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Schülerin Lilli Mayer, Ausschnitt aus Klassenfoto
Lilli Mayer, Schülerin der privaten höheren Mädchenschule Marie Zuckertort, Flensburg 1901
© Stadtarchiv Flensburg

Lilli Mayer (geborene Moses) * 1888

Auenstraße 5 (Wandsbek, Eilbek)


HIER WOHNTE
LILLI MAYER
GEB. MOSES
JG. 1888
DEPORTIERT 1941
RIGA
ERMORDET

Lilli Mayer, geb. Moses, geb. am 11.2.1888 in Flensburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga

Auenstraße 5

In der Berliner Zeitschrift für Fragen des Judentums mit dem Titel "Der Weg" erschien am 23. August 1946 folgende Suchanzeige:
"Wer kann Auskunft geben über Frau Lilli Mayer aus Hamburg, welche am 6.12.1941 nach Riga gebracht wurde. Nachricht erbittet ihr Sohn Fred Mayer aus Südafrika, z. Z. Berlin-Niederschönhausen, Platanenstr. 10, b. Lewin."

Fred Mayer war Lilli Mayers Sohn aus ihrer Ehe mit Julius Mayer, geboren am 27. Juni 1880 in Rogasen/Posen, den sie am 20. Dezember 1911 in Hamburg geheiratet hatte. Lilli Mayer war das dritte von elf Kindern des Kaufmanns Levin-Moses und seiner Ehefrau Anna, geborene Lehmann, beide jüdischer Religionszugehörigkeit. Levin-Moses stammte aus Friedrichstadt an der Eider, wo er am 24. Februar 1855 zur Welt gekommen war. Anna Lehmann wurde am 4. April 1856 im damaligen Inowrazlaw bei Bromberg, dem späteren Hohensalza, geboren. Sie heirateten am 8. Juli 1882 in Fleckeby nahe Eckernförde und verbrachten ihr gesamtes gemeinsames Leben in Flensburg. Von Beruf war Levin-Moses Kaufmann, er arbeitete auch als Gastwirt und als Makler. Im Jahr nach Lillis Geburt übernahm er das am oberen Südergraben gelegene Restaurant mit Konzertgarten "Tivoli". In der gewaltigen Sängerhalle fanden Musik- und Theateraufführungen sowie Basare und festliche Zusammenkünfte statt. Dazu gehörte die im Februar stattfindende große Prämien-Maskerade mit anschließendem Fastnachtsball. Levin war zunächst Pächter, ab 1896 Eigentümer des Betriebs. Mit diesem Erwerb hatte er sich offenbar finanziell übernommen, denn 1899 wurde das Anwesen zwangsversteigert. Anschließend betätigte er sich als Haus- und Grundstücksmakler. Mit nur 54 Jahren starb er 1909 und wurde in Rendsburg auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt.

Nach einem Beschluss des Königlichen Amtsgerichts zu Flensburg vom 21. November 1912 wurde drei Jahre nach seinem Tod richtig gestellt, dass der Familienname Moses laute und Levin der Vorname sei. Levin Moses selbst hatte noch den Vornamen Leopold hinzugefügt. Die uns bekannten Kinder hießen Hermann, geboren am 2. Februar 1884, Erna, geboren am 13. Juni 1885, Lilli, geboren am 11. Februar 1888, Vally, geboren am 6. März 1889, Marga, geboren 8. Juli 1890, Leonhard, geboren am 24. Januar 1892, Hertha, geboren am 9. August 1893, Edgar, geboren am 20. Januar 1895, Alfons, geboren am 7. Juni 1886, Lola, geboren am 10. Mai 1896 und Luise, geboren am 24. Januar 1898.

Einige Familienmitglieder behielten den alten Familiennamen bei, andere, wie Hermann, benutzten Varianten wie "Lewin" in der obigen Anzeige Fred Mayers.

Lilli besuchte zunächst die spätere Auguste-Viktoria-Schule und anschließend die Privatschule von Marie Zuckertort in Flensburg.

