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Ilse Laartz
© Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf

Ilse Laartz * 1929

Amselstraße 5 (Hamburg-Nord, Barmbek-Süd)


HIER WOHNTE
ILSE LAARTZ
JG. 1929
EINGWIESEN 1932
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 16.8.1943
AM STEINHOF WIEN
ERMORDET 14.6.1944

Ilse Laartz, geb. 10.4.1929 in Hamburg, aufgenommen in den Alsterdorfer Anstalten am 9.6.1932, deportiert in die Wagner von Jauregg Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien am 16.8.1943, dort gestorben am 14.6.1944

Amselstraße 5 (Barmbek-Süd)

Ilse Laartz war am 10. April 1929 in Hamburg als Tochter des aus Waren in Mecklenburg stammenden Heinrich Friedrich Karl Laartz und seiner in Altona geborenen Ehefrau Henriette Meta Cäcilie, geb. Lebes, im Staatlichen Institut für Geburtshilfe (Frauenklink Finkenau) im Hamburger Stadtteil Uhlenhorst zur Welt gekommen. Sie war ein 7-Monats-Kind.

Das Ehepaar Laartz bekam nach Ilse noch weitere sechs Kinder.

Heinrich Laartz war von Beruf Kürschner. In Hamburg wohnte er mit seiner Verlobten, Henriette Lebes, in einem feuchten Lagerkeller in trostlosen Verhältnissen. Das Paar heiratete am 4. April 1929, also 10 Tage vor Ilses Geburt. Es lebte vom Handel mit Lumpen. Die Einkünfte reichten nicht, um sich satt zu essen.

Die Lebensumstände der nun dreiköpfigen Familie blieben prekär. Eine Fürsorgerin notierte wenig später, "die Eheleute bewohnen mit ihrem Säugling einen Lagerraum, der gänzlich ohne Lüftung ist. Der Säugling kann in dieser Luft nicht gedeihen. Der Raum ist äußerst sauber und ordentlich gehalten, jedoch kann Frau Laartz kaum von den geringen Einnahmen ihres Mannes den Lebensunterhalt bestreiten."

Offenbar war Ilses Mutter bemüht, die Lebensumstände für ihre Tochter zu verbessern. Sie mietete Anfang Mai 1929 ein Zimmer für 25 RM pro Monat, in dem die Familie nun lebte.

Im Alter von vier Wochen musste Ilse am 13. Mai 1929 im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort aufgenommen werden. Sie litt an Hautausschlag, Verdauungsstörungen und einer Neigung zu Blutungen. Bis zu ihrer Entlassung am 11. Dezember 1929 soll sie sich jedoch gut entwickelt haben. Sie habe lt. Akte den Kopf heben, aber noch nicht sitzen können. Ilse wurde zu diesem Zeitpunkt als "immer vergnügt" beschrieben, habe über guten Appetit verfügt und auch zugenommen. Insgesamt sei sie bei ihrer Entlassung ein gesunder Säugling gewesen.

Doch bald darauf, Anfang Februar 1930, wurde Ilse Laartz auf Veranlassung der Wohlfahrtsbehörde wegen fieberhafter Erkältung und Rachitis in das Krankenhaus Barmbek eingewiesen, 2 ½ Monate später gebessert entlassen, musste jedoch kurz darauf bis Mitte September wieder aufgenommen worden. Zwischen den Krankenhausaufenthalten war Ilse Laartz nun in einem Heim untergebracht.

Während dieser Zeit wurde am 11. Juli 1930 das zweite Kind der Familie geboren, Gerda Eliese Henriette.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie blieben äußerst schwierig. Der Lumpenhandel brachte Heinrich Laartz keine Einnahmen mehr ein. Die Familie lebte nun in einer feuchten dunklen Kellerwohnung in der Amselstraße 3/5 in Barmbek-Süd.

Ilse Laartz wurde als sehr zart beschrieben. Sie konnte im Alter von 1 ¾ Jahren noch nicht laufen. Im April 1931 wurde sie zur ärztlichen Behandlung in dem in der privaten Säuglingsheim Hochallee 1 aufgenommen und von dort für einen Monat wegen Masernverdachts in das Krankenhaus Eppendorf überwiesen.

