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Gunda Himmelweit (geborene Plastereck) * 1872

Ottersbekallee 14 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
GUNDA HIMMELWEIT
GEB. PLASTERECK
JG. 1872
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
TOT 20.11.1942

Kunigunde (Gunda) Himmelweit, geb. Plasterek (Plastereck, Plasterk), geb. am 27.9.1872 in Posen, deportiert nach Theresienstadt am 15.7.1942, dort gestorben am 20.11.1942

Ottersbekallee 14

Gunda Himmelweits jüdische Familie stammte aus der westpreußischen Provinz Posen. Schon die Mutter Philippine Plasterek, geb. Jacob, war 1845 in Posen geboren. Über den Vater Salomon wissen wir nichts. Gunda hatte mindestens drei Geschwister, nämlich die Brüder Aron (geb. 11.11.1868 in Halle), Max (geboren 10.3.1871 in Posen) und Moritz (geb. 17.3. 1875 in Berlin). Verheiratet war Gunda mit Adolf Himmelweit (geb. 1867), der im Dezember 1939 in Hamburg starb. Adolf Himmelweit war gebürtig aus Grätz in der Provinz Posen. Die westpolnische ehemalige Stadt Grätz heißt heute polnisch Grodzisk Wielkopolski. Das Gebiet kam nach dem Ersten Weltkrieg zu Polen. Adolfs Eltern hießen Nathan Himmelweit und Hannchen, geb. Plasterek. Vermutlich waren Gunda und Adolf miteinander verwandt. Sie heirateten in Posen am 24. Januar 1898.

Das Ehepaar Gunda und Adolf Himmelweit hatte zwei Kinder: Hans (geb. 13.11.1898) und Johanna (geb. 2.8.1903). Beide wurden in Posen geboren, die Familie kam vermutlich 1922 nach Hamburg und meldete sich bei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde an. Man kann vermuten, dass sich die gesamte Familie nach 1919, als Posen an Polen abgetreten werden musste, ins Deutsche Reich orientierte. Gundas Mutter lebte bis zu ihrem Tod im April 1934 bei ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn. Bruder Max arbeitete ebenfalls als Kaufmann in Hamburg. Seine Wohnungen befanden sich in der Husumerstraße 9 II und in der Alten Rabenstraße 6 III. Laut Telefonbuch war er Direktor der Sprithandels AG bzw. Direktor der norddeutschen Spritwerke. Er starb im März 1931, nachdem er 1929 in Berlin Fanny, geb. Goldschmidt, verwitwete Alsberg, geheiratet hatte.

Adolf Himmelweit arbeitete Anfang der 1920er Jahre in der Firma Sally Harlam, einer Lebensmittelgroßhandlung in der Gerhofstraße, wo er 1922 Gesellschafter wurde. Wahrscheinlich schied er dort spätestens 1926 aus, als die Firma in eine andere Rechtsform umgewandelt wurde. 1928 wurde die Niederlassung nach Berlin Charlottenburg verlegt. Auch zur Familie Harlam bestanden vermutlich verwandtschaftliche Beziehungen, denn Pauline Plasterek, geb. Harlam, zeigte im Oktober 1939 Adolfs Tod beim Standesamt an. Vielleicht war Pauline Plasterek eine Schwägerin von Gunda und Adolf. Sie wurde am 13. Januar 1942 von Berlin aus ins Getto Riga deportiert.

Ab Ende der 1920er Jahre zahlte Adolf Himmelweit keine oder nur sehr geringe Kultussteuern, was darauf hindeutet, dass sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse extrem verschlechtert hatten. Einen Telefonanschluss besaß er aber weiterhin. Von der Ottersbekallee zog das Ehepaar in die Werderstraße 10 oder 13 und dann in die Grindelallee 188. Von dort siedelte Gunda Himmelweit im Februar 1942 ins "Judenhaus" Dillstraße 15 II über.

