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Porträt von Max Zucker in Anstaltskleidung, 1922
Max Zucker in Anstaltskleidung, 1922
© UKE/IGEM

Max Zucker * 1891

Schwenckestraße 3 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
MAX ZUCKER
JG. 1891
EINGEWIESEN 1940
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
"AKTION T4"

Max Zucker, geb. am 18. 8. 1891 in Berlin, ermordet am 23. 9. 1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Stolperstein Hamburg-Eimsbüttel, Schwenckestraße 3

Max Zucker kam als zweitjüngstes Kind der jüdischen Eheleute Baruch, genannt Bruno, und Minna Zucker, geborene Altmann, in Berlin zur Welt. Der Kaufmann Baruch Zucker und Minna Altmann hatten 1882 geheiratet. Aus ihrer Ehe gingen sieben Kinder hervor: Sara Selma, geboren am 27. Juli 1883, Hermann, geboren am 10. September 1884, Franz, geboren am 16. Oktober 1885, Eva, geboren am 31. August 1886, Margarete, geboren am 23. März 1889, Max, geboren am 18. August 1891, und Gertrud, geboren am 4. August 1896.

Max Zucker litt als Kind an der "Englischen Krankheit" (auch als Rachitis bezeichnet). Er lernte spät laufen und sprechen. Zudem war er durch Stottern in seiner Entwicklung beeinträchtigt. Mit etwa zwölf Jahren stellte sich eine bleibende Rückgratverkrümmung ein. Nach siebenjährigem Schulbesuch in einer öffentlichen Gemeindeschule wechselte er in eine Privatschule zur Erlangung des Einjährigen (frühere Bezeichnung für mittlere Reife). Die beginnende Epilepsie führte Max Zucker bei seiner späteren Aufnahme in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg auf zu starke schulische Anforderungen zurück. Die Krampfanfälle kamen etwa alle vier Wochen. Mit achtzehn begann Max Zuckers Odyssee durch Krankenhäuser und Heilanstalten. Er wurde in der Berliner Charité behandelt und in der Brandenburgischen Provinzialanstalt für Epileptische zu Potsdam aufgenommen. Dort arbeitete er dort in der Obstbaumschule. Auf seinen Wunsch nahmen seine Eltern ihn aus der Anstalt und schickten ihn zu seinem Bruder Hermann nach Hamburg.

Das Hamburger Adressbuch verzeichnet Hermann Zucker seit der Ausgabe von 1910, so dass er bereits 1909 in Hamburg gewohnt haben muss. Er besaß einen Anteil an der Exportfirma Fränkel, Huber & Co, die er später ganz übernahm. 1920 hatte er die evangelisch-lutherische Anna Amanda Lüth geheiratet. Das Ehepaar wohnte lange Jahre in der Schwenckestraße 3 in Eimsbüttel.

Max Zucker erhielt um 1911 eine Anstellung als Lehrling bei der Hamburger Im- und Exportfirma Luft, Maack & Co., verlor sie jedoch nach kurzer Zeit wegen eines Streits mit einem Lehrlingskollegen. Daraufhin nahm Hermann Zucker seinen Bruder Max in seine eigene Firma auf, doch scheint auch diese Anstellung nicht von langer Dauer gewesen zu sein. Max Zucker wurde im November 1911 für 12 Tage im Lohmühlenkrankenhaus (später Allgemeines Krankenhaus St. Georg, heute Asklepios Klinik St. Georg) aufgenommen. Er litt an Krampfanfällen im Abstand von vier bis fünf Wochen, die zu Bewusstlosigkeit, Zungenbissen und einer Beeinträchtigung seines Erinnerungsvermögens führten. Am 6. Mai 1912 kam es erneut zur Aufnahme im Lohmühlenkrankenhaus. Wenige Tage später verspottete ein anderer Patient Max Zucker wegen seiner jüdischen Religion. Die Auseinandersetzung endete in einer Schlägerei mit der Folge der Entlassung beider Patienten am 20. Juni 1912.

Zu dieser Zeit war Max’ Mutter, Minna Zucker, bereits verstorben (23. Mai 1911), sein Vater, Baruch Zucker, starb am 14. Februar 1913.

Hermann Zucker schickte seinen Bruder nun zu einem Verwandten nach Manchester. Hier besuchte Max mehrere Fortbildungseinrichtungen. Erneute Krampfanfälle wurden ambulant behandelt. Der Aufenthalt in England dauerte etwa neun Monate. Zurück in Deutschland verrichtete Max Zucker körperlich schwere Arbeit. Nach erneuten Krampfanfällen wurde er für ein halbes Jahr in dem Privatsanatorium Dr. Leubuscher & Unger in Hoppegarten bei Berlin untergebracht, dann kurze Zeit in der Brandenburgischen Irrenanstalt in Teupitz. Die nächsten Jahre lebte er dann in der Privatklinik von Dr. Wiener in Bernau, zunächst in der offenen, von 1914 bis 1922 in der geschlossenen Abteilung.

