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Bruno Steenbuck
Bruno Steenbuck
© Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf

Bruno Steenbuck * 1912

Volksdorfer Straße 17a-c (Hamburg-Nord, Barmbek-Süd)


HIER WOHNTE
BRUNO Steenbuck
JG. 1912
EINGEWIESEN 1921
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 10.8.1943
HEILANSTALT MAINKOFEN
ERMORDET 10.3.45

Bruno Steenbuck, geb. 8.5.1912 in Wandsbek, am 22.8.1921 aufgenommen in den Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf), am 10.8.1943 verlegt in die Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen in Deggendorf (Niederbayern), dort gestorben am 10.3.1945

Volksdorfer Straße 17 a-c (früher Nr. 119) (Barmbek-Süd)

Bruno Steenbuck wurde zusammen mit seinem Zwillingsbruder Karl Hans am 8. Mai 1912 in der damals noch selbstständigen preußischen Stadt Wandsbek geboren. Die Eltern, der am 19. April 1885 in Papendorf, Kreis Stormarn, geborene Tischler Heinrich Karl Friedrich (Fritz) Steenbuck, und die am 27. September 1885 in Lübeck geborene Christine Mathilde Siemsen, hatten am 10. April 1909 in Wandsbek geheiratet.

Vor den Zwillingen waren die Geschwister Erna Martha am 13. Juni 1909 und Karl Friedrich am 6. Juni 1910 zur Welt gekommen. Nach diesen vier Kindern wurde Hans August Steenbuck am 29. Februar 1925 als jüngstes Kind geboren.

Bruno Steenbuck wurde als Neunjähriger am 22. August 1921 in den Alsterdorfer Anstalten aufgenommen. Die Familie wohnte zu dieser Zeit nach den Angaben der Eltern in der Volksdorfer Straße 119 (heute Nr. 17 a-c) in Barmbek (heute Barmbek-Süd).

Während der Aufnahmeuntersuchung stellten die Mediziner bei Bruno Steenbuck Abmagerungen bzw. Verkümmerungen der rechten Körperseite sowie Bewegungseinschränkungen des rechten Arms und der rechten Hand fest. Diese körperlichen Einschränkungen mögen der Grund dafür gewesen sein, dass Bruno Steenbuck vor seiner Aufnahme in den Alsterdorfer Anstalten Patient des damaligen "Krüppelheims Alten Eichen" in Stellingen war. Diese Einrichtung wurde von der Inneren Mission getragen. Dieses bot neben chirurgisch-orthopädischen Behandlungen eine Anstaltsschule und eine Lehrwerkstatt. Aus den noch zugänglichen Unterlagen ist nicht ersichtlich, wie lange Bruno Steenbucks Aufenthalt dort dauerte und welche therapeutischen Maßnahmen ergriffen wurden.

Ein Dr. Dentz begründete die Aufnahme Bruno Steenbucks in Alsterdorf so: "Die Aufnahme in Alsterdorf wird wegen Wasserkopfs und Schwachsinns für erforderlich erklärt. Bruno S. ist Zwillingskind. Der Zustand ist angeboren. S. leidet an einem Wasserkopf mit teilweiser Lähmung der rechten Hand und des r. Fußes. Er kann nicht allein stehen, sich auch nicht allein aus- u. anziehen etc. S. ist sauber. S. ist schwachsichtig und schwachsinnig. Er ist zeitlich und örtlich orientiert und kann sich unterhalten. Seine Bildungsfähigkeit dürfte eine sehr beschränkte sein. Wandsbek, 11.7.1921 gez. Dr. Dentz."
(Der heute nicht mehr verwendete Begriff "Schwachsinn" bezeichnete eine Intelligenzminderung bzw. angeborene Intelligenzschwäche.)

Die Ärzte und Betreuer der Alsterdorfer Anstalten bestätigten diese Beurteilung und wiederholten sie in den folgenden Jahren. Es hieß, Bruno Steenbucks Sprache sei gut verständlich, er sei aber nicht schul- und zu keiner Arbeitsleistung fähig. 1929 notierten sie, "[Bruno Steenbuck] ist örtlich und ungenau zeitlich orientiert, macht einen ruhigen, abgeklärten Eindruck, starrt meist vor sich hin, gibt Antwort auf gestellte Fragen, ist völlig hilflos, muss angezogen werden, kann alleine essen. Ist reinlich."

Von einer Entmündigung wurde 1933 abgesehen, "weil eine Entlassung aus der Anstalt voraussichtlich niemals eintreten wird".

Seine Familie hielt engen Kontakt zu Bruno Steenbuck. Er befand sich mehrmals pro Jahr auf Urlaub bei seinen Eltern.

