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Georg Knaus * 1898

Henriettenstraße 16 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


Verhaftet 1938 - 1939
KZ Fuhlsbüttel
KZ Neuengamme
ermordet

Georg Johann Andreas Knaus, geb. am 17.10.1898 in Berlin, KZ Neuengamme, gestorben vermutlich am 3.5.1945 beim Untergang der Cap Arcona

Henriettenstraße 16

"Wer nie sein Brot mit Tränen aß, in freudenvollen Nächten bei Sekt und schönen Männern saß, der kennt nicht die himmlischen Nächte". So oder ähnlich dichtete Georg Knaus in einem Liebesbrief an seinen 17-jährigen Liebhaber, den Autoschlosser-Lehrling Gerhard Kiesel, den er über einen gleichaltrigen Bekannten seines Freundes überbringen lassen wollte. Das Briefgeheimnis wurde gebrochen, die Mutter des Bekannten war "angewidert" vom Inhalt und berichtete sogleich der Mutter von Gerhard Kiesel davon. Diese erstattete am 22. November 1937 gegenüber der Polizei Anzeige. Sie denunzierte Georg Knaus als einen homosexuell Veranlagten und behauptete, ihr Sohn stände unter dem Einfluss dieses Mannes. Durch die Weitergabe dieses Briefes, eine nach heutigen Kenntnissen als große Leichtsinnigkeit zu bezeichnende Handlung eines schwulen Mannes in der Zeit des Nationalsozialismus, nahm das Schicksal des 1898 in Berlin-Kreuzberg geborenen Georg Knaus seinen unheilvollen Lauf.

Er war der Sohn des bei der Firma Siemens & Halske in Berlin beschäftigten Ingenieurs Josef Knaus und Emma, geb. Röver. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte Georg Knaus eine Feinmechanikerlehre und wurde dann im Ersten Weltkrieg zur Marine eingezogen und erlebte einige Seegefechte. Nach dem Krieg war er zunächst bis 1921 bei der Sicherheitspolizei in Berlin, danach bis 1924 in seinem Beruf als Feinmechaniker wie sein Vater bei der Firma Siemens & Halske beschäftigt. Sein 1924 erfolgter Umzug nach Hamburg sollte der Aufnahme einer Tätigkeit als Maschinist zur See dienen, doch fand er nicht sofort eine Anstellung. Möglicherweise durch die Arbeitslosigkeit auf die "schiefe Bahn" geraten, wurde er in Hamburg wegen gemeinschaftlichen versuchten Raubes zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt, die er bis Ende 1927 teilweise verbüßte. Doch fand er 1928 bei der Rapid-Waagenbau-Zentrale mit Sitz in der Burchardstraße 12 eine Anstellung in seinem Lehrberuf, den er allen Zeugnissen nach sehr gut und auch gerne ausübte. Sein letzter Arbeitgeber, die Westdeutsche Toledo Gesellschaft, Fabrik automatischer Waagen und Prüfmaschinen, in Köln-Sülz, für den er in Hamburg als "Technischer Kundendienst" arbeitete, hatte Georg Knaus eine ausgesprochen gute Beurteilung zuteil werden lassen. Im Oktober 1938 und im April 1939 setzte sich der Generalvertreter W. Paschleben aus der Hohen Weide 70 in Schreiben für den wegen seiner Homosexualität in Untersuchungshaft sitzenden Georg Knaus beim Amtsgericht Hamburg ein und versuchte ihn auch moralisch zu unterstützen. So schrieb er ihm u. a. "Ich werde ... bemüht sein, im ungünstigen Falle alles für Sie zu tun, was in meiner Macht steht, denn ich habe Sie in der kurzen Zeit unserer Zusammenarbeit als guten Arbeitskameraden kennen und schätzen gelernt".

Georg Knaus hatte bereits in seiner Berliner Zeit ab 1919 Kontakte zu einem Kreis homosexueller Personen, darunter einige "hochgestellte Persönlichkeiten", so hieß es in einem späteren Prozess, wie den "Grafen von Limburg-Stierum", einer "Exzellenz von Below" und einem "Kunsthändler Lippmann" mit denen gemeinschaftlich Nackttänze aufgeführt worden sein sollen. Durch einen Kammerherrn des Zaren, Graf Alexander von Kroupenski, wurde ihm in Berlin ein Kino eingerichtet, weshalb gegen ihn 1922 auch ein Verfahren wegen Vergehens gegen das Lichtspielgesetz geführt wurde.

In Hamburg lernte er 1928 in dem Homosexuellenlokal Marienburg seinen ersten festen Partner Gustav, genannt Guschi, Höllermann, geb. 1908, kennen, mit dem er "regelrecht Eheringe getauscht" und "Hochzeitstage" gefeiert haben soll und bis 1935 gemeinsam in verschiedenen Untermietverhältnissen lebte. Bereits 1934 lernte er den erst 14-jährigen Gerhard Kiesel kennen, der aus schwierigen Familienverhältnissen stammte. Dessen Eltern waren geschieden und die in der Gastronomie auf St. Pauli beschäftigte Mutter unterhielt auch während der zweiten Ehe wechselnde Männerbekanntschaften, mit denen sich der heranwachsende Sohn nicht vertrug. Er hatte bereits homosexuelle Erfahrungen und sah in dem deutlich älteren Georg Knaus eine Vaterfigur, die ihn auch in seinem beruflichen Werdegang förderte und unter anderem eine Lehrstelle als Autoschlosser verschaffte.

