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Hugo Meier-Thur
© Staatsarchiv Hamburg

Dr. Hugo Meier-Thur * 1881

Lerchenfeld 2 (Kunsthochschule) (Hamburg-Nord, Uhlenhorst)


Gestapo-Haft
ermordet 05.12.1943
KZ Fuhlsbüttel

Weitere Stolpersteine in Lerchenfeld 2 (Kunsthochschule):
Prof. Friedrich Adler

Hugo Meier-Thur, geb. 26.10.1881, am 5.12.1943 im Konzentrationslager Fuhlsbüttel gestorben

Der Maler und Grafiker Hugo Meier-Thur lehrte als Professor an der heutigen Hochschule für Bildende Künste am Lerchenfeld 2, die während des Nationalsozialismus noch Hansische Hoch­schule für bildende Künste hieß. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges musste Hugo Meier-Thur um eine Anstellung an der Kunsthochschule kämpfen und litt unter finanzieller Not. Seine ehemaligen Lehrer brachten ihm Neid und Missgunst entgegen, da sie in ihm einen Kon­kurrenten an der Kunsthochschule sahen. Deswegen beklagten sie sich über seine Lehr­methoden beim damaligen Direktor Prof. Richard Meyer. Seine größten Konkurrenten waren Prof. Carl Otto Czeschka und Prof. Paul Helms. Doch noch konn­te Hugo Meier-Thur sich ge­gen die Anfeindungen wehren.

Durch eine erfolgreiche Ausstellung konnte Hugo Meier-Thur 1932 auch Anschuldigungen des damaligen Bundes deutscher Gebrauchsgrafiker entgegenwirken. Allerdings gab es nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten einige Per­so­nal­wech­sel und Paul Helms wurde neuer Direktor der Kunst­hoch­schule. Nun wurde es für Hugo Meier-Thur immer schwie­riger seiner Arbeit nachzugehen. Seine Zeichnungen und Grafiken galten als "entartet" und er verlor immer mehr Schüler. Eine Stütze fand er in seinem Kollegen Walter Funder, der sich be­reits seit Anfang der zwanziger Jahre in seiner Zeitung "Der Zeitungshändler" gegen die Natio­nal­­so­zi­a­listen aussprach.

Zu Hause bei Hugo Meier-Thur herrsch­­te eine gemütliche und freund­liche Atmo­sphä­re. Er leb­te mit seiner Frau Lina und den beiden Kin­dern Annemarie und Hans Hugo in einer Woh­nung in der Wagner­stra­ße 72. Hugo Meier-Thur besaß kein ei­genes Atelier, sondern zeichnete mit­ten in der Wo­nung, während um ihn herum das Familien­leben tobte. Annemarie heiratete in den dreißiger Jahren und zog von zu Hause aus. Sein Sohn Hans studierte Archi­tek­tur und arbeitete bei dem Archi­tekten Lan­gen­maack. Während dieser Zeit blieb er in der Woh­nung in der Wag­ner­­straße.

Hans Meier-Thur wurde im Frühjahr 1939 zum Pflichtarbeitsdienst einberufen und musste sich dafür zumindest räumlich von seiner Freundin Malve Wilckens trennen. Sie verließ daraufhin Hamburg und fand eine Anstellung in der Werkstatt von Eva Danielzig in Lasdehnen in Ostpreußen. Dort wurde 1940 auch die Verlobung von Hans und Malve gefeiert. Malve Wilckens kehrte im Sommer nach Hamburg zurück und zog zu Hugo und Lina Meier-Thur. Sie schildert Hugo Meier-Thur als einen fürsorglichen und rücksichtsvollen, gleichzeitig aber auch zurückhaltenden und scheuen Mann.

Eigentlich sollte die Hochzeit von Hans und Malve im Juni 1941 gefeiert werden, doch dann wurde der Heiratsurlaub für Hans, der sich zu diesem Zeitpunkt als Soldat an der Ostfront be­fand, gestrichen. Ende Juni 1941 erhielt Familie Meier-Thur die Nachricht, Hans sei am 25.Juni in Litauen an der Front gefallen. Nach diesem Schock kehrte Malve an die Hamburger Kunst­hochschule zurück und nahm eine Tätigkeit als Hugo Meier-Thurs Assistentin an.

Zwischen Walter Funder und Hugo Meier-Thur entwickelte sich im Laufe der Jahre eine enge Freundschaft, da beide das nationalsozialistische Regime ablehnten und sich von den überwiegend regimetreuen Lehrkräfte an der Kunsthochschule abzugrenzen suchten. Ge­mein­sam verfassten sie Aufsätze und Walter Funder veröffentlichte zu Hugo Meier-Thurs 60.Ge­burtstag eine Denkschrift.

