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Bereits verlegte Stolpersteine



Juliane Appel * 1889

Woldsenweg 13 (Hamburg-Nord, Eppendorf)


HIER WOHNTE
JULIANE APPEL
JG. 1889
DEPORTIERT 1941
LODZ / LITZMANNSTADT
CHELMNO / KULMHOF
ERMORDET 20.4.1942

Weitere Stolpersteine in Woldsenweg 13:
Henriette Cohen, Siegmund Goldschmidt, Mathilde Laski

Juliane "Jula" Appel, geb. am 5.3.1889 in Koblenz, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, ermordet am 20.4.1942 im Vernichtungslager Chelmno

Woldsenweg 13

Juliane Appel kam am 5.3.1889 als Tochter des jüdischen Ehepaares Isaak Appel (geb. 12.1.1848 in Großbüllesheim) und Henriette, geb. Heymann (geb. 16.10.1852 in Bendorf, gest. 24.3.1927) in Koblenz zur Welt. Die Eltern hatten am 6. Juni 1874 in Kuchenheim (heute ein Stadtteil von Euskirchen) geheiratet und hatten außer Juliane noch weitere fünf Kinder.

Isaak Appel war Metzger, betrieb aber, wie in den Koblenzer Adressbüchern später vermerkt, mit seiner Ehefrau Henriette einen Altwarenhandel im eigenen Haus in der Kastorstraße 23. Das Geschäft führte Henriette Appel auch noch nach dem Tod ihres Mannes weiter, 1912 wird sie als Witwe verzeichnet.

Wann Juliane Appel, die sich Jula nannte, ihre Heimat verließ, ist nicht bekannt. Sie blieb unverheiratet und war als ausgebildete Krankenschwester während des Ersten Weltkrieges in einem Lazarett, vermutlich in Frontnähe, tätig.

Von 1928 bis 1933 arbeitete sie im Kinderheim der Arbeiterwohlfahrt (AW heute AWO) in der Bürgerstraße 39 in Altona. Mit der Leiterin des Heimes, der Wohlfahrtspflegerin Thea Dening (1891-1973), verband sie eine enge Freundschaft. Als die 1919 gegründete Arbeiterwohlfahrt, eine der SPD nahestehende Organisation, 1933 von den Nationalsozialisten verboten wurde, verloren beide Frauen ihren Arbeitsplatz und somit auch die Dienstwohnung. (Vermögen und Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt wurde von der NS-Volkswohlfahrt e.V. Gau Hamburg übernommen. In das Haus Bürgerstraße 39 zog das "Kinderheim Friede" der Großstadt-Mission. Dem damaligen Leiter Bernhard Harder gelang es, durch den Anschluss an die Evangelische-reformierte Kirche der Provinz Hannover, sich dem Zugriff der Nationalsozialisten zu entziehen.)

Thea Dening und Juliane Appel zogen in die Behnstraße 39, Haus 2 in die Altonaer Altstadt. Dort eröffnete Thea Dening eine Pension, die jedoch nur knapp ihren Lebensunterhalt sicherte. Vielleicht erhoffte sich Juliane Appel eine berufliche Perspektive, als sie am 1. Oktober 1933 in die Jüdische Gemeinde in Altona eintrat. Auf ihrer Kultussteuerkarte wurde 1935 vermerkt "ohne Einkommen" und ein Zusatz besagt "konfessionslos". Einer zweiten 1936 angelegten Kultussteuerkarte ist zu entnehmen, dass Juliane Appel, jetzt mit der Berufsbezeichnung "Schwester", im Juli 1936 nach einer Zwischenstation von Wyk/ Föhr nach Hamburg zurückgekehrt war. (Dort betrieb der Jüdische Frauenbund von 1927 bis 1938 ein Kindererholungsheim).

Im Anschluss wohnte sie in gut situierten Wohngegenden wie im Woldsenweg 14 bei Mansfeld, Woldsenweg 4 bei Engelhardt und Woldsenweg 13 bei Cohen, dann in der Hochallee 70 bei Schaps und wieder im Woldsenweg 13 bei Cohen. Höchstwahrscheinlich war Juliane Appel in dieser Zeit als Pflegerin tätig und wohnte bei ihren jeweiligen Arbeitgebern.

Ihren Deportationsbefehl erhielt Juliane Appel im Woldsenweg 13. Thea Denings 1928 geborene Tochter, die zu Juliane Appel eine enge Bindung entwickelt hatte, berichtete rückblickend, sie habe damals als 13-jährige bei ihrer Verabschiedung von "Tante Jula" gewusst, dass es ein Abschied für immer gewesen sei.

Gemeinsam mit ihrer Vermieterin Henriette Cohen (geb. 17.2.1885) und den Mitbewohnern Mathilde Laski (geb. 16.11.1888) und Siegmund Goldschmidt (geb. 19.4.1887) (siehe www.stolpersteine-hamburg.de) erhielt Juliane Appel mit ihren "Evakuierungsbefehl" die Aufforderung, sich am 24. Oktober 1941 im Logenhaus an der Moorweide einzufinden. Sie wurden mit dem ersten großen Transport, der Hamburg am 25. Oktober vom Hannoverschen Bahnhof am Lohseplatz verließ, ins Getto von Lodz deportiert, das von den Nationalsozialisten in "Litzmannstadt" umbenannt worden war.

