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Emma Knoop * 1870

Lämmersieth 41 (Hamburg-Nord, Barmbek-Nord)


HIER WOHNTE
EMMA KNOOP
JG. 1870
EINGEWIESEN 1935
ALSTERDORFER ANSTALTEN
‚VERLEGT‘ 16.8.1943
´HEILANSTALT`
AM STEINHOF / WIEN
ERMORDET 25.2.1945

Emma Henriette Bertha Knoop, geb. Heithaus, geb. am 14.8.1870 in Hamburg, zwischen 1927 und 1928 mehrmals Aufenthalt im Allgemeinen Krankenhaus Eppendorf, von September 1928 bis August 1931 Aufenthalt in dem privaten "Sanatorium Schellhorner Berg bei Preetz", danach im Staatskrankenanstalt Friedrichsberg, ab April 1935 Bewohnerin der damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf), am 16.8.1943 abtransportiert nach Wien in die "Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien" (auch bekannt als Anstalt "Am Steinhof"), dort gestorben am 25.2.1945

Lämmersieth 41 (Barmbek-Nord)

Emma Henriette Bertha Knoop, geborene Heithaus, wurde am 14. August 1870 in der 2. Alsterstraße 28, der heutigen Ekhofstraße, in Hamburg-Hohenfelde geboren. Ihr Rufname lautete Emma. Sie war das zweitjüngste Kind des Getreidemaklers Carl Heinrich Wilhelm Heithaus und seiner Ehefrau Henriette Auguste Margaretha, geborene Schildknecht. Emma hatte die älteren Schwestern Frieda Maria Caroline Wilhelmine, geboren am 21. Mai 1865, und Martha Sophie Louise, geboren am 15. Oktober 1867, sowie den jüngeren Bruder Carl Franz Henry, geboren am 29. September 1876. Die Familie Heithaus lebte viele Jahre im Stadtteil Hohenfelde, meist in verschiedenen Häusern der Angerstraße.

Über Kindheit und Jugend von Emma Heithaus ist uns nichts bekannt. Die junge Frau heiratete am 9. Mai 1896 den ebenfalls aus Hamburg stammenden Arztsohn Ernst Gustav Johannes Knoop, geboren am 11. Oktober 1872. Seine Berufsbezeichnung wurde im Heiratsregister als Diätar vermerkt. Dies war eine Bezeichnung für Beamte, die nur zeitweise eingestellt waren und außerhalb des Etats besoldet wurden. Später bekleidete er bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand den Rang eines Amtmannes im Hamburger Hafenkrankenhaus.

Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, Emmily Henriette Clara, geboren am 11. Februar 1897 in der Conventstraße 28 in Eilbek, und Ernst Heinrich Wilhelm, geboren am 12. August 1902 in der Jungmannstraße 33 ebenfalls in Eilbek (heute Ruckteschellstraße).

Emma Knoop wurde 1927 und 1928 dreimal stationär im Allgemeinen Krankenhaus Eppendorf aufgenommen. Der Grund war "krampfartige Beschwerden" und "plötzlich auftretendes Hitzegefühl mit Herzklopfen", denen mit einer Ruhekuren zu begegnen versucht wurde. Ihrem Ehemann wurde zeitweise der Besuch zur Vermeidung von Erregung der Patientin verwehrt. Im September 1928 brachte ihr Ehemann Emma Knoop in das heute nicht mehr bestehende private "Sanatorium Schellhorner Berg für nervenleidende und erholungsbedürftige Damen" bei Preetz in Holstein. Dort erlebte man sie als "ängstlich, depressiv, psychisch überlagert". Im Anschluss wurde sie am 19. August 1931 im Staatskrankenhaus Friedrichsberg aufgenommen. Ihre Anstaltsbedürftigkeit wurde mit "Unruhe, Hilflosigkeit und Gefahr der Verwahrlosung" begründet.

Zu dieser Zeit wohnte Familie Knoop in der Straße Lämmersieth 41 in Barmbek-Nord.

Den Grund für die Verlegung von der kostspieligen privaten Anstalt "Schellhorner Berg" in die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg kennen wir nicht. Möglicherweise ist sie im Zusammenhang mit der von Emma Knoops Ehemann beantragten Ehescheidung zu sehen, die am 14. Juli 1932 rechtskräftig wurde. In Friedrichsberg blieb Emma Knoop, bis sie am 26. April 1935 in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) aufgenommen wurde.

Nach einem zusammenfassenden Patientenbericht der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg für die Alsterdorfer Anstalten soll Emma Knoop in den ersten Jahrzehnten ihrer Ehe eine musterhafte Ehefrau gewesen sei, fürsorglich für Mann und Kinder, adrett, penibel, sehr gewissenhaft, pünktlich und fleißig. Sie habe ein lebhaftes Wesen gehabt, habe aber bei gelegentlichen Konflikten oft gewaltsam, exaltiert und übertrieben reagiert. Infolge ihrer leichten Reizbarkeit sei es auch mit Personen außerhalb der Familie zu heftigen Zusammenstößen gekommen. Sie sei gegen Ende des [Ersten Welt-] Krieges vorzeitig gealtert, sei ernster und stiller geworden, habe schlecht schlafen können, über Magenstörungen, auch Herzbeschwerden und Herzklopfen geklagt. 1927 und 1928 sei sie im Allgemeinen Krankenhaus Eppendorf wegen rheumatischer und Herzbeschwerden aufgenommen worden. Am 6. Mai 1928 habe sie einen Suizidversuch mit Gas unternommen. Nachdem ihr Mann sie wiederbelebt hatte, habe sie geäußert, "Warum hast du mich wiedergeholt, hättest mich doch lassen sollen".

