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Hedwig Sofia Benzihn * 1869

Heideweg 11 (Hamburg-Nord, Uhlenhorst)


HIER WOHNTE
HEDWIG SOFIA BENZIHN
JG. 1869
VERHAFTET 1942
KZ FUHLSBÜTTEL
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 13.11.1942

Hedwig Benzihn, geb. 30.1.1869 in Hamburg, 1942 KZ Fuhlsbüttel, aus der Haft heraus deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, Tod dort am 13.11.1942

Heideweg 11

Hedwig Sofia Benzihn war die Älteste der drei Kinder des Häute- und Fellhändlers Rudolf Heinrich Benzihn und seiner Ehefrau Elise, geb. Philip, geb. 5.5.1849 in Glückstadt. Rudolf Benzihn, geb. 25.3.1830 in Berlin, war in den 1850er Jahren nach Hamburg gekommen und hatte 1856 das Bürgerrecht erworben. Bei der Gründung seiner Familie im Jahr 1869 wohnte er am Besenbinderhof 5 in der Vorstadt St. Georg, während er die Firma mit dem Lager in der Deichstraße 52 in der Neustadt betrieb. Eineinhalb Jahre nach Hedwig wurde Clara Magdalene Dorothea, genannt Magda, geboren, weitere drei Jahre später Edgar Moritz. Die Kinder wuchsen offenbar in bürgerlichem Wohlstand auf. Welche Schulen sie besuchten, ist uns nicht bekannt.

Rudolf Benzihns Handelsfirma war erfolgreich. Als Makler mit Häuten, Fellen und Leder hatte er seinen Börsenplatz zwischen den Pfeilern 7b/8b. Der wirtschaftliche Erfolg spiegelte sich auch im Umzug vom Besenbinderhof nach Oben Borgfelde und 1892 weiter nach Hohenfelde, wo die Familie bis zum Tod des Familienvaters in der 1. Alsterstraße wohnte. Rudolf Benzihn starb am 6. Januar 1897 im Alter von fast 67 Jahren. Offenbar erst danach begannen Hedwig und Magda, beide ledig und fast 30 Jahre alt, mit der Ausbildung zur Lehrerin. Elise Benzihn zog mit ihren inzwischen erwachsenen Kindern innerhalb Hohenfeldes um und ließ sich um 1910 in der Ifflandstraße 73 nieder. Edgar machte sich mit einer Chocoladenagentur am Münzweg 12 selbstständig und zog aus. Diese Adresse im Stadtteil Klostertor blieb sein Firmensitz, auch nachdem er zum Handel mit anderen Dingen übergegangen war.

Magda Benzihn absolvierte das Lehrerinnenseminar in Münster. Im Alter von 34 begann sie erstmals zu unterrichten und trat am 1. Dezember 1907 in den Hamburger Schuldienst ein. Anders als ihre jüngere Schwester Magda wurde sie Privatlehrerin. Nachweisbar sind ihre Tätigkeiten in den Schuljahren 1912 bis 1915 als Lehrerin an den Höheren Schulen für Mädchen Beim Strohhause 68, 1918/19 in der Schule Eppendorfer Landstraße 57 und 1920/21 in der Augusta-Schule Harvestehuderweg 105. Danach wird sie in den Hamburger Lehrerverzeichnissen nicht mehr aufgeführt. 1912 hatten sich die Schwestern schon getrennt. Magda zog nach Eilbek, wohnte zunächst in der Uferstraße 16, zog später in die Auenstraße 31 und von dort zum Wandsbeker Stieg 24.

Hedwig Benzihn blieb in Hohenfelde und zog in den Haideweg 11 (heute: Heideweg). Sie konvertierte zu einem uns nicht bekannten Zeitpunkt und wurde Mitglied der ev.-luth. Kirche, der sie sich lebenslang zugehörig fühlte. Edgar Benzihn ging am 8. Juni 1917 eine "Mischehe" mit Minna Anna Schulze, geb. 8.6.1885 in Dobberkau in der Altmark, ein. Die Ehe blieb kinderlos, doch adoptierten die Eheleute eine Tochter. Edgar Benzihn trat aus der Deutsch-Israelitischen Gemeinde aus und blieb bis an sein Lebensende konfessionslos.

