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Bereits verlegte Stolpersteine



Siegfried, Minna und Ruth-Bella Behrens, ca. 1933
© Yad Vashem

Minna Behrens (geborene Jacobsohn) * 1901

Beim Jacobjstift 5 (Hamburg-Nord, Winterhude)


HIER WOHNTE
MINNA BEHRENS
GEB. JACOBSOHN
JG. 1901
DEPORTIERT 1941
MINSK
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Beim Jacobjstift 5:
Siegfried Behrens, Ruth-Bella Behrens

Minna Behrens, geb. Jacobsohn, geb. 24.5.1901 in Hamburg, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert

Ruth-Bella Behrens, geb. 13.10.1932 in Hamburg, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert

Beim Jakobjstift 5 (Winterhude)

Minna Jacobsohn wurde 1901 in Hamburg in der Terrasse am Grindelberg 5/7 in Haus 2 Parterre (Harvestehude) zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Rosa geboren. Ihre Eltern, der "Geschäftsreisende" (Handelsvertreter) Martin Jacobsohn (geb. 20.11.1870 in Hamburg) und die Haushälterin Martha Jacobsohn, geb. Brager (geb. 20.4.1868 in Hamburg), hatten 1894 in Hamburg geheiratet. Die Großeltern mütterlicherseits waren der Kleiderhändler, "Handelsmann und Manufacturist" (Kaufmann und Fabrikant) Sally Brager (1840-1915) und Jette Brager, geb. Heilbut (1834-1869) in erster Ehe mit den Kindern Siegfried (geb. 1864), Hugo (geb. 1866), Louis (1867-1869) und Martha (geb. 1868). Zehn Monate nach dem Tod seiner Ehefrau heiratete Sally Brager im April 1870 Golde (Auguste) Blumenthal (geb. 1845 in Moisling), getraut von Oberrabbiner Stern.

Vier Jahre nach Minnas Geburt zog die mittlerweile achtköpfige Familie in eine kostenfreie Wohnung eines jüdischen Wohnstifts in der Dillstraße 15 III. Stock im Stadtteil Rotherbaum. Dies deutet auf ein geringes Einkommen des Vaters und Familienernährers hin, der von mindestens 1913 bis 1931 als Bote bei M. J. Emden (Engros-Lager) arbeitete. Die Mutter arbeitete als "Kochfrau" nach rituellen Speisevorschriften bei Hochzeiten, Beschneidungen, Bar Mizwah usw. Sie war, laut Notiz auf der Kultussteuerkarte ihres Ehemannes, Mitglied des Synagogenverbandes, dem orthodoxen und mitgliederstärksten der drei jüdischen Kultusverbände in Hamburg. Die Kinder werden in beengten Wohnverhältnissen aufgewachsen sein: Henriette (geb. 1895 in Hamburg), Philipp (geb. 1898 in Flensburg), Ivan (geb. 1899 in Kiel), Minna und Rosa (geb. 1901 in Hamburg), Alfons (geb. 1905 in Hamburg) und Auguste (geb. 1909 in Hamburg).

Es ist anzunehmen, dass Minna ab 1907 die Schule besuchte und während des Ersten Weltkriegs abschloss. Um welche Schule es sich handelte und welchen Abschluss sie dort erhielt, ließ sich nicht herausfinden. Eben so wenig ist bekannt, ob sie nach der Schule möglicherweise eine Haushaltsschule oder eine Schule für Sekretärinnen besuchte. Ihre Zwillingsschwester Rosa und die jüngste Schwester Auguste "Guschi" besuchten die Hamburger Israelitische Höhere Töchterschule in der Karolinenstraße. Rosa absolvierte eine Lehre als Schneiderin und Auguste später eine Ausbildung zur Kindergärtnerin.

Minna Jacobsohn heiratete im August 1931 den 2 ½ Jahre älteren Siegfried Behrens (siehe www.stolpersteine-hamburg.de); ihre gemeinsame Tochter Ruth-Bella wurde am 13. Oktober 1932 in Hamburg geboren.

