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Bereits verlegte Stolpersteine



Rita Aschkenazy
© Yad Vashem

Rita Aschkenazy * 1937

Sternstraße 29 (Altona, Sternschanze)

1938 Zbasyn / 'Polen-Aktion'
tot 1944 Buczacz

Weitere Stolpersteine in Sternstraße 29:
Mirjam Aschkenazy, Max Aschkenazy, Regina Aschkenazy

Mirjam (Maria, Mariam, Miriam, Marie) Aschkenazy, geb. Aschkenazy, geb. 15.5.1875 (29.5.1874) in Buczacz, ermordet am 4.2.1944 in Buczacz oder im Todeslager Belzec
Max (Maks) Nathan (Natan) Aschkenazy, geb. 25.12.1904 in Troppau, ausgewiesen am 28.10.1938 nach Zbaszyn, ermordet am 25.10.1943 in Buczacz
Regina (Ruwa) Aschkenazy, geb. Goldblatt (Goltblat), geb. 25.12.1909 (26.12.1907) in Lancut, ermordet am 4.2.1944 in Buczacz oder im Todeslager Belzec
Rita Aschkenazy, geb. 17.6.1937 in Hamburg, ermordet am 4.2.1944 in Buczacz oder im Todeslager Belzec

Sternstraße 29

Mirjam Aschkenazy heiratete um 1900 den ebenfalls aus Buczacz stammenden David (Elio Davis) Aschkenazy. Beide waren polnische Staatsangehörige. Ihr erster Sohn Hermann (später: Chaim) kam 1902 in Buczacz zur Welt. Troppau, in dem zwei Jahre später Max Nathan geboren wurde, heißt heute Opava und liegt in Tschechien an der Grenze zu Polen. Die Familie zog nach Hamburg, wo Hermann zwischen 1911 und 1918 die Talmud Tora Realschule besuchte, Max war dort von 1912 bis 1920 Schüler. Zwischen 1914 und 1917 gingen die Brüder in dieselbe Klasse. Spätestens seit 1914 war die Adresse der Familie die Wohldorferstraße 36 in Barmbek. Dort wohnten sie und betrieben im selben Haus ein Gemüsegeschäft – verkauften "Eier und Grünwaren". Aschkenazys traten 1918 in die Jüdische Gemeinde ein. Einem Vermerk auf der Kultussteuerkarte zufolge wanderte Hermann 1925 aus Deutschland aus. Nach eigenen Angaben immigrierte er 1929 nach Palästina.

Nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1932 führte Mirjam das Gemüsegeschäft zusammen mit ihrem Sohn Max weiter. Max war von Beruf Eierleuchter bzw. -prüfer. Die Aufgabe von Eierprüfern war es, Eier mit Hilfe spezieller Vorrichtungen zu durchleuchten, um ihren Frischegrad und eine eventuelle Befruchtung festzustellen. Ein Eintrag auf der Kultussteuerkarte deutet darauf hin, dass das Geschäft der Aschkenazys zum 1. Januar 1934 aufgelöst wurde. Mutter und Sohn wohnten im Heinskamp 37.

Regina Goldblatt war die älteste Tochter des am 13. März 1892 in Lancut geborenen Handlungsgehilfen Max Goldblatt und dessen Ehefrau Lina, geboren am 15. Februar 1893, die ebenfalls aus Lancut stammte. Regina besaß die polnische Staatsangehörigkeit, ihr Vater war Österreicher. Lancut war 1909, dem Geburtsjahr Reginas, eine circa 5000 Einwohner zählende Kleinstadt in der Nähe von Rzeszów, die heute im Südosten Polens liegt. Reginas Vater nahm am Ersten Weltkrieg teil. 1919 zogen die Goldblatts nach Altona und wohnten bis mindestens 1925 in der Parallelstraße 53, der heutigen Eifflerstraße. Sie waren Mitglieder der Hochdeutschen Israeliten-Gemeinde Altonas. Am 26. Februar 1912 kam Reginas Bruder Markus (später: Max) zur Welt. Am 8. Oktober 1919 wurden ihre Schwester Rosa, am 8. März 1921 ihr Bruder Saly in Altona geboren.

Regina Goldblatt und Max Aschkenazy lernten einander kennen und heirateten. Ihr erstes Kind, der Sohn Devy Elias, kam am 5. Juli 1934 zur Welt. Am 1. April 1936 zogen Regina, Devy und Max gemeinsam mit dessen Mutter Mirjam in die Sternstraße 29. Mirjam besuchte ihren Sohn Hermann in Palästina, blieb etwa ein Jahr und kehrte nach Hamburg zurück. Im Sommer 1937 wurde Regina und Max Aschkenazys Tochter Rita geboren. Reginas Bruder Markus wanderte 1938 über Kuba in die USA aus, wo er im Dezember 1940 einreisen durfte.

Max Aschkenazy wurde am 28. Oktober 1938 wie viele andere polnische Juden aus dem Deutschen Reich nach Zbaszyn, einer Stadt an der polnisch-deutschen Grenze – auch Bentschen genannt – ausgewiesen. Den Menschen wurde die Einreise nach Polen zunächst verweigert. Ein Aufsatz auf den Internetseiten des "Gedenkbuchs der Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945" beschreibt die Situation folgendermaßen: "Die deutsche Polizei trieb die Menschen über die Landstraßen oder entlang der Eisenbahngleise; später erreichten auch erste Züge den Grenzübergang. Zeitzeugen sprachen von chaotischen Zuständen. Mehrere tausend Menschen irrten im Niemandsland umher, drängten sich auf dem Bahngelände, hausten im Stationsgebäude oder auf nahe gelegenen Plätzen in der polnischen Grenzstadt Bentschen sowie auf den die Stadt umgebenden Wiesen."