In Alsterdorf wurde Emma Knoops Krankheitsbild ähnlich wie früher in Eppendorf und Friedrichsberg dokumentiert. Es wurde berichtet, sie sitze den ganzen Tag im Bett und bewege sich schaukelnd nach allen Richtungen, wackele auch mit dem Kopf und spreche dabei ununterbrochen vor sich hin. Sie puhle ihre Finger- und Fußnägel ab, bis sie bluteten. Als Diagnose wurde "präsenile Depression" notiert.

Während der schweren Luftangriffe auf Hamburg Ende Juli/Anfang August 1943 ("Operation Gomorrha") erlitten auch die Alsterdorfer Anstalten Bombenschäden. Der Anstaltsleiter, SA-Mitglied Pastor Friedrich Lensch, nutzte die Gelegenheit, sich mit Zustimmung der Gesundheitsbehörde eines Teils der Bewohnerinnen und Bewohner, die als "arbeitsschwach, pflegeaufwendig oder als besonders schwierig" galten, durch Abtransporte in andere Heil- und Pflegeanstalten zu entledigen. Mit einem dieser Transporte wurden am 16. August 1943 228 Frauen und Mädchen aus Alsterdorf sowie 72 Mädchen und Frauen aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn in die "Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien" (auch bekannt als Anstalt "Am Steinhof") in Wien "verlegt". Unter ihnen befand sich Emma Knoop.

Emma Knoops Ehemann wurde auch nach der Scheidung zu Kostgeld herangezogen und in diesem Zusammenhang über ihr weiteres Befinden informiert. Der inzwischen wiederverheiratete Verwaltungsamtmann a.D. erhielt Ende August 1943 aus der Wiener Anstalt eine kurze Mitteilung, nach der Emma Knoop den Transport gut überstanden habe. "Sie hat sich auch bereits in die geänderten Verhältnisse gut eingefunden. Was die Verpflegungskosten anbelangt, so betragen sie täglich 2,80 RM. Gez. Dr. Podhajsky e.h."

Im Januar 1944 berichtete dieselbe Ärztin, dass sich Emma Knoops Zustand in letzter Zeit verschlechtert habe. Es sei ein zunehmender geistiger und körperlicher Verfall eingetreten. Emma Knoops Gewicht, das in Hamburg noch rd. 50 kg betragen hatte, ging 1944 in Wien auf 30 kg zurück.

Am 6. Februar 1945 wurde in Emma Knoops Patientenakte vermerkt: "pflegebedürftig, desorientiert, unrein, kann nicht gehen, verfällt, schwach." Kurz darauf, am 25. Februar 1945, starb Emma Knoop angeblich an Marasmus senilis und Lungenentzündung. Marasmus senilis bezeichnet den Abbau körperlicher Funktionen mit zunehmendem Alter. Emma Knoop wurde 74 Jahre alt.

Die Anstalt in Wien war während der ersten Phase der NS-"Euthanasie" vom Oktober 1939 bis August 1941 Zwischenanstalt für die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz gewesen. Nach dem offiziellen Ende der Morde in den Tötungsanstalten wurde in bisherigen Zwischenanstalten, also auch in der Wiener Anstalt selbst, massenhaft weiter gemordet: durch Überdosierung von Medikamenten und Nichtbehandlung von Krankheit, vor allem aber durch Nahrungsentzug.
Von den 300 Mädchen und Frauen aus Hamburg kamen 257 bis Ende 1945 ums Leben, davon 196 aus Alsterdorf.

Stand: Januar 2024
© Ingo Wille

Quellen: Adressbuch Hamburg diverse Jahrgänge, StaH 332-5 Standesämter 13829 Geburtsregister Nr. 1408/1902 (Ernst Heinrich Wilhelm Knoop), 6405 Heiratsregister Nr. 241/1896 (Emma Henriette Bertha Heithaus/Ernst Gustav Johannes Knoop), 2436 Geburtsregister Nr. 284/1897 (Emmily Henriette Clara Knoop), 8917 Geburtsregister Nr. 2620/1876 (Carl Franz Henry Heithaus), 9826 Sterberegister Nr. 1574/1927 (Friedrich Rudolph Wilhelm Knoop); Evangelische Stiftung Alsterdorf Archiv Akte Nr. V 183 (Emma Knoop). Peter von Rönn, Der Transport nach Wien, in: Peter von Rönn u.a., Wege in den Tod, Hamburgs Anstalt Langenhorn und die Euthanasie in der Zeit des Nationalsozialismus, Hamburg 1993, S. 425 ff.. Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr – Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Stuttgart 2016, S. 35, 283 ff., 331 ff.

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