Wenige Wochen später, im Juli 1942 wurde Gunda Himmelweit im Alter von 70 Jahren nach Theresienstadt deportiert. Gunda Himmelweits Name tauchte schon auf der Ausfallliste für die Deportation am 25.Oktober 1941 nach Lodz auf, war dort aber gestrichen. In Theresienstadt starb sie am 20. November 1942 amtlich beglaubigt an Lungenentzündung. Dass sie eigentlich ermordet wurde, wird deutlich, wenn man sich die grauenhaften Lebensumstände, den Hunger und die Entbehrungen im Getto vergegenwärtigt. Auf der Todesfallanzeige ist als letzte Hamburger Adresse das "Judenhaus" Beneckestraße 6 angegeben.

Die Tochter Johanna starb 1933. Bis zu ihrem Tod hatte sie bei den Eltern in der Ottersbek­allee gelebt. Der Sohn Hans wurde Arzt. Über seinen beruflichen Werdegang ist wenig bekannt. Seine Approbation erhielt er im Mai 1930. Eine Zeit lang arbeitete er als Assistenzarzt im Bezirkskrankenhaus Rabenstein in Sachsen. Laut Kultussteuerkarteikarte zog er von der Ottersbekallee 14 in die Fruchtallee 109 zu Keilson. Ab Oktober 1934 ist als Adresse die Grindelallee 188 eingetragen, wo zu der Zeit auch seine Eltern lebten. Da hatte er Hamburg aber schon verlassen. Im September 1934 ging er laut Kultussteuerkarteikarte nach Erfurt, wo er im Septem­ber 1934 unter der Adresse Nonnenrain 68a bei Baumgart gemeldet war. Vom November 1934 bis März 1937 lautete die Meldeadresse in Erfurt Roonstraße 56 parterre. Von Erfurt zog er 1937 in die Reichshauptstadt Berlin, wo er in der Schönhauser Allee 41 bei Haarzopf wohnte. Die Kassenzulassung verlor er wie alle jüdischen Ärzte Anfang 1938. Es gelang ihm dann, im Februar 1938 von Hamburg nach New York zu emigrieren. In den USA trat er 1942 in die Armee ein. Später lebte er in Massachusetts und war als Pfleger und männliche Hebamme tätig. Seine Zulassung als Arzt hatte er in den USA vermutlich nicht wiedererlangen können. Er heiratete in den USA und starb am 7. Februar 1955.

Im Gedenkbuch des Bundesarchivs sind viele Namen aus den Familien Himmelweit, Plasterek und Harlam verzeichnet, die alle aus Posen stammten. Es gab vermutlich vielfältige familiäre Beziehungen. Zum Beispiel hatten in Erfurt, wohin Hans Himmelweit zog, Anfang der 1930er Jahre Henriette und Moritz Himmelweit gelebt, die aus Posen stammten und zu der Generation von Adolf und Gunda Himmelweit gehörten. In Berlin hatte auch Dr. med. Hans Joachim Plasterk (geb. 1881 in Grätz/Posen) mit der Fachrichtung Frauenheilkunde und Chirurgie praktiziert. 1940 war er als Krankenbehandler im Adressbuch eingetragen. Seine Approbation hatte er 1908 in München erlangt. Er war mit einer Nichtjüdin verheiratet und überlebte in Berlin.

© Susanne Lohmeyer

Quellen: 1; 4; 5; 7; StaH 231-7, A1 Bd. 104 HRA 24045; StaH 332-5 Standesämter, 8164 und 460/1939; StaH 332-5, 1024 und 165/1934; StaH 332-5, 8107 und 121/1931; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 992e2 Bd. 3 De­portationsliste; HAB II 1926; Berliner Adressbücher; aad.archives.gov/aad; Berliner jüdische Kassenärzte, S. 348 und 692; Stadtarchiv Erfurt Melderegister EF: 2-136-226; www.ancestryinstitution. com, Zugriff am 15.2. 2013.

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