Eine vom International Tracing Sercice (ITS – Internationaler Suchdienst) archivierte Karteikarte verzeichnet für Max Aschkenazy eine Anschrift in Zbaszyn: Pl. Wolnosci 12 (Platz der Freiheit). Eine Liste des Auffanglagers Zbaszyn vermerkt, dass er Polnisch weder sprach noch schrieb. In der Pl. Wolnosci 12 wohnte vom 28. Oktober 1938 bis Juni 1939 auch sein Schwager – also Reginas Bruder – Saly Goldblatt. Im Juli 1939 kehrte Saly mit seinem Vater Max nach Hamburg zurück. Beide wurden am 9. September 1939 im Konzentrationslager Fuhlsbüttel inhaftiert. Saly kam Mitte Januar 1940 frei und konnte später in die USA auswandern. Salys und Reginas Vater Max musste in Fuhlsbüttel bleiben und wurde im Februar 1940 ins Konzentrationslager Sachsenhausen verlegt, wo er am 17. Mai desselben Jahres starb.

Regina blieb zunächst in Hamburg und zog mit ihren beiden Kindern in die General-Litzmannstraße 108, wo sie mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Rosa eine Wohnung teilte. Die General-Litzmannstraße wurde später zur Stresemannstraße, die Hausnummer 108 zur Hausnummer 93. Am 25. April 1939 stellte Regina für sich und ihre Kinder einen Auswanderungsantrag nach Polen. Das Finanzamt Hamburg-Wandsbek stellte eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für Auswanderer aus. Im Mai 1939 verließ sie mit Devy und Rita Deutschland Richtung Polen. Ihre Mutter Lina und ihre Schwester Rosa zogen in die Adolfstraße – die heutige Bernstorffstraße. Von dort wurden sie am 6. Dezember 1941 zum Jungfernhof nahe dem Getto von Riga deportiert, was sie nicht überlebten.

Familie Aschkenazy – Mirjam, Max, Regina, Devy und Rita – kam 1939 in Buczacz wieder zusammen. Buczacz war eine galizische Stadt, die bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie, dann bis 1939 zu Polen und seit September 1939 zum Oblast Ternopol der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik gehörte. Deutsche Truppen besetzten Buczacz im Juli 1941 und ermordeten dort in der Folge mehrere Tausend Juden. Die Rote Armee befreite die Stadt ein erstes Mal im März 1944, dann endgültig im Juli 1944, als nur noch etwa 100 Juden in der Stadt überlebt hatten.
Eine mit Hermann Aschkenazy entfernt verwandte Frau, Dora Popol, gab am 5. Januar 1961 zu Protokoll:

"Ich habe vom Jahre 1939 an in Buczacz/Polen gelebt. Als ich nach Buczacz kam, lebten dort die Mutter von Chaim Aschkenazy [Mirjam] sein Bruder Nathan [Max] mit seiner Frau [Regina] und zwei Kindern [Devy und Rita] bei dem Bruder von Miriam Aschkenazy, Mosche Aschkenazy. Als die Deutschen im Jahre 1941 nach Buczacz kamen, war also die Mutter, der Bruder mit Frau und Kindern in Buczacz. Miriam Aschkenazy und Nathan Aschkenazy haben von Juli 1941 an den Judenstern getragen. Im November 1941 war in Buczacz die erste Aktion und dabei wurde die Mutter von Chaim Aschkenazy, Miriam Aschkenazy, der Bruder Nathan mit Frau Regina, geb. Goldblatt, und die Kinder Devy und Rita Aschkenazy ebenso wie ich, fortgeführt. Ich hatte Devy Aschkenazy bei der Hand und es gelang mir, kurz bevor wir in den Eisenbahnzug gebracht wurden, mit dem Jungen zu entfliehen. Miriam Aschkenazy, Regina Aschkenazy, Nathan Aschkenazy und die kleine Rita Aschkenazy wurden in den Eisenbahnzug gebracht und niemand, der in diesem Zug war, ist am Leben geblieben. Ich habe gehört, dass sie nach Belz [Belzec] ins Todeslager gebracht worden sind. Ich bin mit Devy Aschkenazy nach Buczacz zurückgegangen und habe ihn bei mir behalten. Ich war mit Devy Aschkenazy noch etwa 2 Jahre im Getto Buczacz und habe mich später mit ihm in den Wäldern versteckt gehalten. Nach der Befreiung gingen wir nach Buczacz, das dann russisch wurde, zurück."

© Christiane Jungblut

Quellen: 1; 2; 4, 5; 8; AB 1939; StaH 314-15 OFP, FVg 4568; StaH 351-11 AfW, Abl. 2008/1, 080321 Goldblatt, Sidney; StaH 351-11 AfW, Abl. 2008/1, 150890 Goldblatt, Benjamin; StaH 351-11 AfW, Abl. 2008/1, 260212 Goldblatt, Max; StaH 351-11 AfW, Abl. 2008/1, 290574 Aschkenazy, Mirjam; StaH 522-1, 161; StaH 362-6/10 Talmud-Tora-Schule, TT 19; USHMM, 3.9.2008, Karteikarte über den Verbleib von Maks Aschkenazi in Zbaszyn; USHMM, 22.1.2009, Liste des Lagers Zbaszyn; Gedenkbuch Bundesarchiv, Abschiebung, http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/zwangsausweisung.html?page=2 (10.11.2008).

Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.
Hier abweichend:
(2) Bundesarchiv Berlin, R 1509 Reichssippenamt, Ergänzungskarten der Volkszählung vom 17. Mai 1939

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