Nach mehreren Aufenthalten in der Krankenstation u.a. wegen Karbunkeln (Eiterbeulen) konnte Bruno Steenbuck 1938 infolge einer Geschwulst am rechten Fußknöchel nicht mehr gehen. Mitte 1941 wurde festgehalten, Bruno Steenbuck sei einseitig gelähmt und leide an einer Sehstörung, so dass er in der Körperpflege sowie beim An- und Auskleiden ständiger Hilfe bedürfe. Erzieherisch bereite er oft große Schwierigkeiten, weil er infolge seiner Streitsucht und seines Jähzornes leicht mit den anderen Patienten in Reibereien gerate. Bruno Steenbuck wurde schließlich in der Webstube mit Perlenaufziehen beschäftigt. Er sei zu keiner anderen Arbeit fähig.

Nachdem die Alsterdorfer Anstalten während der schweren Luftangriffe der Alliierten auf Hamburg Ende Juli/Anfang August 1943 ("Operation Gomorrha") Schäden erlitten hatten, nutzte der Leiter der Alsterdorfer Anstalten, SA-Mitglied Pastor Friedrich Lensch, diese Situation. Er bat die Hamburger Gesundheitsbehörde um Genehmigung für den Abtransport von etwa 750 Anstaltsbewohnerinnen und -bewohnern, die durch die Bombenangriffe obdachlos geworden seien. Daraufhin verließen zwischen dem 7. und dem 16. August 1943 drei Transporte mit insgesamt 469 Mädchen, Jungen, Frauen und Männern Alsterdorf in verschiedene Richtungen, darunter am 10. August 1943 ein Transport mit 113 Männern, Jugendlichen und Jungen mit dem Ziel "Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen" in Deggendorf (Niederbayern). Unter ihnen befand sich Bruno Steenbuck.

Die Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen, vor der NS-Zeit ein psychiatrisches Krankenhaus, wurde systematisch zu einer Sterbeanstalt entwickelt. Von dort wurden während der ersten Phase der "Euthanasie"-Morde bis August 1941 Menschen in die Tötungsanstalt Schloss Hartheim in der Nähe von Linz verschleppt und mit Gas ermordet. 606 von ihnen sind namentlich bekannt (Stand 2016). Danach, auch zu der Zeit, in der sich Bruno Steenbuck dort befand, wurden die Patientinnen und Patienten in Mainkofen selbst ermordet, und zwar durch Nahrungsentzug im Rahmen des "Bayrischen Hungererlasses" (Hungerkost, fleisch- und fettlose Ernährung, in Mainkofen als "3-b Kost" bezeichnet), pflegerische Vernachlässigung oder überdosierte Medikamentengaben. Es starben 760 Mainkofener Anstaltsbewohner an Unterernährung (Wissensstand 2016). Als angebliche Todesursachen wurden insbesondere Darmkatarrh, Tuberkulose, Lungenentzündung bzw. Lungentuberkulose angegeben. Wir wissen nicht, wie es Bruno Steenbuck in Mainkofen erging.

Von den 113 Alsterdorfer Jungen und Männern, die am 12. August 1943 in Mainkofen eintrafen, verstarben dort 74 bis Ende 1945. Als Todesursache tauchte, wie in anderen Sterbeanstalten auch, immer wieder "Lungentuberkulose" auf. So wurde bei 40 der 74 Verstorbenen "Lungentuberkulose" und fünfzehn Mal "Darmkatarrh" als Todesursache genannt. Nur 39 Menschen aus Alsterdorf überlebten das Jahr 1945, davon 15 Erwachsene sowie 24 Kinder und Jugendliche im Alter bis zu 21 Jahren. Diese wurden am 19. Dezember 1947 zurück nach Alsterdorf verlegt.

Bruno Steenbuck lebte in der niederbayerischen Anstalt einundeinhalb Jahre bis zu seinem Tod am 10. März 1945. Als Todesursache wurde Darmkatarrh angegeben.

Stand: Juni 2024
© Ingo Wille

Quellen: StaH 332-5 Standesämter 113917 Geburtsregister Nr. 176/1910 (Karl Friedrich Steenbuck, 115907 Geburtsregister Nr. 148/1912 (Karl Hans Steenbuck), 115907 Geburtsregister Nr. 149/1912 (Bruno Friedrich Steenbuck), Standesamt Wandsbek Geburtsregister Nr. 72/1924 (Hans August Steenbuck), 4125 Heiratsregister Nr. 24/1909 (Hinrich Karl Friedrich Steenbuck/Christine Mathilde Siemsen), 4454 Sterberegister Nr. 4/1913 (Karl Hans Steenbuck); Evangelische Stiftung Alsterdorf Archiv, Sonderakte V 453 (Bruno Steenbuck); Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr – Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Stuttgart 2016, S. 315 ff.; Harald Jenner, Michael Wunder, Hamburger Gedenkbuch Euthanasie – Die Toten 1939-1945, Hamburg 2017, S. 522.

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