Im Getto wurde Juliane Appel in der Alexanderhofstraße 37 Zimmer 31 untergebracht. Sie überlebte den ersten Winter trotz der menschenunwürdigen Lebensbedingungen. Im Mai 1942 erfolgten die ersten "Aussiedelungen" der im Herbst 1941 eingetroffenen deutschen Jüdinnen und Juden. Es hieß, sie würden in ein anderes Arbeitslager gehen. Offenbar glaubte Juliane Appel diesen Gerüchten nicht, als sie ihre Ausreiseaufforderung Nr. III/335 erhielt. In der Hoffnung von dem Transport zurückgesellt zu werden, wandte sie sich schriftlich an das "Amt für Eingesiedelte". Den Brief wird sie nicht selber geschrieben haben, da die Handschrift von der Unterschrift stark abweicht: "Ich bitte hiermit höfl., von meiner Aussiedlung Abstand zu nehmen. Ich bin seit Anbeginn ehrenamtlich als Krankenpflegerin- und Schwester des Hamburger Transportes tätig gewesen. Meine mitgebrachten Medikamente habe ich unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Während des Krieges habe ich als Krankenschwester Kriegsdienst geleistet und erhielt dafür das Johanniter-Orden.
Ergebenst Schwester Jula Appel".

Aussicht auf Erfolg hatten Antragsteller, die im Ersten Weltkrieg ausgezeichnet worden waren, wie die Träger des Eisernen Kreuzes, oder in den verschiedenen Betrieben eine wichtige Arbeitsstelle nachweisen konnten. Offenbar galt dies für die 53-Jährige im Krieg ausgezeichnete Krankenschwester nicht, vielleicht war sie auch geschwächt und somit nicht mehr arbeitsfähig.

Juliane Appels Gesuch erhielt den Stempel "ODMOWA" = abgelehnt.

Am 20. April 1942 wurde sie in das 60 km entfernte Vernichtungslager Chelmno (Kulmhof) transportiert und in den dort bereitstehenden Gaslastwagen ermordet.

Auch zwei ihrer Brüder überlebten den Holocaust nicht:
Adolf Appel (geb. 6.5.1890) wurde von der Gestapo in Koblenz mehrmals verhört und schwer misshandelt, er starb am 31. Juli 1936 an den Folgen im Krankenhaus Kemperhof in Koblenz.

Max Appel (geb. 27.5.1891) wurde am 7. August 1943 wegen angeblicher "staatsfeindlicher Äußerungen" festgenommen. Im Oktober 1943 wurde er aus der "Schutzhaft" in Koblenz als "politischer Jude" in das Konzentrationslager Auschwitz eingewiesen. Als angesichts der vorrückenden Roten Armee das Lager evakuiert wurde, gehörte Max Appel zu den Häftlingen, die am 26. Januar 1945 in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht wurden. Dort verstarb er am 23. März 1945, kurz vor der Befreiung durch amerikanische Truppen, angeblich an einer "Sepsis (Blutvergiftung) bei Phlegmone (Entzündung) des rechten Unterarmes" im Häftlingskrankenbau.

An die drei Geschwister Juliane, Adolf und Max Appel erinnern seit 2007 Stolpersteine in der Kastorstraße 23 in Koblenz.

Stand: November 2021
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 5; USHMM, RG 15.083, 299/80 (Appel, Juliane) Auskunft von Steven Vitto am 17.2.2021; Email von Daniel von Usslar vom 6.2.2021 und 7.2.2021; Mahnmal Koblenz https://www.mahnmal-koblenz.de/index.php/2013-12-12-02-07-02/die-lesemappen/613-068-geschwister-appelMahnmal (Zugriff 17.4.2021); http://www.awo-hamburg.de/wer-wir-sind/historie/ (Zugriff 17.4.2021); http://totenbuch.buchenwald.de/names/details/person/32325/ref/recherche (Zugriff 17.4.2021); http://docplayer.org/68979346-Juedische-bevoelkerung-grossbuellesheim-stand.html (Zugriff 17.4.2021);
Jüdisches Leben: Kreisstadt Euskirchen https://www.euskirchen.de/stadtinfo/historie/gegen-das-vergessen/juedisches-leben/?uid=1756 (Zugriff 17.4.2021); https://www.euskirchen.de/service/stadtarchiv/bestaendeuebersicht/personenstandsregister-online/ (Zugriff 17.4.2021); Dieter Peters, Der jüdische Friedhof in Koblenz, S. 10, https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20234/Koblenz_2001.pdf (Zugriff 17.4.2021);
StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 1; StaH 424-24_112 "Unterstützung der Tätigkeit des Ausschuss für Arbeiterwohlfahrt Altona e.V. 1920-1933 Enth. u.a. Jahresberichte, Beihilfe für die Kindererholungsfürsorge, insbesondere Kinderheim Bürgerstraße 39, 1925-1933. Einrichtung "Sozialdemokratische Wohlfahrtspflege Ortsgruppe Altona"; StaH 351-11_45738; StaH 351-11_7922; Buchenwald, Ausgrenzung und Gewalt 1937 bis 1945, Begleitband zur Dauerausstellung in der Gedenkstätte Buchenwald, Göttingen 2016; www.ancestry.de: Sterberegister Max Appel am 23. März 1945 in Weimar-Buchenwald (Zugriff 17.4.2021); www.ancestry.de: Sterberegister Jeanette Busse, geb. Appel am 1. Juli 1939 in Berlin-Spandau (Zugriff 17.4.2021) www.ancestry.de Kriegsranglisten und -stammrollen des Königreichs Bayern, 1. Weltkrieg 1914-1918 für Josef Appel (Zugriff 17.4.2021); https://www.grosstadt-mission.de/ueber_uns_geschichte/articles/geschichte.html (Zugriff 11.5.2021); Danuta Czech, Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939-1945, Reinbek, S. 992; Diverse Adressbücher von Koblenz, Hamburg und Altona.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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