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Emil Dechant
Emil Dechant
© Privatbesitz Michael Dechant

Emil Dechant * 1899

Hufnerstraße 119 (Hamburg-Nord, Barmbek-Nord)


HIER WOHNTE
EMIL DECHANT
JG. 1899
ZEUGE JEHOVAS
VERHAFTET 13.9.1937
KZ FUHLSBÜTTEL
GEFÄNGNIS WOLFENBÜTTEL
ENTLASSEN 15.7.1940

Emil Dechant, geboren am 1.2.1899 in Konstantinopel, als Zeuge Jehovas mehrfach Inhaftiert, überlebt

Hufnerstraße 119


Emil Dechant war der Sohn von Adele Dechant. Seinen Vater kannte er nicht. Er verbrachte die ersten Lebensjahre in Konstantinopel, wo seine Mutter in einem Privathaushalt angestellt war. Als diese ihn dort nicht mehr unterbringen konnte, brachte sie ihn 1905 im Alter von sechs Jahren in das katholische Waisenhaus in Eichstädt. Da er zunächst nur türkisch sprach, war dies eine schwierige Zeit für ihn.
Unterstützung fand er bei seiner Großmutter Therese. Sie besuchte ihn so oft sie konnte mit vollen Taschen und brachte Essen wie anderes mit. Später finanzierte sie ihm auch seine Ausbildung zum Konditor, die er von 1913 bis 1916 absolvierte.

1917 wurde er nach kurzer Gesellentätigkeit zum Militärdienst nach Nürnberg eingezogen und als Kraftfahrer eingesetzt. 1919 wurde er dort entlassen.
Am 20. November 1920 wurde er als Hilfswachtmeister beim Polizeitrupp Kommando Bayreuth (Kraftwagenzug) eingestellt und am 1. März 1921 zum Wachtmeister ernannt. Am 30. September 1921 wurde er "auf eigenen Wunsch […] entlassen", um sich an der Konditoren-Fachschule in Schwenningen (Würtemberg) weiterzubilden und seine Kenntnisse aufzufrischen. Anschließend war er bis 1924 in verschiedenen Schokoladenfabriken tätig.

Auf die "Ernsten Bibelforscher", die sich seit 1931 Zeugen Jehovas nennen, wurde er im August 1924 durch einen Anschlag an einer Litfaßsäule aufmerksam. Sie luden zu einem Vortrag mit dem Thema "Krieg im Himmel und auf der Erde - Friede aber in der Hölle" ein. Emil Dechant, zu dem Zeitpunkt noch Katholik, interessierte sich für dieses Thema und besuchte den Vortrag. Er begann, regelmäßig die Zusammenkünfte der Bibelforscher zu besuchen und bekam Literatur von ihnen. Das, was er aus der Bibel lernte, beschäftigte ihn so sehr, dass er auf seiner Arbeit einmal vergaß, den Geschmack in die Pralinen zu geben. Bereits im Dezember 1924 begann er, sich ehrenamtlich bei der Wachturm-Bibel & Traktat Gesellschaft in Magdeburg als Chauffeur und Kraftfahrer zu engagieren. Am 1. Februar 1925 ließ er sich als Bibelforscher taufen.

Nach Hamburg zog Emil Dechant 1927. Er arbeitete zwei Jahre für die Reichardt-Werke, eine große Schokoladenfabrik, bis er wie viele andere wegen Arbeitsmangels entlassen wurde. Dort lernte er auch seine spätere Ehefrau kennen. Am 19. September 1930 heiratete er Katharina Christine Hedwig Anna Dechant, geb. Meyer, geschiedene Krantz. Sie brachte ihren Sohn Heinrich Krantz mit in die Ehe. Am 3.10.1930 kam die gemeinsame Tochter Inge Ellinor Dechant zur Welt.
Obwohl sie seine religiöse Überzeugung nicht teilte, unterstützte sie ihn anfangs darin. Später wurde sie jedoch unter Druck gesetzt sich scheiden zu lassen aufgrund des Verbots der Bibelforschervereinigung während der NS-Zeit.