Im August 1922 galt Max Zucker als gesundheitlich gebessert und wurde entlassen. Er ging nach Hamburg, um sich Arbeit zu suchen und wohnte zur Untermiete. Als er wieder Anfälle bekam, wollte seine Zimmerwirtin ihn nicht im Hause behalten. Daraufhin brachte man ihn in das Krankenhaus St. Georg. Max war die Schwere und Hoffnungslosigkeit seines Leidens nach Aussagen der Ärzte nicht bewusst. Gegen Ende seines Aufenthalts in St. Georg wurden epileptische Anfälle nicht mehr beobachtet. Eine weitere Behandlung in einem Akut-Krankenhaus erschien nicht hilfreich, wegen der weiteren Betreuungsnotwendigkeit wurde er am 22. September 1922 in die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg verlegt. Dort lebte er annähernd sechs Jahre. Über Veränderungen seines Krankheitsbildes wurde nichts festgehalten.

Am 16. März 1928 kam Max Zucker in die Staatskrankenanstalt Hamburg-Langenhorn, weitere drei Jahre später, am 18. Juni 1931, in die Hamburgische Abteilung der Lübischen Heilanstalt Strecknitz. Aufgrund eines Abkommens mit Lübeck hatte die Hansestadt Hamburg im Jahre 1930 in der Lübecker Heilanstalt Strecknitz neue Gebäude darlehensweise finanziert und sich dafür das weitgehende Belegungsrecht für diese "Hamburger Häuser" gesichert.

Aus den Strecknitzer Unterlagen über Max Zucker ergibt sich, dass er 1923 entmündigt worden war. Als Vermögensvormund war sein Bruder Hermann, als Vormund für die Person ein Hamburger Bankier bestellt worden. 1933 übernahm der Lübecker Rabbiner Winter, 1938 der Bankier Simson Carlebach die Vormundschaft.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in staatlichen sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Max Zucker traf am 16. September 1940 in Langenhorn ein. Am 23. September wurde er mit weiteren 135 Patientinnen und Patienten aus norddeutschen Anstalten nach Brandenburg an der Havel gebracht. Der Transport erreichte die märkische Stadt noch an demselben Tag. In dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses trieb man die Menschen umgehend in die Gaskammer und ermordete sie mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).

Es ist nicht bekannt, wann Angehörige Kenntnis von Max Zuckers Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) verstorben sei. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm/Cholm, einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Auf dem Geburtsregistereintrag von Max Zucker wurde notiert, dass das Standesamt I Berlin (West) seinen Tod unter der Nummer 4155/1959 registriert hat. Danach soll er am 2. Februar 1941 in Chelm bei Lublin/Polen gestorben sein. Ein Berliner Standesamt stellte 1959 eine Sterbeurkunde aus, die ebenfalls noch die falschen Angaben auf der Geburtsurkunde enthält.

Wir wissen, dass wenigstens vier Geschwister von Max Zucker im Holocaust umgekommen sind: Sara Selma und Margarete Zucker wurden am 3. März 1943 aus Berlin nach Auschwitz deportiert, mit ihnen wahrscheinlich auch Gertrud Zucker. Allerdings nennt das Gedenkbuch des Bundesarchivs außer demselben Wohnstadtteil und demselben Deportationstag für Gertrud Zucker ein abweichendes Geburtsjahr. Eva Zucker, verheiratete Kempner, wurde am 3. Oktober 1942 nach Theresienstadt und am 23. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert. Franz Zucker flüchtete in die Niederlande. Von dort wurde er am 6. März 1944 nach Auschwitz verschleppt. Hermann Zucker lebte durch seine Heirat mit einer Christin in einer sogenannten nichtprivilegierten Mischehe, die ihn über Jahre vor der Deportation geschützt haben dürfte. Sein Schicksal kennen wir nicht. Seine Ehefrau, Anna Amanda Sophie, geborene Lüth, überlebte.

An Max Zucker erinnert ein Stolperstein in Hamburg-Eimsbüttel, Schwenckestraße 3,.


Stand: April 2019
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 7; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 332-5 Standesämter 2334 Geburtsregister Nr. 829/1894 Anna Amanda Sophie Lüth, 6576 Heiratsregister Nr. 476/1920 Hermann Zucker/Anna Amanda Sophie Lüth; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Max Zucker der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg; UKE/IGEM, Archiv, Patientenakte Max Zucker der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg; IMGWF Lübeck, Archiv, Patientenakte Max Zucker der Heilanstalt Lübeck-Strecknitz; JSHD Forschungsgruppe "Juden in Schleswig-Holstein", Datenpool Erich Koch, Schleswig; Landesarchiv Berlin, Heiratsregister Nr. 367/1882 Baruch Zucker/Minna Altmann, Geburtsregister Nr. 829/1883 Sara Selma Zucker, Geburtsregister Nr. 885/1884 Hermann Zucker, Geburtsregister Nr. 1033/1885 Franz Zucker, Geburtsregister Nr. 782/1886 Eva Zucker, Geburtsregister Nr. 291/1889 Margarete Zucker, Geburtsregister Nr. 631/1891 Max Zucker, Geburtsregister Nr. 891/1896 Gertrud Zucker, Sterberegister Nr. 905/1911 Minna Zucker, Sterberegister Nr. 102/1913 Baruch Zucker. Bresler, Johannes, Deutsche Heil- und Pflegeanstalten für Psychischkranke in Wort und Bild, Bd. II, Halle a. S., 1912, S. 120ff. https://www.joodsmonument.nl/en/page/171287/franz-zucker (Zugriff 6.11.2016).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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