Doch im Dezember 1942 ereilte die Familie Meier-Thur ein weiterer Schicksalsschlag. Lina starb Anfang Dezember auf dem Rückweg von einem Friseurbesuch, als sie von einer Stra­ßen­bahn erfasst wurde. Tags darauf wurde Hugo Meier-Thur zur Gestapo zitiert, wo ihm un­miss­verständlich klargemacht wurde, dass er mit einer sofortigen Verhaftung zu rechnen habe, wenn er weiterhin als Gegner der national­sozialistischen Kunstauffassung auftrete. Er solle Linas Tod als einen fühlbaren Ordnungsruf verstehen. Diese Drohung nährte in ihm den Ver­dacht, dass Linas Tod kein Unfall gewesen sei und sie vor die Straßenbahn gestoßen wur­de.

Bei der Bombardierung Hamburgs im Sommer 1943 wurde die Wohnung in der Wagner­straße 72 vollständig zerstört. Hugo Meier-Thur wurde verschüttet, überlebte aber leicht verletzt. Er trug lediglich eine Schwerhörigkeit davon. Allerdings war fast seine gesamte 30-jährige Kunstsammlung, sowie die Werke seines verstorbenen Sohnes, zerstört worden.

Da Hugo Meier-Thur und Malve Wilckens ausgebombt waren, zogen sie nach Klein Borstel in die Wohnung von Gerda Rosenbrook, der Lebensgefährtin von Walter Funder. Dieser zog ebenfalls dorthin, da auch seine Wohnung in der Bismarckstraße zerstört worden war.

Am 1. August 1943 nahm das Verhängnis seinen Lauf. Hugo Meier-Thur und Walter Funder be­suchten einen ehemaligen Freund und Nachbarn, Alexander Freiherr von Seld. Beide fühlten sich bei ihm sicher und Walter Funder sprach offen über seine ablehnende Haltung ge­gen­über den Nationalsozialisten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Sohn von Herrn von Seld, Alexander jr., gerade Fronturlaub und war zu Hause. Er kannte die Freunde seines Vaters nicht und als Hugo Meier-Thur und Walter Funder das Haus verließen, folgte er beiden mit einem Gewehr bewaffnet, eine "Heldentat", für die er später Sonderurlaub bekam.

Auf der Straße war Geschrei zu hören, weswegen Gerda Rosenbrook Malve Wilckens nach drau­ßen schickte, um nach dem Rechten zu sehen. Als sie Hugo Meier-Thur und Walter Funder fand, saßen beide auf einem Tempo-Wagen mit erhobenen Armen und eine bewaffnete Meute verhöhnte sie als "englische Agenten", die über Klein Borstel abgesprungen seien. Der Wagen fuhr zur Gestapo. Malve Wilckens musste alleine zurückkehren und beide Frauen bemühten sich daraufhin herauszufinden, was mit den Männern geschehen sei. Hugo Meier-Thur und Walter Funder wurden ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel gebracht, wo Gerda Rosenbrook und Malve Wilckens sie einmal im Monat besuchen durften.

Anfang September wurden beide Männer nach Berlin gebracht und vor dem Volks­ge­richts­hof angeklagt. Die Frauen folgten ihnen nach Berlin und nach fünf Wochen trafen alle vier wieder aufeinander. Hugo Meier-Thur und Walter Funder waren müde, erschöpft und ausgehungert. Während gegen Walter Funder Anklage erhoben wurde, schickte man Hugo Meier-Thur als "Schutzhäftling" zurück nach Hamburg in die Hände der dortigen Gestapo. Dies war für ihn das Todesurteil.

Malve Wilckens wurde telefonisch von dem Gestapobeamten Heyen über den Tod Hugo Meier-Thurs informiert. Eigentlich wollten sie und Hugo heiraten. In ihrer Verzweiflung rannte Malve zur Geschäftsstelle der Gestapo in der Dammtorstraße 25 und machte die im Raum anwesenden Beamten für den Tod Hugo Meier-Thurs verantwortlich.

Der Leichnam Hugo Meier-Thurs wurde den Angehörigen zur Bestattung übergeben und we­nige Tage später durfte Malve Wilckens seinen Nachlass von der Gestapo abholen. Inwieweit die ehemaligen Gegner an der Kunsthochschule am Tod Hugo Meier-Thurs beteiligt waren, lässt sich nicht nachweisen. Fest steht, dass die Kunsthochschule fast alle Do­ku­mente Hugo Meier-Thurs vernichten ließ.

Walter Funder wurde im März 1945 aus der Haft entlassen und überlebte das nationalsozialistische Regime. Allerdings hinterließ die Folter in der Haft ihre Spuren. Walter Funder war nach seiner Entlassung schwer gehbehindert, seine Gesundheit und seine Existenz waren für immer ruiniert.

© Carmen Smiatacz

Quellen: StaHH 622-1, Familienarchiv, Meier-Thur, Hugo; Heisig: Der Mord an Hugo Meier-Thur; Bruhns: Kunst in der Krise, S. 414f.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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