Die Tochter wurde vermutlich im August 1938 in einer jüdischen Schule eingeschult, da in den staatlichen Schulen bereits eine antisemitische Trennung stattfand. Seit dem Novemberpogrom 1938 wurde vom Reichserziehungsminister ein getrennter Unterricht von nichtjüdischen und jüdischen Schülerinnen und Schülern endgültig vorgeschrieben. Ab April 1939 wurden die jüdischen Jungen und Mädchen gemeinsam an der Talmud Tora Schule (Grindelhof 30) und ab September 1939 gemeinsam an der Mädchenschule der Deutsch-Israelitischen Gemeinde (Karolinenstraße 35) unterrichtet.

Zum siebzigsten Geburtstag von Martha Jacobsohn druckte das Israelitische Familienblatt im April 1938 eine Würdigung: "Siebzigster Geburtstag. Unter Anteilnahme eines großen Freundes- und Verehrerkreises feierte vergangene Woche Frau Martha Jacobsohn, geb. Brager, ihren siebzigsten Geburtstag in voller Frische und Rüstigkeit. Neben ihrer aufopfernden Tätigkeit für ihre eigene Familie ist die Jubilarin besonders durch ihre Fürsorge für die rituelle Küche in den Auswandererhallen hervorgetreten, wo sie in schwierigen Zeiten sich um die rituelle Verpflegung der vielen hundert Auswanderer aus dem Osten bemühte, die täglich wechselnd hier in den Auswandererhallen am Veddel versorgt wurden. In einer internen Feier würdigte auch Oberrabbiner Dr. Carlebach diese Seite ihrer Tätigkeit. (…)"

Im April 1939 wurde Minna Behrens vom Standesamt der zusätzliche Zwangsvorname Sara zugewiesen und auch auf ihrer Geburtsurkunde als fester Namensbestandteil eingetragen.
Die 40jährige Minna Behrens, ihr 42jähriger Ehemann und ihre 9jährige Tochter wurden am 8. November 1941 zusammen mit rund 1.000 weiteren Hamburger Juden vom Hannoverschen Bahnhof aus deportiert. Der Deportationszug endete im Getto, das die Deutschen in der von der Wehrmacht eroberten und stark zerstörten weißrussischen Stadt Minsk eingerichtet hatten. Überbelegung, katastrophale sanitäre Bedingungen, Krankheiten, Hunger und Kälte sowie Erschießungsaktionen führten zum Tod fast aller ins Getto Minsk Deportierter.

Minna Behrens‘ 74jährige Mutter Martha Jacobsohn hatte zum Zeitpunkt der Volkszählung im Mai 1939 mit Ehemann und Sohn weiterhin in der Dillstraße 15 III. Stock (Rotherbaum) gewohnt. Das Haus gehörte der "Zacharias und Ranette Hesse – u. Mathilde u. Simon Hesse-Stiftung". Bereits 1906 waren die Eheleute mit sechs Kindern in eine der acht Freiwohnungen des Stiftsgebäudes gezogen. Ehemann Martin Jacobsohn starb am 12. September 1940 in der Wohnung. Im Frühjahr 1942 wurde das Gebäude vom NS-Staat zum "Judenhaus" erklärt und in die Vorbereitungen der Deportationen einbezogen. Martha Jacobsohn wurde zusammen mit ihrem Sohn am 19. Juli 1942 ins Getto Theresienstadt deportiert und starb dort am 5. März 1943 an den Lagerbedingungen, offiziell lautete die Todesursache "Lungenentzündung".

Minnas jüngerer Bruder Alfons Jacobsohn (geb. 29.5.1905 in Hamburg), war ca. 1932 bis 1934 als Bankbeamter bei M. Markel in der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofs und später als Kaufmann tätig gewesen. Wie seine Mutter war er Mitglied im orthodoxen Synagogenverband innerhalb der Jüdischen Gemeinde Hamburgs. Bei den Gemeindewahlen zum Repräsentanten-Kollegium unterstützte er die Konservative Gemeindeliste Achduth 1930. Im Jahr darauf war er Vorsitzender des Landesausschusses für jüdische Jugendwohlfahrt. Er gehörte im Juni 1933 dem Vorstand der neu gegründeten "Sportgruppe ‚Schild‘ des Vaterländischen Bundes jüdischer Frontsoldaten e.V. Ortsgruppe Hamburg" an. Seine geringen Kultussteuern lassen auf von Arbeitslosigkeit unterbrochene Berufstätigkeit schließen. In der ab Juni 1933 geführten Wohlfahrtsakte seines Vaters gab Alfons an, monatlich 50 RM mit dem Verkauf von Lotterielosen zu verdienen. Als unverheirateter Mann lebte er weiterhin im Haushalt seiner Eltern. Im Zuge des Novemberpogroms 1938 wurde er verhaftet und am 12. November 1938 ins Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt, wo er bis zum 23. Dezember 1938 festgehalten wurde. Laut Auskunft seiner Schwestern erlitt er in der Lagerhaft Erfrierungen an Händen, Füßen und Ohren. Nach seiner Haftentlassung erhielt er eine Beschäftigung in einer Mazzoth-Fabrik in Hamburg-Wandsbek. Alfons Jacobsohn wurde am 19. Juli 1942 ins Getto Theresienstadt und am 28. September 1944 weiter ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert.