Als Leopold Levin-Moses vier Tage vor seinem 54. Geburtstag in Flensburg starb, waren von den Kindern nur drei mündig, unter ihnen Lilli. Mit ihr und den beiden jüngsten Töchtern übersiedelte seine Witwe am 1. April 1909 nach Hamburg, womit sich der Familienmittelpunkt dorthin verlagerte. Die übrigen Kinder befanden sich in der Ausbildung oder waren bereits selbstständig. Lillis Mutter Anna bezog in der Fruchtallee 32 in Eimsbüttel eine große Wohnung. Durch die Vermietung von drei Zimmern zu je 21 RM im Monat bestritt sie ihren Lebensunterhalt. Lilli begab sich auf Reisen, nachdem sie für kurze Zeit als "Kinderfräulein" in Familien in Bahrenfeld und in der Isestraße in Hamburg-Eimsbüttel gearbeitet hatte. Lola arbeitete als Kontoristin im Israelitischen Mädchen-Waisenhaus Paulinenstift unter der Leitung von Louis Tannenwald und wohnte auch dort. Luise, die Jüngste, besuchte das Paulinenstift als Schülerin. Im Mai 1910 traf Marga aus Schleswig ein. Sie hatte dort das Lehrerinnenseminar besucht und lebte nun als Erzieherin für jeweils längere Zeit bei einer Familie. In den Wochen zwischen zwei Anstellungen hielt sie sich bei ihrer Schwester Lilli oder bei ihrer Mutter auf.

Lillis Mayers Ehemann Julius, geboren am 27. Juni 1880 in Rogasen in der preußischen Provinz Posen, kam ebenfalls aus einer jüdischen Familie. Sein Vater, Machol Mayer, ein wohlhabender Viehhänd­ler und Schlachtermeister, blieb mit seiner Frau Bertha, geborene Mottek, in Rogasen zurück, als Julius 1907 seinen Geburtsort verließ und nach Hamburg zog. Wenige Monate nach seiner Ankunft erhielt er, inzwischen 27 Jahre alt, seinen Ausmusterungsschein. Julius Mayer fand eine Anstellung bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse Hamburg und wohnte bei seiner Heirat in der Rappstraße 10, während Lilli bei ihrer Mutter in der Fruchtallee gemeldet war. Als Trauzeuge auf Seiten der Braut fungierte Louis Tannenwald, der Direk­tor des Israelitischen Mädchen-Waisenhauses.

Nach ihrer Heirat zogen die Eheleute in die Papenstraße 96 in Eilbek. Am 31. August 1912 brachte Lilli ihren einzigen Sohn, Fred Lothar, zur Welt. Die Familie ließ sich nach einigen weiteren Umzügen im November 1916 endgültig in der Auenstraße 5a, ebenfalls in Eilbek, nieder, wo Lilli Mayer mit einer unfreiwilligen Unterbrechung von eineinviertel Jahren die folgenden 25 Jahre lebte.

Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs blieben bei Lilli Mayers Mutter, Anna Moses, die Mieter aus. Sie lebte nur noch von einer "Familienunterstützung" eines beim Kaiserlichen Heer dienenden Sohnes in Höhe von 38 RM und zusätzlich 10 RM von ihrer Tochter Vally, die als Erzieherin im Paulinenstift tätig war. Keines ihrer anderen Kinder war in der Lage, sie mit zu ernähren. Einen Ausweg stellte ein Umzug in eine Stiftswohnung dar, aber eine Vor­aus­setzung dafür war der Besitz der hamburgischen Staatsangehörigkeit. Sie erhielt diese am 17. April 1915, weil sie "unbestraft und hier unterstützungswohnungsberechtigt ist", obwohl sie "ein steuerpflichtiges Einkommen nicht erzielt". Anna Moses zog in das Rée-Stift in der Schedestraße 37 in Eppendorf. Die noch unmündigen Kinder Edgar, Lola und Luise kamen bei älteren Geschwistern unter bzw. waren "in Stellung". Marga ging im September 1915 eine "Mischehe" mit den Christen Rudolf Katzung ein, Vally zog 1917 in die Niederlande und heiratete 1920 in Den Haag den Niederländer Leon Creveld. Als nächste heiratete 1923 die Schwester Hertha den aus Iserlohn stammenden Friedrich Wetzel. Deren einzige Tochter Gerda wurde 1930 geboren. Beide Ehemänner waren Juden. Friedrich Wetzel hatte einen Sohn aus erster Ehe, mit dem Lillis Schwester Erna die Ehe einging.

