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Bereits verlegte Stolpersteine



Kurt Jensen, ca. 1937
Kurt Jensen, ca. 1937
© StaH

Kurt Jensen * 1912

Neustädter Straße 31 Pik AS (Hamburg-Mitte, Neustadt)


Verhaftet 1937
KZ Fuhlsbüttel
kastriert 1938
KZ Sachsenhausen
ermordet 20.01.1940

Weitere Stolpersteine in Neustädter Straße 31 Pik AS:
Günther Brackemeier, Helmut Büdgen, Walter Cardis, Wilhelm Christen, Karl Drischler, Walter Hoffmann, Johann Kurz, Johannes Lehnau, Walter Makowski, Fritz Marquardt, Karl-Heinz Rothbarth, August Schlösser, Franz Schwarzl, Elmar Wagner, Albert Wölck

Kurt Jensen, geb. 29.4.1912 in Neumünster, wiederholt inhaftiert, Strafhaft/Schutzhaft/ Vorbeugehaft, am 15.2.1939 Einweisung ins KZ Sachsenhausen, dort am 20.1.1940 ermordet

Neustädter Straße 31 Pik AS (Hamburg-Mitte, Neustadt)

"Verlangsamte Auffassung. Moralisch minderwertig, arbeitsscheu, homosexuell und kriminell." Mit diesem Urteil eines Gutachters hatte der Dekorationsmaler Kurt Jensen keine Überlebenschance. Bereits 1933 wurde er als Minderjähriger eines der ersten Hamburger Opfer der "Asozialen"-Verfolgung. Aufgrund wiederholter Festnahmen, Inhaftierungen im KZ Fuhlsbüttel und Verurteilungen sah er als Vorbestrafter ohne festen Wohnsitz und ohne Aussicht auf eine geregelte Arbeit nur in der Prostitution und als Kleinkrimineller eine Möglichkeit zu überleben.

Kurt Jensen, Jahrgang. 1912, wurde unehelich geboren; er verbrachte die ersten acht Lebensjahre bei Pflegeeltern. Nach dem Abschluss der Ausbildung zum Dekorationsmaler arbeitete er viereinhalb Jahre auf einem Bauernhof. 1932 zog er nach Hamburg, wo er zunächst arbeitslos war und versuchte, sich mit Aushilfsarbeiten durchzuschlagen. Vom 24. Oktober 1933 bis zum 8. Januar 1934 war Kurt Jensen im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert, "um ihm seine Arbeitsscheu auszutreiben". Vom 2. Februar bis zum 25. April 1934 wurde er erneut in polizeiliche "Schutzhaft" genommen.

1936 wurde er zum ersten Mal wegen homosexueller Handlungen zu einer achtmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, die er bis zum 14. Dezember 1936 verbüßte. Vom 1. Januar bis zum 16. März 1937 befand er sich als "Schutzhäftling" im KZ Fuhlsbüttel. Nach seiner Freilassung ging er wieder auf den Strich. Am 8. April 1937 wurde ein Polizist auf ihn und seinen Freier an der Ecke Admiralitätstraße/Heiligengeistbrücke aufmerksam und nahm die beiden fest. Im Protokoll machte der Beamte folgende Bemerkung: "Jensen ist am 16. März aus der Haft entlassen worden. Heute trägt er schon wieder ausrasierte Augenbrauen."

Jensen kam vom 10. April bis zum 20. Mai 1937 erneut ins KZ Fuhlsbüttel. In der kurzen Zeit in Freiheit hatte er mit fünf Männern, die er in öffentlichen Bedürfnisanstalten oder in Lokalen kennen gelernt hatte, "gewerbsmäßig onaniert". Dafür hatte er jeweils zwischen 1 und 3 RM erhalten. Am 12. Juli 1937 wurde Kurt Jensen vom Hamburger Landgericht wegen "gewerbsmäßiger Unzucht" nach § 175 a Ziffer 4 zu einer 18-monatigen Zuchthausstrafe verurteilt. Am 9. August 1937 stellte er einen Antrag auf "freiwillige Entmannung". Zur Verbüßung der Strafe wurde er am 10. August 1937 in das Zuchthaus Fuhlsbüttel eingeliefert.

Etwas über ein Jahr später, am 1. September 1938, fand die Kastration im Zentrallazarett statt. Da nach der Beurteilung des medizinischen Gutachters von ihm keine Gefahr mehr ausgehe, erfolgte am 10. Oktober 1938 seine Haftentlassung. Allerdings kam er nicht in Freiheit, sondern wurde der Hamburger Polizeibehörde überstellt. Trotz der erfolgreichen Kastration und obwohl sich der Hamburger Oberstaatsanwalt Dr. August Schuberth für ihn eingesetzt hatte, wurde er in "Vorbeugehaft" genommen.

Am 15. Februar 1939 setzte sich das Reichskriminalpolizeiamt in Berlin dafür ein, Jensen nicht wieder freizulassen: "Die Anordnung der polizeilichen Vorbeugehaft gegen Jensen wurde wegen seines langjährigen asozialen Verhaltens notwendig. Seit dem Jahre 1933 ist er einer geregelten Arbeit aus dem Wege gegangen und hat sich dauernd in übelster Weise als Strichjunge betätigt. Er musste des öfteren wegen Strichens, Mittel- und Obdachlosigkeit festgenommen werden. […[ Im übrigen kennzeichnen die gegen Jensen seit dem Jahre 1931 ausgesprochenen Bestrafungen zur Genüge sein langjähriges asoziales Verhalten.

Jensen hat sich zwar am 1. September 1938 freiwillig entmannen lassen. Der gute Wille, der durch seine Bereitschaft […] zum Ausdruck kommen mag, wird aber kaum ausreichen, um ihn in Zukunft vor Rückfällen zu bewahren. Die Entmannung schliesst physisch die passive Betätigung als Strichjunge keineswegs aus. […] Einer Entlassung des Jensen aus der polizeilichen Vorbeugehaft vermag ich unter diesen Umständen vorerst nicht näherzutreten. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass er bei einer vorzeitigen Entlassung infolge seiner Arbeitsscheu und seiner mangelhaft ausgebildeten sittlichen Begriffe alsbald wieder vollständig verwahrlosen würde. Bei Jensen ist vielmehr eine lange Erziehung in einem Staatlichen Besserungs- und Arbeitslager unumgänglich notwendig." (Schreiben des Reichskriminalpolizeiamtes Berlin an die Oberstaatsanwaltschaft des Landgerichts Hamburg, 15. Februar 1939).

Kurt Jensen wurde in das KZ Sachsenhausen verbracht.

Das Standesamt Oranienburg notierte den Tod des erst 27-jährigen Kurt Jensen für den 20. Januar 1940.

An Kurt Jensen erinnert ein Stolperstein vor dem Pik As, der Übernachtungsstätte für obdachlose Männer.


Text mit freundlicher Genehmigung übernommen aus: Bernhard Rosenkranz; Ulf Bollmann; Gottfried Lorenz, "Homosexuellen-Verfolgung in Hamburg 1919-1969", Hamburg 2009

Stand: März 2023
© Bernhard Rosenkranz (†), Gottfried Lorenz und Ulf Bollmann

Quellen u.a.: StaH, Strafakte im Bestand 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 53485; Einzelfallakte der Kriminalbiologischen Sammelstelle, 242-2, 477 Krim-Bio-Akte.

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