bentschen. Sohn Willi beschrieb später die Verhältnisse: "Dort lebten wir unter Entbehrungen und Demuetigungen und fanden für den groeßten Teil der Zeit Obdach in den Staellen der polnischen Kavallerie. Meine Mutter wurde sehr krank und benoetigte taegliche Besuche eines Arztes. Unter den Umstaenden, in denen wir leben mussten, ist es nicht zu verwundern, dass nicht viel fuer sie getan werden konnte."

Immerhin gelang es Mania Najmannn, die Kinder Ida und Willi vom Lager Bentschen aus nach Großbritannien in Sicherheit zu bringen. Dann verließ sie selbst dieses und fuhr nach Warschau, wo sie bei Verwandten ihres Mannes lebte. Am 27. August 1939 erhielt ihr Bruder einen Brief von ihr aus Warschau. 1940 schrieb sie aus dem Warschauer Getto eine letzte Nachricht an ihren Sohn. Ihr weiteres Schicksal ist nicht bekannt.
Nach dem Krieg wurde sie am den 8. Mai 1945 für tot erklärt.

Sala Najmann, die am 28. Oktober 1938 mit ihren Eltern und Geschwistern abgeschoben worden und dann mit ihrem Vater am 17. Juli 1939 nach Hamburg zurück gefahren war, um das Tuchgeschäft und die Wohnung aufzulösen, stand nach der Verhaftung ihres Vaters allein da. Am 11. Juni 1940 verließ sie Hamburg und reiste zu ihrer Mutter nach Warschau aus. Sie soll später ins Getto Radom in Polen deportiert worden sein. Am 20. Juni 1942 wur-de sie dann ins Konzentrationslager Ravensbrück verlegt. Ihre Häftlingsnummer lautete 12053. Sie starb an einem nicht bekannten Tag in diesem KZ. Als Todestag wurde nach dem Krieg der 8. Mai 1945 festgesetzt.

Ida und Willi Najmann gelangten - wie erwähnt - noch aus dem Lager Bentschen heraus in Sicherheit. Sie wurden im August 1939 im Rahmen der Kindertransporte des "Refugee Children’s Movement" mit dem Schiff "Warzawa" nach England gebracht. Ida schrieb später, dass sie "aus dem Lager […] nach England verschickt" wurde. Sie lebte zunächst bei einer Familie Warren in Cambridge, dann bei einer Familie Ornstein in London. Nach einem kurzen Aufenthalt in einem Kinderheim in Harrowgate kam sie nach London zurück und lebte in einem Mädchenheim. Nach einer Ausbildung zur Friseurin begann sie eine Ausbildung zur Krankenschwester in St. Albans. Drei Jahre später kehrte sie nach London zurück und arbeitete seitdem als Kindergärtnerin. Im März 1952 heiratete sie einen H. Drob und lebte als Ida Drob in Ilford/Essex.

Willi Najmann lebte in England zunächst im Heim des "Jewish Refugee Committee" in Leeds und 1944 bei einer Familie in St. Albans. Er erlernte den Beruf des Uhrmachers und legte die Prüfung im Juli 1954 ab. 1946 kam er nach London, wo er fortan lebte.

© Martin Bähr

Quellen: Altonaer Adressbuch 1915 – 1943; Hamburger Adressbuch 195 – 1943; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung Najman, Mania (fr. Neumann) 15279; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 18819 Najman, Baruch; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 45750 Najman, Charlotte (auch Neumann, Sala); 351-11 Amt für Wiedergutmachung 47499 Drob, Ida; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 49237 Najman, Willi (auch Najman, Wilhelm) (fr. Neumann, Willi); https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de2030686; https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de2030863; https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de934087; https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de934097 (alle letzter Zugriff 15.3.2023); https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/10217215?s=Baruch%20Najmann&t=2067843&p=0 (Letzter Zugriff 15.3.2023); Email Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen v. 22.3.2024, Email KZ-Gedenkstätte Dachau v. 28.03.2024.

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