Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Porträt Moritz Kohl 1944, das letzte Foto von ihm
Porträt Moritz Kohl 1944, das letzte Foto von ihm
© Privatbesitz

Moritz Kohl * 1877

Henriettenweg 5 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
MORITZ KOHL
JG. 1877
DEPORTIERT 1945
THERESIENSTADT
BEFREIT / KRANK ÜBERLEBT
TOT AN DEN SPÄTFOLGEN

Moritz Kohl, geb. 13.7. 1877 in Lemberg, deportiert nach Theresienstadt am 14.2.1945, vermutlich kurz nach Befreiung des Lages gestorben

Henriettenweg 5

Moritz David Friedrich Kohl wurde am 13.7.1877 als Sohn orthodoxer Juden in Lemberg/Galizien geboren, das damals zu Österreich-Ungarn gehörte. 1882 zog die Familie nach Wien. Dort besuchte Moritz Kohl die Bürgerschule und machte anschließend eine Ausbildung als Textilkaufmann. Nach bestandener Prüfung begab er sich – wie zu jener Zeit üblich – auf Wanderschaft, die ihn in das Deutsche Reich und schließlich bis nach Hamburg führte.

Hier lernte er das Missionshaus Jerusalem in der Eimsbütteler-Straße (heute Budapester Straße) kennen, wo er in die Hausgemeinschaft aufgenommen und bekennender Christ wurde. Am 25. Dezember 1903 wurde er getauft. Arbeit fand Kohl als Glasschildermonteur. Am 7. November 1904 heiratete er Marie Louise Loose aus Eickhorst bei Minden, das Paar bekam vier Kinder. Regelmäßig besuchte die Familie die Gottesdienste in der Jerusalem-Kirche. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung musste Moritz Kohl zusätzlich den Namen "Israel" tragen. Von lebensbedrohender Verfolgung blieb er jedoch zunächst verschont, da er mit einer "Arierin" verheiratet war und mit ihr vier Kinder hatte, mithin nach NS-Terminologie in "privilegierter Mischehe" lebte.

Hatte der NS-Staat bis dahin nur die jüdischen Partner aus aufgelösten Mischehen deportiert, so bezog er am Ende des "Dritten Reiches" auch die in noch existierenden "privilegierten Mischehen" in die Transporte ein. Moritz ältester Sohn Karl, der während der letzten Kriegsjahre in Hamburg in der NS-Bauorganisation Todt Zwangsarbeit leisten musste, schrieb später: "Als der Krieg schon als verloren galt oder gelten musste, fielen bei den Nazis die letzten Hemmungen, falls solche überhaupt vorhanden waren, und Vater wurde im Februar 1945 nach Theresienstadt deportiert, von wo aus er nur einmal, gleich nach seiner Ankunft, schreiben konnte."

Nach der Befreiung des Konzentrationslagers im Mai 1945 wurde Moritz Kohl, der nach Angaben seines Sohnes wegen der politischen Verhältnisse schon vor der Deportation buchstäblich seinen Verstand verloren hatte, nach Deutschland zurückgebracht. Karl Kohl: "Er ging aber während des Transportes bei einem Aufenthalt in Mitteldeutschland verloren, und wir hörten nie wieder von ihm".

Stand April 2015

© Matthias Weber

Quellen: Schreiben von Karl Kohl über das Leben seines Vaters sowie Familienalbum von Annemarie Kohl, der Enkelin von Moritz Kohl; Beate Meyer, "Jüdische Mischlinge". Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933 –1945, Hamburg 1999, S. 266–275.

druckansicht  / Seitenanfang