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Bereits verlegte Stolpersteine



John Kronach * 1874

Hegestraße 41 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

1940 KZ Fuhlsbüttel
Freitod am 14.07.1942

John Kronach (früher Cohn), geb. 5.8.1874 in Hamburg, Suizid am 14.7.1942 in Hamburg

Hegestraße 41 sowie Hammer Landstraße 219

Das Eckhaus Haynstraße 1–3/Hegestraße 41 in Eppendorf ist zu gewissem "Ruhm” gelangt und wird auch heute immer wieder in der Hamburger Presse erwähnt.

Anfang der 1970er Jahre sollte das "hochherrschaftliche Etagenhaus” aus den Jahren 1912/13 aus Spekulationsgründen abgerissen werden. In jahrelangem Kampf seiner damals überwiegend studentischen Bewohnerschaft wurde es gerettet. Später versuchten wechselnde Eigentümer, die Mieterinnen und Mieter aus dem Jugendstilgebäude zu verdrängen, bis zum heutigen Tag – also fast 40 Jahre lang – ohne Erfolg. "Du sollst nicht begehren deines Nächsten Wohnung”, war lange Zeit auf einem Transparent an der Fassade weithin sichtbar zu lesen. Zusammen mit dem im Vorgarten aufgebauten selbstgebastelten "Spekulantenfresser”, einem dinosaurierähnlichen Wesen, zeugte es von der Einstellung der Bewohnerinnen und Bewohner. Auf dem Dachboden dieses Hauses wurde 1980 der Verein "Mieter helfen Mietern Hamburger Mieterverein e. V.” gegründet. Zu dieser Zeit waren Leerstand von Wohnraum und Hausbesetzungen öffentliche Themen. Heute ist das einstige Abrissobjekt ein Kulturdenkmal.

Die Geschichte dieses Hauses hat einer der Mieter aufgezeichnet und 1986 als Buch herausgegeben. Zu früheren Zeiten, genauer gesagt während des Nationalsozialismus, wäre der Text des oben erwähnten Transparentes auch aktuell gewesen: Auf S. 81 der "Hausgeschichte” erzählt der Autor Reinhard Barth von einem Ehepaar, das 1941 in eine der Wohnungen eingezogen ist. Zu Beginn seiner Recherchen konnte er sich mit der Frau unterhalten und erfuhr, dass das Ehepaar eine Wohnung mit Balkon beantragt und nach einigem Warten auch bekommen hatte. Die Frau hatte den Vormieter noch kennengelernt: "Der war Teppichhändler und Jude und sollte ins Getto, da hinten am Grindel, wo damals die Juden hinkamen. Er hatte sich bequem eingerichtet, mit Herrenzimmer und echten Teppichen." Über sein Ende wusste sie nichts Genaues, hatte nur "irgendwoher" erfahren, dass er "bald darauf umgekommen ist".

Bei dem Vormieter dieses Ehepaares handelte es sich um John Kronach. Er musste aus seinen zwei Zimmern im dritten Stock der Hegestraße 41 in die Agnesstraße 39 zur Untermiete "bei Levy” ziehen. Seine letzte Meldeadresse war das "Judenhaus" Kielortallee 24. Ein Jahr später und einen Tag vor seiner Deportation nach Theresienstadt nahm John Kronach sich dort das Leben. Er war damals fast 68 Jahre alt und lebte allein.

Seine Eltern waren Charlotte Kronach, geb. Brager, und der Kaufmann Michael Kronach. Den "Freitod” ihres Sohnes mussten sie nicht mehr erleben, beide waren bereits verstorben. Sie hatten ebenfalls in Hamburg gelebt. Wann die Familie sich von Cohn in Kronach umbenannte, ist uns nicht bekannt. Auch John Kronach war, wie sein Vater, von Beruf Kaufmann. Zunächst hatte er in der Mönckebergstraße ein Geschäft für Orientteppiche. Im Börsen­ver­zeichnis von 1933 ist er mit "Teppiche und Gardinen" unter der Adresse Curtiusweg 14 verzeichnet. In diesem Haus im Stadtteil Hamm hat er auch gewohnt, bis er im April 1936 in die Hammer Landstraße 219 zog. Im April 1937 erfolgte der Umzug in die Hegestraße. Wann er den Teppichhandel aufgeben musste und wovon er anschließend seinen Lebensunterhalt bestritt, wissen wir nicht. Von 1931 bis 1935 sind Beitragszahlungen an die Jüdische Gemeinde dokumentiert, ebenfalls für das Jahr 1941.

Im Mai 1908 heiratete John die 1879 in Sangershausen im Harz geborene Ella Baumann. Im Dezember 1909 wurde der Sohn Fritz geboren, der später als kaufmännischer Angestellter tätig war. Ella Kronach starb 1928. Ihr Grab liegt auf dem Jüdischen Friedhof an der Ihlandkoppel in Ohlsdorf.

Bis 1935 muss Fritz in Berlin gewohnt haben, denn von dort zog er mit seiner Ehefrau Käte, geb. Beier, ebenfalls Jahrgang 1909, zu seinem Vater in den Curtiusweg. Anschließend wohnte das Ehepaar für kurze Zeit zur Untermiete "bei Steinhoff" in der Sechslingspforte 7. 1936 fand es eine eigene Wohnung in der Springeltwiete 2. Fritz muss berufstätig gewesen sein, denn laut Kartei zahlte er – wenngleich sehr geringe – Kultussteuerbeiträge an die Israelitische Gemeinde, bis er im Oktober 1938 als arbeitslos verzeichnet wurde. Ab April 1939 ist für ihn und seine Frau als Postadresse die Hegestraße 41 angegeben. Im Januar 1939 war ihnen die Ausreise nach Australien gelungen.

Seither stand sein Vater ohne enge Angehörige da. Ob John Kronach wenigstens gute Freunde hatte, die ihn unterstützten, als er im Juni 1940 nach 12 Tagen "Schutzhaft" im KZ Fuhlsbüttel entlassen wurde? Warum er dort inhaftiert war, ist nicht dokumentiert. Nach Erhalt seines "Aussiedlungsbefehls" für den 15. Juli 1942 nach Theresienstadt war seine Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit so groß, dass er sich mit einer Überdosis Schlafmittel das Leben nahm. Er starb im Israelitischen Krankenhaus in der Johnsallee. "Beerdigungsübernehmer" war Iwan van der Walde. (s. dort). John Kronach wurde im Grab seiner Frau beigesetzt.

Viele Jahre später stiftete die Hausgemeinschaft der Hayn-/Hegestraße ihm zum Gedenken einen Stolperstein.

© Sabine Brunotte

Quellen: 1, 4; StaH 213-8, Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht- Verwaltung; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden, 992e2 Band 4; StaH 314-15 OFP, Fvg 7164; StaH 314-15 OFP, R 1939/789; StaH 331-5 Polizeibehörde – Unnatürliche Sterbefälle, 1942/1195; StaH 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht Verwaltung; Hamburger Telefonbuch 1933; Börsenverzeichnis von 1933; Brief von Reinhard Barth ans Stadtteilarchiv Eppendorf vom 4.11.2006; Barth, Das Haus, 1988; Mieterjournal 1/2009, www.mhmhamburg.de/mieterhelfenmietern/zeitung-112556, Zugriff 16.8.2009.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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