Minna Behrens‘ älterer Bruder Ivan Jacobsohn (geb. 20.7.1899 in Kiel) war Handelsvertreter und hatte vor 1926 Else Weinberg (geb. 29.12.1902 in Bremen) geheiratet. Zum Zeitpunkt der Volkszählung vom Mai 1939 lebte das Ehepaar in der Straße Rutschbahn 15, im Erdgeschoss (Rotherbaum); dort starb Iwan Jacobsohn am 9. April 1941. Seine Witwe Else Jacobsohn und ihr 15jähriger Sohn Rolf wurden am 25. Oktober 1941 ins Getto Lodz und am 15. Mai 1942 weiter in das Vernichtungslager Chelmno deportiert. Für alle drei wurden Stolpersteine in der Hansastraße 47 verlegt.

Ihre Zwillingsschwester Rosa (1901-1979) war seit 1927 in einer Nähstube der Deutsch-Israelitischen Gemeinde beschäftigt gewesen. Sie hatte 1937 den Foto-Laboranten Fritz Goldschmidt (geb. 5.4.1900 in Elmshorn) geheiratet. Beide konnten noch im Juni 1941 in die USA nach New York emigrieren.

Minna Behrens‘ Onkel Alfred Brager (1877-1927) war um 1901 als "Tapezier und Decorateur" tätig gewesen und hatte 1909 geheiratet. Er starb 1927 in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg.

Ihre Tante Henriette Brager, geb. Brager (1872-1927) hatte als Dienstbotin und "Putzarbeiterin" gearbeitet und 1900 den Reisenden Henry Brager (geb. 1876) geheiratet.

