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Heinrich Wibrow
Heinrich Wibrow
© Privat

Johann Heinrich Karl Wibrow * 1882

Schulweg 42 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)

Hamburg Gefängnis-Hütten
ermordet am 31.5.1937 von Gestapo

Johann Heinrich Karl Wibrow, geb. am 6.12.1882 in Altona, "Schutzhaft" Gefängnis Hamburg-Hütten am 27.5.1937, ermordet am 31.5.1937 von der Gestapo

Schulweg 42

Heinrich Wibrows Eltern hießen Claus Friedrich Carl Wibrow und Anna Auguste Magdalene Louise, geb. Holst, und waren evangelisch. Der Vater war Tischler. Als Johann Heinrich Karl Wibrow, wie er mit vollem Namen hieß, im Dezember 1882 in Altona geboren wurde, lebten seine Eltern in der Weidenstraße 27 (heute Virchowstraße und Karl-Wolff-Straße).

Heinrich besuchte in Altona die Volksschule und absolvierte eine kaufmännische Lehre. Von 1905 bis 1915 war er bei Sally Wachtel im Pelzkonfektionsgroßhandel in der Großen Reichenstraße 65 tätig. 1912 heirateten Heinrich Wibrow und Berta Stäker. Die Brautleute wohnten zum Zeitpunkt der Hochzeit beide noch bei ihren Eltern: Heinrich in Altona in der Königstraße 114 im zweiten Stock und Berta Stäker (geb. 1885, gest. 11.6.1971) in Eimsbüttel in der Marthastraße 43, Haus A II. Im Hamburger Adressbuch war ein Jahr später H. Wibrow unter der Berufsbezeichnung "Reisender" verzeichnet, zunächst mit der Adresse Grädenerstraße 6, später mit der Adresse Schulweg 42. Das junge Ehepaar zog augenscheinlich nach Eimsbüttel, wo es sich endgültig niederließ. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor – Ilse und Dina. Von 1915 bis Kriegsende diente Heinrich Wibrow als Soldat im Ersten Weltkrieg. Von 1919 bis 1924 betrieb er dann am Schulweg 42 ein Konfitürengeschäft, und ab 1925 führte er unter dieser Adresse einen Laden für Pelzwaren. Berta Wibrow führte nach Heinrichs Tod den Pelzhandel im Schulweg weiter. Das Haus ist nicht mehr erhalten. An der Kreuzung Schulweg/Osterstraße befindet sich heute der Laden von "Leder Israel".

Heinrich Wibrow war Eimsbütteler Geschäftsmann geworden, der im Stadtteil Kontakt zu anderen Einzelhändlern pflegte und bürgerliche Pflichten übernahm. So bekleidete er bei "Wahlen", wie Volksabstimmungen im Nationalsozialismus, bei denen außer der NSDAP sämtliche Parteien verboten waren, immer noch genannt wurden, öfter das Amt eines Wahlvorstehers. Die Urnengänge wurden meist nach außenpolitischen Alleingängen Hitlers angesetzt, um zu demonstrieren, dass das deutsche Volk hinter seiner politischen Führung stand. Am 29. März 1936 ging es darum, die Besetzung des Rheinlandes zu "legitimieren". Auch hier war Heinrich Wibrow im Wahllokal in der Volksschule für Jungen in der Osterstraße tätig. Da Heinrich Wibrow nicht zu den Anhängern des Nationalsozialismus zählte, empörte es ihn am Wahltag, dass eine Gruppe von SA-Leuten das Wahlgeheimnis offen verletzte, Wähler zuhause aufsuchte und ihre Stimmabgabe beeinflusste. Auch kam es im Wahllokal offenbar zu Fälschungen bei der Stimmenauszählung.

In einem Willkürstaat erscheint es mitunter sinnlos, nach einem konkreten Verfolgungsgrund zu fragen. Um einen solchen "Grund" ging es aber im Wiedergutmachungsverfahren. Am 27. Mai 1937 hatte sich Heinrich Wibrow bei der Gestapo an der Stadthausbrücke melden müssen. Von dort rief er seine Frau an, um ihr zu sagen, er müsse noch dort bleiben. Vier Tage später erhielt sie einen Anruf von einem Beamten, der ihr mitteilte, ihr Mann habe sich erhängt. Auf behördliche Anordnung sei ein Erdbegräbnis nicht möglich, der Leichnam müsse verbrannt werden. Im Sterberegister wurde vermerkt, Heinrich Wibrow sei auf der Fahrt ins Hafenkrankenhaus verstorben, wo eine Obduktion erfolgte. Ob Heinrich Wibrow in den Tod flüchtete oder von der Gestapo gefoltert und ermordet wurde, lässt sich nicht mehr klären. Die Ehefrau vermutete, die Auseinandersetzung mit den SA-Männern am Wahltag sei der Grund für seine Vorladung und seinen Tod gewesen. Dabei kam es zu einer falschen chronologischen Zuordnung, denn die Wahl war bereits im Frühjahr 1936 – und nicht 1937, wie zunächst angegeben – und die "Schutzhaft" erfolgte erst mehr als ein Jahr später.

Im Wiedergutmachungsverfahren wurde dann von Seiten der Behörde noch eine andere Erklärung ins Feld geführt: Heinrich Wibrows angebliche Homosexualität und sein angeblicher Verstoß gegen den Paragraphen 175. Ende 1936 war Heinrich Wibrow von einem Carl Franke aus Eimsbüttel in einem Prozess beschuldigt worden, sich ihm "in homosexueller Weise genähert zu haben". Nach seiner Inschutzhaftnahme wurde er im Gefängnis Hütten verhört und gab dabei homosexuelle "Straftaten" zu. Diese Aussagen sind vermutlich unter Folter gemacht worden, und es gibt keinen Hinweis darauf, dass dieses "Geständnis" eine reale Grundlage hatte. Dieses erpresste "Geständnis" könnte ein Grund für einen Freitod sein.

Im Wiedergutmachungsverfahren jedenfalls wurde nach langen Auseinandersetzungen anerkannt, dass er politisch verfolgt wurde, und seine Witwe erhielt eine Hinterbliebenenrente.

© Susanne Lohmeyer

Quellen: StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung, Ablieferungen 13 und 16; StaH 332-5 Standesämter, 6224 und 3386/1882; StaH 332-5, 6004 + 124/1912; StaH 332-5, 1071 und 120/1937; StaH 351-11 AfW, 7895; HAB I 1941; HAB II 1913 und 1916.

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