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Bereits verlegte Stolpersteine



Klaus Peter Wörbach
Klaus Peter Wörbach
© Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf

Klaus Peter Wörbach * 1938

Tarpenbekstraße 107 (Hamburg-Nord, Eppendorf)


HIER WOHNTE
KLAUS PETER
WÖRBACH
JG. 1938
EINGEWIESEN 1942
ALSTERDORFER ANSTALTEN
´VERLEGT‘ 7.8.1943
HEILANSTALT
KALMENHOF/IDSTEIN
ERMORDET 7.9.1943

Weitere Stolpersteine in Tarpenbekstraße 107:
Günther Blobel, Josephine Boock

Klaus Peter Wörbach, geb. 17.4.1938 in Altona, aufgenommen in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) am 17.7.1942, abtransportiert in die "Heilerziehungsanstalt Kalmenhof" bei Idstein im Rheingau am 7.8.1943, dort gestorben am 16.8.1943

Tarpenbekstraße 107, (Eingang Stiftung Anscharhöhe), Eppendorf

Klaus Peter Wörbach wurde am 17. April 1938 im Hamburger Stadtteil Altona geboren. Er war der Sohn der am 21. Mai 1909 in Öhringen (Hohenlohekreis/Baden-Württemberg) geborenen, zur Zeit der Geburt ihres Sohnes ledigen Hildegard Wörbach. Zu einer Eheschließung mit dem leiblichen Vater Walter Skozeba kam es nicht. Hildegard Wörbach heiratete später einen Mann mit dem Namen Schiemer. Diese Ehe wurde geschieden.

Klaus Peter Wörbach kam fünf Wochen vor dem berechneten Geburtstermin zur Welt. Nach einem Bericht des Landesjugendamtes soll sich die Mutter kaum um das Kind gekümmert haben. Sie verlegte ihren Wohnsitz im Juli 1941 nach Lübeck.

Der Junge lebte im Kinderheim Bahrenfelder Kirchenweg 51, bis er im Oktober 1940 im Mutter-Langer-Haus der Diakonischen Anstalt Anscharhöhe an der Tarpenbekstraße in Hamburg-Eppendorf aufgenommen wurde.

Er lernte erst mit fast 2 ½ Jahren im Januar 1941 zu gehen. Die Heimleitung der Anscharhöhe verfasste am 28. Januar 1942 den einzigen über das Kind erhaltenen Bericht: "Klaus Peter Wörbach ist geistig und körperlich hinter seinem Alter zurück. Er läuft, wenn auch sehr ängstlich, allein. Er sagt manchmal ein Wort ohne Sinn und Zusammenhang. Er macht einen uninteressierten Eindruck. Für Melodien hat er ein gutes Gehör, er summt sie richtig nach, bricht aber mitten drin ab und stößt eigenartige Schreie aus. Er spielt für sich allein ganz niedlich, aber sinnlos. Wohl beobachtet er seine Umgebung, ist aber nicht selbst aktiv. Er macht den Eindruck eines völlig anormalen Kindes. Er näßt und schmutzt noch ein."

Das Landesjugendamt schlug daraufhin im April 1942 vor, Klaus Peter Wörbach als "Bewahrfall in die Alsterdorfer Anstalten zu versetzen". Dort wurde er am 17. Juli 1942 aufgenommen. Er konnte nach den Eintragungen in seiner Patientenakte noch nicht sprechen und wurde als ein sehr unruhiges Kind beschrieben, das viel schrie und seine Bedürfnisse nicht ansagen konnte. Im Juni 1943 wurde der Fünfjährige dem Männerbereich der Anstalt, Haus Karlsruh, zugewiesen. Es finden sich keine Eintragungen über Betreuungs- bzw. Fördermaßnahmen, so dass der Eindruck entsteht, dass der Junge wie vorgeschlagen lediglich "bewahrt" wurde.

Während der Luftangriffe auf Hamburg im Juli/August 1943 wurden auch Teile der damaligen Alsterdorfer Anstalten zerstört. Nach Abstimmung der Anstaltsleitung mit der Hamburger Gesundheitsverwaltung wurden zwischen dem 7. und dem 16. August in drei Transporten insgesamt 468 Mädchen und Frauen, Jungen und Männer in die "Landesheilanstalt Eichberg" in der Nähe von Wiesbaden, in die "Heilerziehungsanstalt Kalmenhof" in Idstein im Rheingau, in die "Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen" bei Passau und in die "Landesheilanstalt Am Steinhof" in Wien verlegt.

Der erste Transport erfolgte am 7. August 1943 mit zusammen 76 Mädchen, Frauen, Jungen und Männern in die "Heil- und Pflegeanstalt Eichberg" im Rheingau und mit 52 Jungen und Männern in die "Heilerziehungsanstalt Kalmenhof" bei Idstein. Zu den zum Kalmenhof Abgeschobenen gehörte auch Klaus Peter Wörbach.

Der 1888 gegründete Kalmenhof hatte sich ursprünglich einen guten Ruf als fortschrittliche Anstalt für Menschen mit geistiger Behinderung erworben, war dann aber in das "Euthanasie"-Programm der Nationalsozialisten einbezogen worden, zunächst während der ersten "Euthanasie"-Phase bis August 1941 als Zwischenanstalt für die Tötungsanstalt Hadamar. Danach wurde im Kalmenhof selbst gemordet, u.a. in der Ende 1941 eingerichteten "Kinderfachabteilung". In den etwa 30 "Kinderfachabteilungen" im Deutschen Reich wurden Kinder im Alter von zunächst bis zu drei Jahren, später bis zu sechzehn Jahren meist durch Nahrungsentzug und überdosierte Medikamente wie Morphium, Luminal oder Skopolamin ermordet.

Über Klaus Peter Wörbach wurden keine gesundheitlichen Einschränkungen dokumentiert. Er starb dennoch nur neun Tage nach seiner Ankunft am 16. August 1943. Die Eintragung seines Todes beim zuständigen Standesamt erfolgte auf schriftliche Anzeige des Leiters des Kalmenhofs. Als Todesursache wurde "Debilität, Ernährungsstörung, Marasmus" angegeben. Marasmus bedeutet fortschreitender Verfall der körperlichen und geistigen Kräfte u.a. durch Mangelernährung.

Es ist als sicher anzunehmen, dass Klaus Peter Wörbach keines natürlichen Todes starb.

Klaus Peter Wörbach lebte eine längere Zeit seines kurzen Lebens in der Diakonischen Anstalt Anscharhöhe. Soweit erkennbar, kümmerte sich das Personal dort um ihn und betrachtete ihn nicht nur als "Bewahrfall". Deshalb wurde der Stolperstein zur Erinnerung an ihn in den Eingangsbereich der Anscharhöhe gelegt.

Stand: Juli 2023
© Ingo Wille

Quellen: Evangelische Stiftung Alsterdorf, Archiv, Bewohnerakte V 87 (Klaus Peter Wörbach). Stadtarchiv Idstein, Sterberegisterauszug Nr. 152/1943. Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr – Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Stuttgart 2016, S. 283 ff., 289 ff.

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