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Bereits verlegte Stolpersteine



Julius Rothschild * 1881

Hallerstraße 76 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Lodz
ermordet am 19.2.1942 in Lodz

Weitere Stolpersteine in Hallerstraße 76:
Alice Baruch, Sara Carlebach, Charlotte Carlebach, Dr. Joseph Zwi Carlebach, Noemi Carlebach, Ruth Carlebach, Margarethe Dammann, Gertrud Dammann, Charlotte Dammann, Dina Dessau, Felix Halberstadt, Josabeth Halberstadt, Elsa Meyer, Margarethe Meyer, Alice Rosenbaum, Jente Schlüter

Julius Rothschild, geb. am 29.5.1881 in Eberstadt/Baden, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, gestorben am 19.2.1942 in Lodz

Hallerstraße 76

Geboren wurde Julius Rothschild in Eberstadt (jetzt Buchen im Kreis Mosbach, Baden), das etwa auf halber Strecke der Bahnlinie Heidelberg–Würzburg liegt. Seine Eltern waren der Viehhändler Israel Rothschild (1849?–1924) und die Bäckerstochter Babette, geb. Steinhardt (1851–1927). Die Rothschilds sollen in Eberstadt seit ca. 1650 ansässig gewesen sein, als die Ortsherren nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges auch jüdische Familien hier ansiedelten. Das älteste von 13 Kindern der Eheleute Rothschild, Adolf Rothschild (geb. 6.3.1876 in Eberstadt) zog 1894 achtzehnjährig nach Hamburg. Es folgte um 1906 der Bruder Louis (Lui) Rothschild (geb. 6.6.1878 Eberstadt/Baden), der sich im Mai 1915 freiwillig zum Artillerie-Regiment 45 (Bahrenfeld) meldete. Julius Rothschild wurde 1916 zur Kaiserlichen Armee eingezogen und mit seiner Einheit bis an die Krim verlegt. Sein Bruder, der Mannheimer Rechtsanwalt Simon Rothschild (1882–1917), starb bei Kämpfen in Flandern.

1922 machte sich der 50-jährige Julius Rothschild in Hamburg als Getreidemakler mit einer Getreide- und Futtermittel-Großhandlung selbstständig und bezog kurzzeitig Büroräume im Besenbinderhof 3 (St. Georg). Wenige Jahre später verlegte er seine Büroräume zu der 1906 in Hamburg gegründeten Futtermittel- und Getreide-Im- u. Exportfirma "Gebr. Rothschild" in der Pelzerstraße 9 (Altstadt), anschließend ins 1914 erbaute Kontorhaus "Bugenhagenhaus" (Altstadt) in der Bugenhagenstraße 5 (u.a. 1928–1930) parallel zur Mönckebergstraße. Inhaber von "Gebr. Rothschild" waren seine älteren Brüder Louis Rothschild aus Hamburg und Adolf Rothschild aus Buenos Aires, der 1901 als Kaufmann nach Argentinien ausgewandert war und dort auch Kaiserlich-Deutscher Konsul für die Provinz Santa Fe war. Die Firma Gebr. Rothschild hatte die Deutschlandvertretung für die Viehfutter-Exportfirmen Sigmond Rothschild Company Inc. (vermutlich gegründet vom Bruder Sigmund Rothschild, geb. 15.1.1888 in Eberstadt) und Steinhardt & Co., die von den USA nach Europa exportierten. Die Harburger Oelwerke Brinckmann & Mergell unterhielten als Ölmühle bis 1933 geschäftliche Kontakte zu Gebr. Rothschild.