Über das Leben Hedwig Benzihns bis Herbst 1939 ist wenig bekannt. Sie blieb im Heideweg 11 wohnen. Am 7. Oktober 1939 starb ihre Mutter im Alter von 90 Jahren in ihrem Zuhause in der Hartwicusstraße 13, unweit ihrer Tochter Hedwig. Edgar, der ihren Tod beim Standesamt anzeigte, war inzwischen mit seiner Familie zu seiner Schwester Magda in die Caspar-Voght-Straße 84 in Hamburg-Hamm gezogen. Offenbar hatte auch Elise Benzihn der jüdischen Religion den Rücken gekehrt. Weder wurde sie auf dem jüdischen Friedhof beerdigt noch existiert von ihr eine Kultussteuerkarteikarte. Sie starb, bevor sie zwangsweise in die jüdische Gemeinde, die nun Jüdische Religionsvereinigung hieß und Zweigstelle der Zwangsorganisation "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" war, hätte eintreten müssen, wie es Hedwig und Edgar widerfuhr. Mit dem Eintritt war die Zahlung von Beiträgen verbunden.

Hedwig Benzihns Einkommen bestand aus einer Pension von monatlich 122 RM. Ihre Ersparnisse von 1300 RM in Form von Wertpapieren, die sie in einem Depot bei der Hamburger Sparkasse hielt, wurden ihr bereits Anfang des Jahres 1940 entzogen, die "Haspa" lieferte sie an die Preußische Staatsbank (Seehandlung) ab. Dieser Zeitpunkt und die geringe Summe sind ungewöhnlich, für den Zusammenhang fehlen Belege.

Für 1940 wurde Hedwig Benzihn von der Jüdischen Gemeinde mit dem Grundbetrag von monatlich 1 RM veranlagt. Trotz der Finanznot der jüdischen Gemeinde wurde sie 1941 beitragsfrei gestellt, denn von ihrer Pension gingen monatlich noch 20 RM "Unterstützung" ab, möglicherweise für ihren Bruder. Edgar Benzihn war inzwischen völlig mittellos und lebte im Haushalt seiner Schwester Magda. (s. Stolpersteine in Hamburg-Hamm, S. 71–73).

Nach fast 30 Jahren musste Hedwig Benzihn ihre Wohnung im Heideweg aufgeben. Die Jüdische Gemeinde brachte sie im Oppenheimer-Stift in der Kielortallee 22 unter. Dort nahm die Gestapo sie am 13. März 1942 fest und inhaftierte sie im KZ Fuhlsbüttel. Die konkreten Gründe für diese "Schutzhaft" sind nicht bekannt. Das Hanseatische Sondergericht ermittelte gegen sie wegen "Heimtücke" und ließ sie am 9. April 1942 in die Untersuchungshaftanstalt Hamburg-Stadt verlegen. Es kam jedoch zu keiner Verhandlung. Stattdessen wurde sie am 19. Juli 1942 "zur Polizeibehörde entlassen". Deren übliches Vorgehen in solchen Fällen war die Überstellung der Entlassenen nach Auschwitz. Hedwig Benzihn wurde jedoch am selben Tag mit dem zweiten Großtransport im Sommer 1942 in das "Altersgetto" von Theresienstadt abtransportiert, wohin die 73jährige ohne die "Schutzhaft" deportiert worden wäre.

In Theresienstadt waren vier Tage zuvor ihre Geschwister Magda und Edgar Benzihn eingetroffen. Sie wurden getrennt untergebracht.

Hedwig starb ca. vier Monate später am 13. November an einem Darmkatarrh, der in dem völlig überfüllten Getto grassierte.
Magda erlag drei Tage später einer Venenentzündung. Die beiden Schwestern wurden 72 bzw. 73 Jahre alt.

Edgar überlebte noch den Jahreswechsel und starb am 15. Januar 1943 im Alter von 70 Jahren an einer Sepsis. Alle Drei wurden jeweils zwei Tage nach ihrem Tod beerdigt.

© Hildegard Thevs

Quellen: 1; 2 Abl. 1998, J 7/36; 4; 5; 7; 9; Hamburger Adressbücher; StaH 242-1 II, Abl. 2001/1; 331-1 II Polizeibehörde II, Abl. 15 Band 2; 332-8 Melderegister 1892-1925, K 4227; 522-1 Jüdische Gemeinden, 992 e 2, Band 5; Hamburger Lehrerverzeichnisse; http://www.holocaust.cz/de/search?query=benzihn&x=1&y=3, Zugriff 21.11.2013; Mitteilungen der Haspa vom 3. und 4.12.2013; Geheimes Staatsarchiv, Preußischer Kulturbesitz, Schreiben vom 12.12.2013.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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