Stand: Juni 2024
© Björn Eggert

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 232-1 (Vormundschaftsbehörde), Serie II 2936 (Sally Brager); StaH 332-3 (Zivilstandsaufsicht), A 48 (Geburtsregister 1868, Nr. 2228, Martha Brager); StaH 332-3 (Zivilstandsaufsicht), C 58 (Sterberegister 1869, Nr. 2558, Jette Brager geb. Heilbut); StaH 332-3 (Zivilstandsaufsicht), C 58 (Sterberegister 1869, Nr. 2559, Louis Brager); StaH 332-3 (Zivilstandsaufsicht), B 32 (Heiratsregister 1870, Nr. 432, Sally Brager u. Golde/ Auguste Blumenthal); StaH 332-3 (Zivilstandsaufsicht), A 99 (Geburtsregister 1870, Nr. 7145, Martin Jacobsohn); StaH 332-5 (Standesämter), 1910 u. 3531/1877 (Geburtsregister 1877, Alfred Brager); StaH 332-5 (Standesämter), 8548 u. 351/1890 (Heiratsregister 1890, Sally Brager 50 Jahre, u. Hanne Simon 39 Jahre); StaH 332-5 (Standesämter), 2832 u. 933/1894 (Heiratsregister 1894, Martin Jacobsohn u. Martha Brager); StaH 332-5 (Standesämter), 2382 u. 1759/1895 (Geburtsregister 1895, Henriette Jacobsohn); StaH 332-5 (Standesämter), 13615 u. 1308/1901 (Geburtsregister 1901, Minna Jacobsohn); StaH 332-5 (Standesämter), 7075 u. 11/1927 (Sterberegister 1927, Alfred Brager); StaH 332-5 (Standesämter), 926 u. 175/1927 (Sterberegister 1927, Henriette Brager geb. Brager); StaH 332-5 (Standesämter), 8168 u. 469/1940 (Sterberegister 1940, Martin Jacobsohn); StaH 332-5 (Standesämter), 8174 u. 131/1941 (Sterberegister 1941, Iwan Jacobsohn); StaH 332-7 (Staatsangehörigkeitsaufsicht), A Ie 40 Bd. 13 (Bürger-Register 1899-1905 A-H, Louis Brager geb. 15.12.1844 in Hamburg, Bürgerrecht 14.12.1903 Nr. J1/370); StaH 332-8 (Meldewesen), Alte Einwohnermeldekartei 1892-1925, Rollfilm K 4281 (Sally Brager, Martha Brager); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 1312 (Martha Jacobsohn), darin auch Wohlfahrtsakte von Martin Jacobsohn; StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 25158 (Rosa Goldschmidt geb. Jacobsohn); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Martin Jacobsohn, Alfons Jacobsohn; Bundesarchiv Berlin, R 1509 (Reichssippenamt), Volks-, Berufs-, u. Betriebszählung am 17. Mai 1939 (Minna Behrens, Martin Jacobsohn, Martha Jacobsohn, Alfons Jacobsohn, Rosa Goldschmidt geb. Jacobsohn, Hamburg, Grindelallee 24); Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen (Alfons Jacobsohn, Häftlingsnr. 010761); Yad Vashem, Page of Testimony (Minna Behrens geb. Jacobsohn; Alfons Jacobsohn); Ina Lorenz, Die Juden in Hamburg zur Zeit der Weimarer Republik, 2 Bände, Hamburg 1987, S. 226 (Alfons Jacobsohn, Unterstützer der Konservativen Gemeindeliste Achduth 1930), S. 892 (Alfons Jacobsohn, Vorsitzender des Landesausschusses für Jugendwohlfahrt 1931); Ina Lorenz/ Jörg Berkemann, Die Hamburger Juden im NS-Staat 1933 bis 1938/39, Göttingen 2016, Band IV, S. 685 (Winterveranstaltung Jüdischer Central-Verein, Redner Alfons Jacobsohn 1937), S. 723 (Alfons Jacobsohn, Vorstand Sportgruppe Schild 1934); Wilhelm Mosel, Wegweiser zu ehemaligen jüdischen Stätten in Hamburg, Heft 3, Hamburg 1989, S. 84-85 (Dillstr. 15); Ursula Randt, Die Talmud Tora Schule in Hamburg 1805 bis 1942, Hamburg 2005, S. 12 (Schülerlisten: Ruth Bella Behrens); Reichsvereinigung der deutschen Juden (Hrsg.), Informationsblätter, Berlin 1935, S. 36 (Landesausschuß Hamburg der jüdischen Jugendverbände, Vorsitz Alfons Jacobsohn, Hamburg, Dillstr. 15); Frauke Steinhäuser, "… bis zu seinem freiwilligen Ausscheiden im April 1933." Jüdische und als jüdisch verfolgte Sportler:innen im Nationalsozialismus in Hamburg, Hamburg 2022, S. 22 (Abbildung eines Schreibens mit Namen des Schild-Vorstandes); Israelitisches Familienblatt, 28. April 1938 (Martha Jacobsohn); Adressbuch Hamburg (Sally Brager), 1866, 1870 (Manufacturwaren, Neuer Steinweg 60), 1874 (Dampfwäscherei u. chem. Reinigungs- u. Reparaturanstalt, Caffamacherreihe 1); Adressbuch Hamburg (Brager), 1901; Adressbuch Hamburg (Martin Jacobsohn) 1902, 1904 (Grindelberg 5/7); Adressbuch Hamburg (Grindelberg 5-7) 1902; Adressbuch Hamburg (Dillstraße 15) 1906, 1908, 1914, 1920, 1925, 1930 (M. Jacobsohn, Reisender); Adressbuch Hamburg (M. Markel, Reisebüro/ Bankgeschäft/ Lotteriekollekte, Glockengießerwall 16) 1932, 1934; https://www.holocaust.cz/databaze-dokumentu/dokument/96175-jacobsohn-martha-oznameni-o-umrti-ghetto-terezin/ (Todesfallanzeige Martha Jacobsohn); www.ancestry.de (Geburtskarteikarte Flensburg 1898, Philipp Jacobsohn).

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