Im März 1922 traten die Brüder Julius Rothschild und Louis Rothschild der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg bei. Die Beiträge von Julius für die Jahre 1922 und 1923 sowie von Louis für 1922 wurden von Caesar Laski (1871–1945) beglichen, dem Inhaber des 1897 gegründeten Getreide- und Futtermittelhandelshauses Caesar Laski & Co. Julius Rothschild wohnte 1922 und 1923 zur Untermiete bei der Schneiderin "Fräulein" E. Tredup in der Danzigerstraße 35 (St. Georg). 1926 endete seine Mitgliedschaft in der Jüdischen Gemeinde durch Fortzug aus Hamburg und wurde erst 1935 wieder aufgenommen. 1929/30 hatte Julius Rothschild, wie auch sein jüngster Bruder Jacob Rothschild (1890–1931), an der Börse mit Weizen spekuliert und dabei hohe Verluste erlitten. Beide wurden daraufhin von ihrem Bruder Louis Rothschild mit festen monatlichen Zahlungen unterstützt. Jacob Rothschild zog auch zu seinem Bruder Louis Rothschild und führte seine Firma von dort aus weiter.

Der ledige Julius Rothschild wohnte laut Kultussteuerkarte 1935/36 zur Untermiete bei drei verschiedenen Hauptmietern mit Namen Mayer/Meyer am Lindenplatz 1 (St. Georg), in der Frankenstraße 3 und der Frankenstraße 14 (St. Georg/Hammerbrook). 1936 zog er in die Hallerstraße 76. Seit 1922 wurde Julius Rothschild im Hamburger Adressbuch fälschlicherweise als Eigentümer des fünfgeschossigen Mietshauses Hallerstraße 76 angegeben (Vorbesitzer Baugeschäft J. H. Andersen & Söhne AG), tatsächlich verwaltete er das Gebäude, das sich im Besitz des Cousins Adolf Steinhardt (USA) befunden haben soll. Durch die regelmäßige Vermietungstätigkeit verfügte Julius Rothschild zumindest über ein festes Einkommen. 1936 tauchte Julius Rothschild erstmalig im Hamburger Adressbuch auch als Mieter dieses Hauses auf, er wohnte im IV. Stock. 1935 und 1936 war im IV. Stock auch noch sein Bruder Louis Rothschild als Mieter einer 5-Zimmer-Wohnung angegeben.

Im April 1937 wurde die Firma Julius Rothschild im Hamburger Handelsregister gelöscht. Die Verwaltung des Hauses Hallerstraße 76 musste Julius Rothschild im Mai 1939 an eine nichtjüdische Firma übergeben; August Skröder (Blankenese) übernahm mit seiner 1926 gegründeten Grundstücks-Verwaltung (Neuer Wall 54) fortan diese Tätigkeit.

1941 hatte sich auch Julius Rothschilds Adressbucheintrag geändert: Er war um die Berufsbezeichnung gekürzt und die neue Straßenbezeichnung lautete "Ostmarkstraße", wie die Hallerstraße nach dem "Anschluss" Österreichs, der sogenannten Ostmark, an das Deutsche Reich, nun hieß. Einkaufen durfte Julius Rothschild nur noch im "Judenladen" an der Ecke Hallerstraße/Schlump, der von einem Nichtjuden betrieben wurde und 1941 oder 1942 aufgehoben wurde. Hier erhielt man gegen Vorlage einer Lebensmittelkarte mit dem Aufdruck "Jude" Esswaren, die keine ausreichende Ernährung gewährleisteten. Im April 1939 wurde Juden der Mietschutz entzogen und die freie Wohnungswahl aufgehoben. Das Wohnungsamt wies ihm nun eine kleinere Unterkunft zu: 1940 stand im Adressbuch nur noch "Rothschild, Julius, Rappstr. 15". Dieses Gebäude war zu einem "Judenhaus" erklärt worden, hier lebten Juden bis zur Deportation. 1940 wohnten hier neben 16 Juden auch noch sieben Nichtjuden, die vollständige Haus-Gettoisierung war anscheinend noch nicht abgeschlossen.

Mit dem ersten Deportationszug, der Hamburg am 25. Oktober 1941 verließ, wurde der 60-jährige Julius Rothschild ins Getto Lodz im besetzten Polen verschleppt, wo er am 19. Februar 1942 starb. Die genauen Todesumstände sind unbekannt.