Lilli Mayers Ehemann, Julius Mayer, kehrte krank aus dem Ersten Weltkrieg zurück, an dem er teilnehmen musste, nachdem er reaktiviert worden war. Er starb am 26. November 1918 an Lungentuberkulose als einer Kriegsfolge und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Ohlsdorf beerdigt. Seine Witwe hielt nur losen Kontakt zur Familie ihres Mannes. Offenbar war seine Mutter gestorben, als Julius Mayers Vater, Machol Mayer, und zwei seiner Schwestern von Rogasen nach Eberswalde zogen, wo sie sich eine neue Existenz aufbauten.

1919 fand sich auch Leonhard, ein weiterer Bruder Lillis, in Hamburg ein und lebte als Gärtner in Pöseldorf-Harvestehude. 1931 zog er mit seiner aus Hamburg stammenden Frau und einem Sohn nach Bremen, wo er als Gärtner und Blumenhändler arbeitete.

Fred, Lilli Mayers Sohn, wurde im Frühjahr 1919 in der Volksschule für Knaben in der Kantstraße eingeschult.
Lilli Mayer fand eine Anstellung bei der staatlichen Fürsorgestelle für Kriegsbeschädigte.

Das Jahr 1920 brachte einige Veränderungen in ihrer Familie. Der älteste Bruder, Hermann, ließ sich in Breslau nieder, der jüngste Bruder, Edgar, trat als selbstständiges Mitglied in die Jüdische Gemeinde ein, Lola heiratete den Brothändler Bruno Hartkäse aus Großleinungen im Mansfelder Gebirgskreis (s. Biographie Lola Hartkäse, http://www.stolpersteine-hamburg.de), und die jüngste Schwester Luise, starb. Sie wurde nicht weit von ihrem Schwager Julius auf dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf beigesetzt.

Am 9. September 1921 trat Lilli Mayer in die Deutsch-Israelitische Gemeinde Hamburg ein. Sie wurde lediglich zu einem minimalen Beitrag verpflichtet, weil sie ihre Mutter unterstützen musste und weil ihr Sohn "nervenleidend" war. In der Hoffnung, einen guten Vater für ihren Sohn zu bekommen, heiratete sie am 22. Dezember 1922 ein zweites Mal. Ihr Ehemann, der Handelsvertreter Wilhelm Schumacher, geboren am 1882 in Spenke, Kreis Osten, war nichtjüdisch. Sie schied freiwillig wieder aus der Jüdischen Gemeinde aus, und verlor unfreiwillig, wie es damals üblich war, als verheiratete Frau ihre Stellung beim Wohlfahrtsamt. Zwar erhielt sie eine Abfindung, doch deren Wert schmolz durch die Inflation dahin.