Anfang der 1930er Jahre versuchte Emil Dechant als Aushilfskellner seine Lebenslage zu verbessern.
Während der Zeit des Nationalsozialismus blieb er, obwohl die Religionsgemeinschaft 1933 verboten wurde, weiter als Bibelforscher tätig. Zum Beispiel beteiligte er sich nicht nur an der Verteilung der "Resolution" (einem Flugblatt, in dem die Verfolgung der Zeugen Jehovas geschildert und verurteilt wurde) im Dezember 1936, sondern war auch selbst für die Herstellung von 9000 Exemplaren verantwortlich. Von Frühjahr 1936 bis zum April 1937 übernahm er anscheinend die Aufgabe, die Zeitschrift "Der Wachtturm" zu vervielfältigen und zu versenden. Außerdem war er als "Zellendiener" tätig. Eine Zelle war dabei die kleinste Einheit, in die die Gemeinde aufgeteilt war. Als "Zellendiener" war er für Versammlungen verantwortlich, die in der Wohnung eines Mitglieds abgehalten wurden, da wegen des Verbots keine großen Versammlungen möglich waren.

In der Zeit vom 10. Januar bis 10. März 1936 verbüßte er im Gefängnis und im Konzentrationslager Fuhlsbüttel eine Haftstrafe, zu der er wegen seiner Zugehörigkeit zur Bibelforschervereinigung, der Organisation der Zeugen Jehovas, verurteilt worden war. Während der Untersuchungshaft tauschte Emil Dechant seine Zigarettenration gegen Geld, das er zwischen Deckel und Pappe eines Honigglases seiner Familie zuspielte.

Nach der Haft arbeitete Emil Dechant phasenweise als Kellner in einem Automatenkaffee oder war erwerbslos. Am 13. September 1937 wurde er erneut festgenommen und bis zum 28. April 1938 im Untersuchungsgefängnis Fuhlsbüttel inhaftiert. Vorher war seine Wohnung in der Hufnerstraße 119 in Barmbek von zwei Gestapobeamten durchsucht worden. Dabei beschlagnahmten sie Lehrbücher und Jahrgänge der Zeitschriften "Der Wachtturm" und "Das Goldene Zeitalter" im Wert von 85 RM, die er im Schulranzen seiner Tochter Inge versteckt hatte.

Am 29. April 1938 wurde er wegen des Verbots der Bibelforscher zu 2 Jahren und 10 Monaten Haft verurteilt, die er bis zum 15. Juli 1940 teils in Hamburg und teils in der Strafanstalt Wolfenbüttel verbrachte. In dieser Zeit (erstmals am 2. August 1938) reichte seine Mutter Adele mehrmals Gnadengesuche für ihn beim Oberstaatsanwalt ein, jedoch ohne Erfolg.

Am 25. Juni 1938 reichte seine Ehefrau die Scheidungsklage ein, weil die Nationalsozialisten drohten, ihr sonst die Kinder wegzunehmen. Am 10. Januar 1939 wurde die Ehe geschieden, am 3. Mai erteilte das Amtsgericht der Mutter das Sorgerecht für Inge Dechant.

Nach Beendigung der Haftstrafe fing Emil Dechant am 27. Juli 1940 an, als Bäcker und Konditor für die Dampfbäckerei Otto Kloß zu arbeiten, wo er bis 1950 blieb. Danach war er immer wieder arbeitssuchend oder als Gelegenheitsarbeiter sowie als Konditor tätig.

Emil Dechant hatte als Haftfolge Platzangst und konnte sich nicht in kleinen Räumen aufhalten - besonders wenn sie verschlossen wurden. Als sein Sohn Michael später in der Luftfahrt tätig wurde, hatte er versucht mit seinem Vater ein Flugzeug zu besteigen. Gern wäre er geflogen, extreme Angstzustände machten das unmöglich. Des Weiteren hatte er oft Alpträume, welche ihm stark zusetzten.

Am 20. September 1941 ging er eine zweite Ehe mit Gertrud Doris Marie, geb. Prescha, ein, die am 5. Januar 1959 verstarb. Am 9. März 1962 heiratete er Karolina Baumgartner, am 8.8.1963 kam der gemeinsame Sohn Michael zur Welt.

Am 28. Oktober 1993 verstarb Emil Dechant in Hamburg nach einem Oberschenkelhalsbruch.

Stand: November 2025
© Justus Könnecke

Quellen: StAH 242-1 II_ Dechant, Emil; 1256/41 Band 4; 1256/41 Band 1; Bayerisches Hauptstaatsarchiv "Landespolizei Personalakten 3919"; Privatarchiv von Michael Dechant: Hanseatisches Sondergericht + Aussage Emil Dechant, Gnadengesuch Adele Dechant, Scheidungsbeschluß Dechant; Konditoren Fachschule Schwenningen; Lebenslauf von Emil Dechant; persönliche Gespräche mit Michael Dechant.

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