Sein 61-jähriger Bruder Louis Rothschild (1878–1958), der in geräumigen Wohnungen im Lohhof 7 (1921–1931), in der Flemingstraße 2 (1932–1933), Curschmannstraße 35 (1933–1934, Eigentümer Emil Rothschild/USA) und Hallerstraße 76 (1934–1936) gewohnt hatte, emigrierte im Juli 1939 nach London. Die Firma Gebr. Rothschild war vom Bezugsscheinsystem der Nationalsozialisten ausgeschlossen und im Januar 1939 im Hamburger Handelsregister gelöscht worden. Ihren Hausstand hatten die Eheleute Rothschild dem Auktionator Carl F. Schlüter (Alsterufer 12) zur Versteigerung übergeben. Doch statt der erwarteten 10.000 RM für Möbel, Ölbilder, Teppiche und andere hochwertige Einrichtungsgegenstände wurden lediglich 2000 RM erzielt. So kam es, dass Louis Rothschild Deutschland fast ohne Vermögen verließ. Von Liverpool (England) gelangte er im Mai 1940 zusammen mit seiner Ehefrau Ella Rothschild, geb. Bergmann, mit der "SS Newfoundland" nach Boston (USA). Unterstützt wurden sie bei der Ausreise vom Neffen Dick Rothschild (USA), der das erforderliche Leumundszeugnis und die notwendige Bürgschaftssumme (Affidavit) von 2000 US-Dollar stellte; das Geld für die Schiffspassage hatte die Schwester Gida Steinhardt, geb. Rothschild, aus Haifa geschickt.
Die verwitwete Schwester Gida (Gütha) Steinhardt, geb. Rothschild (geb. 10.5.1880 in Eberstadt/Baden), konnte 1933 von Würzburg nach Haifa ins britische Mandatsgebiet Palästina emigrieren.
Die Schwester Julie (Juli) Schuster, geb. Rothschild (geb. 18.10.1883 in Eberstadt/Baden), wohnte zuletzt in Brückenau/Bayern (ca. 1933–1936) und Frankfurt a.M. (ca. 1936–1939); sie emigrierte in die USA.
Caesar Laski (geb. 2.11.1871 in Hamburg) wurde am 25. Oktober 1941 ins Getto Lodz deportiert; am 10. Mai 1942 wurde er von dort ins Vernichtungslager Chelmno deportiert. An ihn erinnert ein Stolperstein in der Isestraße 79 (Harvestehude).

Stand: September 2016
© Björn Eggert

Quellen: StaH 332-5 (Standesämter), 974 u. 619/1931 (Sterberegister 1931, Jacob Rothschild); StaH 332-8(Meldewesen), Alte Einwohnermeldekartei, Mikrofilm K 6834, Adolf Rothschild; StaH 351-11 (AfW), 3771 (Louis Rothschild); StaH 351-11 (AfW), 3362 (Simon Krim, Angaben zum "Judenladen"); StaH 552-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde), Julius Rothschild, Louis Rothschild, Caesar Laski; Stadtarchiv Buchen (Heiratsregister 1874, Geburtsregister 1876–1890, Sterberegister 1927, Wahlprotokolle zum Synagogenrat ca. 1850–1890); Hamburger Adressbuch 1922, 1923, 1925, 1928, 1930, 1935–1940; Handelskammer Hamburg, Firmenarchiv (Julius Rothschild; Gebr. Rothschild, HR-Nr. A 4108; Louis Rothschild); Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1926, S. 882 (Julius Rothschild; Gebr. Rothschild); Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1935, S. 722 (Julius Rothschild; Gebr. Rothschild), S. 800 (August E. Skröder); Bundesarchiv Koblenz, Gedenkbuch im Internet; Staatsarchiv Hamburg, Gedenkbuch, Hamburger jüdische Opfer, S. 229 (Caesar Laski), S. 356 (Julius Rothschild); Ancestry, Passenger and Crew Lists 1820–1963, (Schiff SS Newfoundland, Louis Rothschild, Ella Rothschild).

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