Lilli Mayers zweite Ehe war von Anfang an belastet durch Unregelmäßigkeiten, die sich ihr Mann hatte zu Schulden kommen lassen. Als Wilhelm Schumacher im Juli 1925 einen neuen Arbeitsvertrag als Provisionsreisender mit einem Jahresfixum von 200 RM abschloss, wurde ihm schon bald wieder wegen einer Unterschlagung gekündigt. Im September 1925 reichte Lilli Schumacher die Scheidungsklage ein. Nachdem ihr Mann sie im Oktober tätlich angegriffen und sie ihrer eigenen Wohnung verwiesen hatte, lagerte sie die Einrichtung ein, die sie mit ihrem verstorbenen Mann erworben hatte, und wohnte mit ihrem Sohn besuchsweise bei ihrer Schwester Lola Hartkäse, aber meist bei ihrer Mutter Anna Lewin in der Schedestraße. Ihre Mittel waren sehr beschränkt, zumal ihr Mann seiner Unterhaltspflicht nicht nachkam. Ihr Sohn Fred erhielt eine Halbwaisenrente, war von der Zahlung von Schulgeld frei gestellt und kam als Zweitbester seiner Klasse in den Genuss einer Erziehungsbeihilfe von 30 RM monatlich, Lilli erhielt eine Zusatzrente. Um ihren Unterhalt bestreiten zu können, verkaufte sie entbehrliche Wertgegenstände. Schließlich wandte sie sich an das Wohlfahrtsamt und erhielt ab März 1926 Unterstützung zum Lebensunterhalt. Im Sommer wurde Fred für sechs Wochen vom Verein für Ferienreisen nach Holland zu seiner Tante Vally, die dort in kinderloser Ehe lebte, verschickt. Während seiner Abwesenheit war seine Mutter geschieden worden, hatte ihren früheren Ehenamen wieder angenommen und hieß wieder Lilli Mayer. Anfang Oktober bekam sie für einen Monat als Notstandsarbeiterin eine Beschäftigung beim Wohlfahrtsamt und war danach wieder auf die Wohlfahrt angewiesen, denn ihr geschiedener Ehemann zahlte den Unterhalt von 100 RM nicht. Lilli Mayers Beschäftigungsmöglichkeiten blieben durch eine erhebliche Schwerhörigkeit eingeschränkt.

Lilli Mayer erhielt per 1. Dezember 1926 ihre vollkommen verwahrloste Wohnung in der Auenstraße 5a wieder zugesprochen. Um sie wieder bewohnbar zu machen und Mietrückstände zu begleichen, benötigte sie einen Gesamtbetrag von 250 RM, der ihr vom Wohlfahrtsamt auch gewährt wurde. Es zeigte sich, dass der Betrag nicht ausreichte, denn sie scheuerte und putzte ihre eingelagerten Möbel und alle Räume äußerst gründlich, was den Gasverbrauch in eine unvorhergesehene Höhe trieb, wofür das Wohlfahrtsamt nicht aufkommen wollte. Um ein Zimmer vermieten zu können, musste es vorher desinfiziert werden, und dann fehlte es an Bettwäsche. Die Wohlfahrt war ihr, dieser freundlichen, willigen und tüchtigen Frau sehr gewogen und verhalf ihr zu einer, wie es schien, verlässlichen Einnahmequelle. Die Mieteinnahme entspannte jedoch ihre finanzielle Notlage nur unwesentlich, weil sie nur wenig über die Selbstkosten hinaus ging. Mit dem Tod Wilhelm Schumachers, ihres geschiedenen Ehemannes, schwand die letzte Hoffnung, doch noch Unterhalt von ihm zu beziehen.

Lilli und Fred Mayer teilten das Schicksal von Tausenden von Hamburgern und Hamburgerinnen, die keine feste Anstellung fanden. Als regelmäßige Einkünfte lebten Mutter und Sohn von Freds Waisenrente, seinem Erziehungsgeld, einer kleinen Zusatzrente und Mieteinnahmen, wenn es solvente Mieter gab. In den folgenden Jahren wurde Lilli Mayer noch zweimal Notstandsarbeit bei Behörden zugeteilt, und das Wohlfahrtsamt rechnete ihre Rentenansprüche auf mit dem Ziel, fehlende freiwillige Beiträge zu übernehmen, um die Anwartschaften zu erhalten. Für die Invalidenrente fehlten nur wenige Marken, die "nachgeklebt" wurden. Eine Wiedergewährung der Witwenrente, die sie mit ihrer Heirat ebenfalls verloren hatte, wurde abgelehnt, da sie der Vertrauensarzt trotz ihrer Schwerhörigkeit für erwerbsfähig erklärte. Ihrer flehentlichen Bitte an den Leiter der Wohlfahrtsstelle, ihr eine dauerhafte Arbeit oder eine Erhöhung der Unterstützungsleistung zu gewähren, "damit die furchtbaren Sorgen aufhören", wurde angesichts der finanziellen Situation im Reich nicht entsprochen. Obwohl Fred noch einmal einen Sommerurlaub bei einer Tante, dieses Mal bei Marga Katzung und ihren beiden Söhnen in Klecken in der Nordheide, verbrachte, blieb er unterernährt. Da sein Vater an Lungentuberkulose gestorben war, unterstand er der Lungenfürsorge, die aber auch nicht für eine ausreichende Ernährung sorgen konnte. Lilli Mayer war ebenfalls unterernährt und sie und ihr Sohn anfällig für Krankheiten. Deshalb wurden sie gemeinsam in die Sommerferien zu den Verwandten in Klecken geschickt. Auch diese Erholungsaufenthalte bei Angehörigen erforderten einen Eigenbetrag, den Lilli Mayer nur mit Mühe aufbrachte. Trotz aller Not bewahrte sie nach dem Verkauf des Klaviers ihren Hausstand und ihren Schmuck. Obwohl noch nicht volljährig, übernahm Fred die Antragstellung für Wohlfahrtsunterstützung für seine Mutter und für sich selbst, z. B. wenn Stiefelreparaturen anstanden.

