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Mathilde Jordan (geborene Lehmann) * 1880

Oberaltenallee 72 (Hamburg-Nord, Uhlenhorst)


HIER WOHNTE
MATHILDE JORDAN
GEB. LEHMANN
JG. 1880
EINGEWIESEN 1939
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
"AKTION T4"

Mathilde Jordan, geb. Lehmann, geb. am 17.1.1880 in Speyer, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Oberaltenallee 72 (Versorgungsheim Oberaltenallee), Hamburg-Uhlenhorst

Mathilde Jordan wurde am 17. Januar 1880 als Tochter des Viehhändlers Jakob, genannt Gerson Lehmann I., und seiner Ehefrau Karoline, geborene Mayer, in Speyer geboren. Mathildes Eltern bekannten sich zum jüdischen Glauben. Jakob Lehmann hatte Karoline Mayer etwa 1878 in zweiter Ehe geheiratet. Seine erste Ehefrau Susanna, geborene Berg, geboren 1842, war am 1. September 1877 in Speyer gestorben. Mit ihr hatte er sechs Kinder: Flora, geboren am 6. Juni 1864, Samuel, geboren am 18. März 1866, Ludwig, geboren am 22. Januar 1869, Isaak, geboren am 22. Dezember 1870, gestorben am 2. November 1893, Markus, geboren am 9. März 1872, und Karolina, geboren am 11. Oktober 1874. Mit Ausnahme der in Speyer geborenen Karolina kamen alle Kinder in Gommersheim, einem kleinen Ort im Gebiet der südlichen Weinstraße, zur Welt.

Mit seiner zweiten Frau Karoline, geborene Mayer, geboren am 19. November 1845 (1843), bekam Jakob Lehmann weitere vier Kinder: Arnold, geboren am 10. Januar 1879, Mathilde, geboren am 17. Januar 1880, Melanie, geboren am 21. Januar 1882, und Paula, geboren am 26. Januar 1885. Alle vier Kinder kamen in Speyer zur Welt.

Für die Lebensgeschichte von Mathilde Jordan, geborene Lehmann, stehen nur sehr wenige Informationen zur Verfügung. So ist nichts bekannt über ihre Kindheit und Jugend, über ihren Ehemann und über den Zeitpunkt der Eheschließung.

Wir wissen auch nicht, wann Mathilde Jordan im Hamburger Versorgungsheim Oberaltenallee aufgenommen wurde. Als Grund für die Aufnahme findet sich der Hinweis, dass sie an einer "Geisteskrankheit" litt. Am 16. Oktober 1939 wurde sie von dort in die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn verlegt.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Jüdinnen und Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Jüdinnen und Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen. Nachdem alle jüdischen Patientinnen und Patienten aus den norddeutschen Anstalten in Langenhorn eingetroffen waren, wurden sie gemeinsam mit den dort bereits länger lebenden jüdischen Patienten am 23. September 1940 nach Brandenburg an der Havel transportiert. Unter ihnen war auch Mathilde Jordan. Noch am selben Tag wurden die Menschen in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxid getötet. Nur eine Patientin, Ilse Herta Zachmann, entkam diesem Schicksal zunächst (siehe dort).

Es ist nicht bekannt, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Mathilde Jordans Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) verstorben sei. Auf dem Geburtsregistereintrag von Mathilde Jordan wurde notiert, dass das Standesamt Chelm II ihren Tod unter der Nummer 446/1941 registriert hat.

Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm oder Cholm, einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten fast alle Patienten am 12. Januar 1940 ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Die Schicksale von Mathilde Jordans Geschwistern liegen weitgehend im Dunkeln. Isaak Lehmann, der wie sein Vater als Handelsmann tätig war, starb bereits am 2. November 1893. Melanie ging 1909 die Ehe mit Gustav Bauer ein, von dem nicht bekannt ist, ob er jüdischer Abstammung war. Paula heiratete 1913 Siegmund Strauss aus Hahnheim im heutigen Landkreis Mainz-Bingen.


Stand: Juli 2019
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; Stadtarchiv Speyer, Sterberegister Nr. 333/1877 Susanne Lehmann, Geburtsregister Nr. 8/1879 Arnold Lehmann, Geburtsregister Nr. 23/1880 Mathilde Lehmann, Geburtsregister Melanie Lehmann Nr. 25/1882, Geburtsregister Nr. 44/1885 Paula Lehmann, Sterberegister Nr. 406/1893 Isaak Lehmann, Heiratsregister Nr. 198/1913 Siegmund Strauss/Paula Lehmann. Bruno, Johannes, Schicksale Speyerer Juden 1800 bis 1980, Speyer 2000, S. 297f. Kukatzki, Bernhard, Die Juden im Gäudorf Gommersheim. Eine historische Skizze, Landau 1995.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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