Nach Bekanntwerden der Verbindung von Georg Knaus mit dem minderjährigen Gerhard Kiesel strengte die Kripo umfangreiche Recherchen an, die nach dem ersten Verhör vor dem 24. Kriminalkommissariat am 17. Januar 1938 zu einem sofortigen Schutzhaftbefehl mit Inhaftierung im KZ Fuhlsbüttel bis zum 21. Februar führten. Aus der sich anschließenden Untersuchungshaft wurde er nach einer erfolgreichen Haftbeschwerde seines Rechtsanwalts am 11. Mai 1938 entlassen, weil sich der Hauptbelastungszeuge Gerhard Kiesel in Widersprüche verstrickte. In der Haftbeschwerde berichtete der Rechtsanwalt auch davon, dass Georg Knaus im KZ Fuhlsbüttel misshandelt und ihm dort ein Zahn ausgeschlagen wurde. Das Landgericht sprach ihn dann auch im Juni 1938 vom Vorwurf der widernatürlichen Unzucht frei, was trotz Intervention der Staatsanwaltschaft bis zum Hanseatischen Oberlandesgericht im Oktober 1939 bestätigt wurde.

Eine zweite Denunziation vom September 1938 einer möglicherweise abgewiesenen Verehrerin von Georg Knaus, die sich mit einem Schreiben an die Gestapo wandte und ihm homosexuelle Handlungen mit dem Sohn seiner Vermieterin in der Henriettenstraße 16 unterstellte, führte nach einem Vernehmungstermin am 17. Oktober 1938 zur erneuten Inhaftierung bis zum 26. Oktober 1938 im KZ Fuhlsbüttel und einer sich anschließenden über ein Jahr andauernden Untersuchungshaft bis zum 18. Dezember 1939. Das nunmehr von dem bekanntermaßen scharfen Homosexuellenjäger, Staatsanwaltschaft Nicolaus Siemssen, geleitete Verfahren führte nach weiteren belastenden Zeugenaussagen, u. a. durch den Strichjungen Karl Baumgart, im Dezember 1939 zu einer 18-monatigen Gefängnisstrafe wegen "widernatürlicher Unzucht in sechs Fällen" nach § 175. Dabei wurden die Beziehungen von Georg Knaus bis zum Jahr 1928 zurück verurteilt. Seine Strafe verbüßte er zunächst im Gefängnis Hamburg-Altona und wurde am 16. Januar 1940 in das Männergefängnis Glasmoor überstellt. Ein im Dezember 1939 gestelltes Gnadengesuch durch seinen zuvor erfolgreich agierenden Rechtsanwalt Dr. Alexander Lisch führte diesmal nicht zum Erfolg und wurde abgelehnt. Obwohl Georg Knaus nicht als einschlägig vorbestraft galt und am Ende dieses Prozesses vollkommen geständig war, wurde er mit Ablauf der Haftzeit am 16. April 1940 nicht entlassen, sondern der Polizeibehörde überstellt. Am 15. Juni 1940 ist er in das KZ Sachsenhausen eingeliefert worden, wo er die Häftlingsnummer 25622 tragen musste. Im KZ Neuengamme ist er – aktenkundig durch Hinweise aus dort geführten Laboruntersuchungsbüchern vom 8. und 9. Juni 1942 und einer im Herbst 1944 erstellten Häftlingskarte für das "SS-Wirtschafts-Verwaltungs-Hauptamt" – seit dem 25. Juli 1940 als "BV HO" ("homosexueller Berufsverbrecher") mit der Häftlingsnummer 1052 inhaftiert gewesen. Dort wurde er als Hilfsarbeiter eingesetzt. Da die von Georg Knaus abzuliefernden Effekten in Form einer Armbanduhr mit weißem Lederband nach dem Krieg nicht restituiert werden konnten und bis heute beim Internationalen Roten Kreuz in Bad Arolsen verwahrt werden, ist leider davon auszugehen, dass er die Haft nicht überlebt hat. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass auch Georg Knaus zusammen mit tausenden anderen Häftlingen am 3. Mai 1945 auf der Cap Arcona nach der Evakuierung des Lagers in der Ostsee ums Leben gekommen ist.

© Bernhard Rosenkranz(†) / Ulf Bollmann

Quellen: StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 5301/39, 8012/38 u. 190/40; 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Abl. 2, 451 a E 1, 1 b u. Abl. 2, 451 a E 1, 1 c; 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferung 13 u. 16; Auskünfte von Dr. Reimer Möller, KZ-Gedenkstätte Neuengamme 2009 und von Monika Liebscher, Archiv Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen vom 1.11.2012; Bundesarchiv Berlin NS 3/1755; Auskunft Rainer Hoffschildt, Hannover; Gottfried Lorenz "...sonst gehst du verschütt", in: "http://www.dr-lo.de/ (abgerufen am 21.11.2012); Rosenkranz/Bollmann/Lorenz, Homosexuellen-Verfolgung, S. 225–226.

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