Im Alter von 73 Jahren starb Lilli Mayers Mutter Anna Levin-Moses 1929 im Allgemeinen Kran­kenhaus Eppendorf. Sie wurde neben ihrer Tochter Luise auf dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf beigesetzt.

Fred Mayer erwarb im März 1930 die Mittlere Reife in der Realschule Ritterstraße und nahm eine Lehre als Exportkaufmann bei der Firma Jahnke, Speersort, auf. Um sie antreten zu können, benötigte er einen neuen Anzug und andere kleine Anschaffungen. Da die Wohlfahrt die Kosten dafür nicht übernahm, kam es zum erwähnten Klavierverkauf. Fred fuhr mit dem Fahrrad zur Arbeit, bis es vom Hausboden gestohlen wurde. Das nun nötige Fahrgeld schmälerte die Essensausgaben. Fred erkrankte an Mittelohrentzündung, seine Mutter an Rheuma, später an einer Nierenbeckenentzündung. Wenn die Krankenkasse ihre Zahlungen für Lilli Mayer einstellte, behandelte der Arzt Jasper Lurie sie kostenlos.

Die finanziellen Verhältnisse schienen sich zu bessern, als Lilli Mayer von dem Tod ihres ersten Schwiegervaters, Freds Großvater Machol Mayer, erfuhr. Fred war erbberechtigt, doch lag das Testament in Polen. Um eine Kopie davon schicken zu lassen, fehlten die Mittel. Der andere Hoffnungsstrahl war die Bereitschaft von Freds Lehrfirma, ihm den Rest der Lehr­zeit zu erlassen, wenn er einen Arbeitgeber fände, der ihn besser bezahle. So wechselte er 1933 zur Firma Alexander Goldschmidt, einer Exportvertretung am Jungfernstieg.

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten fühlte Fred Mayer sich nicht mehr sicher und flüchtete zu den Verwandten in den Niederlanden. Seine Mutter ging davon aus, dass er sich nur besuchsweise dort aufhalte. Aber obwohl er dort keine Arbeitserlaubnis bekam, kehrte er nicht nach Hamburg zurück. Durch die Unterstützung seines Onkels Leonhard, der nach Südafrika ausgewandert war, konnte er im Oktober 1936 nach Kapstadt entkommen, wo er sich zunächst mit Gelegenheitsarbeiten durchschlug.

Am 4. Dezember 1939 trat Lilli Mayer zwangsweise dem Jüdischen Religionsverband, wie die Gemeinde jetzt hieß, wieder bei und wurde mit "Levien" als Geburtsnamen registriert. Sie war mittellos und bezog immer noch Wohlfahrtsunterstützung, was sie von der Verpflichtung zur Zahlung des "Kopfgeldes" von einer Reichsmark im Monat entband. Als im Herbst 1941 die Deportationen begannen, wurde sie benachrichtigt, sich zur "Evakuierung" am 4. Dezember 1941 im Logenhaus an der Moorweidenstraße einzufinden. Der Transport verzögerte sich um zwei Tage und führte schließlich am 6. Dezember 1941 nach Riga, wo er auf dem Jungfernhof, einem aufgelassenen Gut, endete. Da Lilli Mayer krank und schwach war, waren ihre Überlebenschancen gering. Von ihr fehlt jede weitere Spur.

