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Bereits verlegte Stolpersteine



Camilla Voigt * 1912

Erlenkamp 21 (Hamburg-Nord, Uhlenhorst)


HIER WOHNTE
CAMILLA VOIGT
JG. 1912
EINGEWIESEN 1935
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 2.11.1943
HEILANSTALT
MESERITZ-OBRAWALDE
ERMORDET 28.12.1943

Camilla Voigt, geb. 27.11.1912 in Hamburg, aufgenommen am 24.7.1935 in der Staatskrankenanstalt Langenhorn, am 2.11.1943 abtransportiert zur Landesheilanstalt Meseritz-Obrawalde (Provinz Brandenburg, heute Polen), ermordet am 28.12.1943

Erlenkamp 21 (Uhlenhorst)

Camilla Voigt war am 27. November 1912 in Hamburg geboren worden. Sie lebte bei ihren Eltern in Hamburg-Uhlenhorst, Erlenkamp 21.

Körperlich immer gesund, besuchte sie die renommierte Klosterschule und anschließend das weiterführende Lyceum, zeitweilig auch die Handelsschule. Danach studierte sie Musik. Ihr Martyrium begann am 10. Mai 1935 mit einer ärztlichen Untersuchung in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg. Sie zeigte Verhaltensauffälligkeiten, und die Ärzte diagnostizierten eine Pfropfschizophrenie, also eine akute Schizophrenie mit einer geistigen Behinderung. Die Hintergründe dieser Untersuchung sind nicht bekannt.

Camilla Voigt wurde als Patientin in Friedrichsberg aufgenommen und im Juli 1935 in die Staatskrankenanstalt Langenhorn überwiesen. Der Amtsarzt beantragte umgehend ihre Sterilisation auf der Grundlage des nationalsozialistischen "Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses". Damit zeigten sich weder Camilla Voigt noch ihre Eltern einverstanden, waren jedoch ohnmächtig.

Camilla Voigt wehrte sich – wie in der Langenhorner Krankenakte vermerkt - gegen den Freiheitsentzug. Nach den Aufzeichnungen war sie unruhig, pochte immer wieder gegen die verschlossene Tür, verlangte nach ihren Sachen und wollte nach Hause gehen.
Inzwischen war ihr die Geschäftsfähigkeit abgesprochen und der Vater vom Erbgesundheitsgericht als Vormund eingesetzt worden. Den Eltern wurde mitgeteilt, dass eine Entlassung nicht vor der Sterilisation infrage komme. Den klinischen Eingriff, der im Oktober 1936 im Krankenhaus Finkenau vorgenommen werden sollte, konnte der Vater allerdings durch einen Widerspruch verhindern. Damit aber war der Daueraufenthalt der Tochter in der Klinik festgeschrieben.

Besonders die Mutter engagierte sich, erschien wiederholt in der Langenhorner Anstalt und setzte sich für ihre Tochter ein. So lautet eine ärztliche Eintragung in der Krankenakte von Camilla Voigt vom 30. Juni 1936: "Die Mutter der Patientin, eine Französin, die kaum Deutsch spricht, erscheint wiederholt in der ärztlichen Sprechstunde u. bittet um sofortige Entlassung ihrer Tochter." Solcherlei Eintragungen verschärften sich im Laufe der Zeit. Am 10. März 1939 heißt es: "Es erscheint die selbst schizophren wirkende Mutter, eine Französin, die kaum Deutsch spricht u. offenbar auch nicht sprechen will, und verlangt wieder in völlig uneinsichtiger Weise die Entlassung ihrer Tochter […]. Die Mutter scheint die Absicht zu haben, ihre Tochter nach Frankreich zu bringen u. dort zu verheiraten(!)" Am 2. Februar 1940 heißt es: "Die schizophrene Mutter der Kranken erscheint in letzter Zeit wöchentl. 3 Mal u. fordert die Entlassung ihrer Tochter […]." Irgendeinen Erfolg zeitigten ihre Forderungen jedoch nicht.

Camilla Voigt wurde am 2. November 1943 mit weiteren Patientinnen und Patienten in die Landesheilanstalt Meseritz-Obrawalde in der damaligen Provinz Brandenburg (heute Polen) transportiert. Diese Anstalt war 1942 Teil der "dezentralen Euthanasie" geworden. Unmittelbar nach Ankunft der Patientinnen und Patienten entschied das ärztliche Personal aufgrund der körperlichen Verfassung darüber, ob jemand sofort zur Tötung bestimmt wurde oder zunächst noch arbeiten musste, z.B. in der Gärtnerei oder in der Nähwerkstatt. Die nicht mehr Arbeitsfähigen erhielten Medikamente, die zum Tode führten.

Camilla Voigt starb am 28. Dezember 1943. Sie wurde 31 Jahre alt. 


Camilla Voigt war seit März 1933 Mitglied des Hamburg-Harvestehuder Turnvereins von 1872 e. V. (HHT). Sie war in dieser Zeit Musikstudentin. Der HHT übernahm im Andenken an ihr ehemaliges Mitglied für den im März 2023 gesetzten Stolperstein die Patenschaft.

Stand: April 2023
© Herbert Diercks

Quellen: StaH 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Nr. 22131 Camilla Voigt, 352-11 Gesundheitsämter Nr. 4607 (Camilla Voigt). Herbert Diercks, Alois Walter: Vom Turnen zum Sport – und noch viel mehr. 150 Jahre Hamburg-Harvestehuder Turnverein von 1872, hrsg. vom Hamburg-Harvestehuder Turnverein von 1872 e. V,, Hamburg 2023, S. 91.

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