Wenig später, am 14. Juli 1931, gebar Ilses Mutter in der Klinik Finkenau ihr drittes Kind, den Jungen Hinrich. Die Fürsorgerin beurteilte die Situation der drei Kinder als "nur mäßig gepflegt und körperlich sehr zurück." Sie beschrieb die inzwischen zweijährige Ilse jetzt als zurückgeblieben und geistig behindert.

Nachdem Ilses Mutter um Aufnahme ihres Kindes in eine Anstalt gebeten hatte, wurde Ilse am 9. Juni 1932 in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) aufgenommen.

Das dortige Personal nahm Ilse Laartz als freundlich wahr. In verschiedenen Tagesberichten heißt es u.a.: "sie kann laufen", "ist sie müde, setzt sie sich auf den Fußboden. Im Bett deckt sie sich stets die Decke übers Gesicht", "sie mag gern, wenn man sich mit ihr beschäftigt und ist im allgemeinen ganz munter", "ist zufrieden, lacht und spielt, wenn sie im Bett ist".

Im Laufe der Zeit jedoch litt Ilse häufig an Durchfällen und erbrach oft. Sie erkrankte an Magen- und Darmentzündungen, Magenblutungen, Lungenentzündung und Hautausschlägen. Doch ihr Allgemeinzustand besserte sich zunächst immer wieder durch entsprechende Therapie. Die geistige Entwicklung blieb aber sehr beeinträchtigt.

Im Oktober 1942 wurde sie als "vollständiger Pflegling" beurteilt.

Während der schweren Luftangriffe auf Hamburg im Ende Juli/Anfang August 1943 ("Operation Gomorrha") erlitten auch die Alsterdorfer Anstalten Bombenschäden. Die Anstaltsleitung nutzte die Gelegenheit, nach Rücksprache mit der Gesundheitsbehörde einen Teil der Bewohnerinnen und Bewohner, die als "arbeitsschwach, pflegeaufwendig oder als besonders schwierig" galten, in andere Heil- und Pflegeanstalten zu verlegen. Am 16. August 1943 ging ein Transport mit 228 Frauen und Mädchen aus Alsterdorf sowie 72 Mädchen und Frauen aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn in die "Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien" in Wien ab. Unter ihnen befand sich auch die 14jährige Ilse Laartz.

In Wien wurde sie im Pavillon 19 aufgenommen, dort verwahrt und beobachtet. Wiederholt lautete ihr Befund "pflegebedürftig" und "desorientiert". Anfang 1944 soll sie die Nahrungsaufnahme verweigert haben. Ihre Entwicklung wurde jetzt mit einem Wort zusammengefasst: "Verfällt".

Am 14. Juni 1944 starb Ilse Laartz angeblich an Lungentuberkulose.

Die Wagner von Jauregg Heil- und Pflegeanstalt in Wien war eine Anstalt der dezentral durchgeführten "Euthanasie". Von den 228 Mädchen und Frauen aus Alsterdorf starben 196 bis Ende 1945. Der Massenmord in der Wiener Anstalt geschah systematisch: durch Überdosierung von Medikamenten und Nichtbehandlung von Krankheit, aber vor allem durch Hunger. Ilses Leichnam wurde auf der Todesbescheinigung als stark abgemagert beschrieben. Sie wog zuletzt angeblich noch 20 kg. In Hamburg hatte Ilse zuletzt ein Gewicht von 27 kg.

Ilse Laartz wurde 15 Jahre alt.

Stand: Januar 2021
© Ingo Wille

Quellen: Adressbücher Hamburg; StaH 332-5 Standesämter 14896 Nr. 809/1907 Geburtsregistereintrag Henriette Meta Cäcilie Lebes, 13209 Nr. 240/1929 Heiratsregistereintrag Henriette Meta Cäcilie Lebes/Heinrich Friedrich Karl Laartz, 1083 Nr. 1404/1938 Sterberegistereintrag Henriette Meta Cäcilie Laartz; Evangelische Stiftung Alsterdorf, V 186, Sonderakte Ilse Laartz.

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