Lilli Mayers Wohnung stand auf einer Liste der Gestapo der durch die Deportation ihrer Bewohner und Bewohnerinnen frei werdenden Wohnungen. Am 6. Mai 1942 gingen bei der Oberfinanzdirektion 393,40 RM ein, der Auktionserlös ihrer restlichen Wohnungseinrichtung und ihrer Schmucksachen.

Lilli Mayers Geschwister erfuhren unterschiedliche Schicksale:

Edgar Levin gelang es nicht, beruflich Fuß zu fassen, seine Ehe mit einer Christin scheiterte. 1938 wurde er wegen "Rassenschande" verhaftet und 1939 über die Strafanstalt Glasmoor bei Norderstedt in das KZ Sachsenhausen eingewiesen, wo er noch vor Jahresende, am 24. November 1939, starb. Seine Asche wurde auf dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf beigesetzt. (s. Broschüre Stolperstein in Hamburg-St. Georg).

Vally Creveld-Moses’ Ehe wurde 1936 geschieden. Sie kehrte nach Flensburg zurück und wurde von dort am 14. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert.

Lola Hartkäse, geborene Moses, wurde am 9. Juni 1943 nach Theresienstadt deportiert und am 15. Mai 1944 einem Transport nach Auschwitz zugewiesen, womit sich ihre Lebensspur verliert. An der Ecke Wandsbeker Marktstraße/Hammer Straße erinnert ein Stolperstein an sie (vgl. www.stolpersteine-hamburg.de).

Erna Levin wurde 1944 zur Zwangsarbeit eingezogen und überlebte diesen Einsatz.

Marga heiratete im September 1915 den Christen Rudolf Katzung. Aus ihrer Ehe gingen zwei Kinder hervor. Geschützt durch die "privilegierte Mischehe" erlebte sie schwer krank das Ende des NS-Regimes.

Leonhard Lewin wanderte 1936 nach Südafrika aus. Nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Deutschland in den Jahren 1962/1963 starb er 1971 in Südafrika.

Hertha Wetzel, ihr Mann Friedrich und die Tochter Gerda wurden in Westerbork interniert und nach zehn Tagen nach Theresienstadt deportiert. Dort trafen sie am 14. September 1943 ein. Friedrich starb am 30. Mai 1944 im Getto von Theresienstadt. Hertha und Gerda Wetzel haben überlebt und kehrten nach Den Haag zurück.

Das Schicksal von Alfons Mayer liegt im Dunkeln.

Lilli Mayers ältester Bruder, Hermann Lewin, lebte als Musiker in Berlin und war Mitglied der Jüdischen Gemeinde. Von 1935 bis 1940 führte ihn das Berliner Adressbuch als Kapellmeister bzw. Pianisten. Fred Mayers Suche nach seiner Mutter führte ihn zu seinem Onkel. Er fand ihn 1946 in Berlin.

Stand Februar 2014
© Hildegard Thevs

Quellen: 1, 4, 5, 7, 9; StaH 213-13 Landgericht Z 28154; 314-15 OFP Oberfinanzpräsident 26 (Wohnungspflegeamt); 332-5 Standesämter 8681-1073/1911; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 38141; Joodsmonument, Jose Martin, Herinnerungszentrum Westerbork; Stadtarchiv Flensburg, Geburtsregister; mündliche Mitteilungen von Christiane Katzung; Dank freundlicher Mitteilungen von Bernd Philipsen, Flensburg: Stadtarchiv Flensburg, XIV Fot G 24 Bd. 2; Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Deportationslisten; Staatsarchiv Bremen, Wiedergutmachungsakten; "Der Weg" 1946; Stengel/Gerigk: Lexikon der Juden in der Musik, Berlin 1943; ancestry.de; Mitgliederverzeichnis der Jüdischen Gemeinde zu Berlin 1947; Berliner Adressbücher; Lammel, Jüdisches Leben in Pankow, S. 40 u. 208; Stolpersteine in Hamburg-St. Georg.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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