Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Henriette Rosenblum * 1884

Durchschnitt 8 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
HENRIETTE
ROSENBLUM
JG. 1884
DEPORTIERT 1941
RIGA
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Durchschnitt 8:
Johanna Aron, Antoinette Aron, Bella Aron, Hannelore Baum, Emil Josephi, Frieda Josephi, Norbert Pappenheim, Betty Rosenblum, Ella Rosenblum

Ella Esther Rosenblum, geb. am 14.9.1882 in Hamburg, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel
Betty Rosenblum, geb. 1.8.1878 in Salzwedel, deportiert am 6.12.1941 nach Riga, ermordet
Henriette Rosenblum, geb. 22.5.1884 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga, ermordet

Durchschnitt 8

Der am 7. Juli 1849 geborene Kaufmann Ascher Rosenblum und seine Ehefrau Johanna, geborene Simon, geboren am 28. September 1842, beide jüdischen Glaubens, bekamen ihre ersten Kinder in Aschers Geburtsstadt Salzwedel: Max, geboren am 16. Juni 1875, Moritz, geboren am 14. September 1876, und Betti, geboren am 1. August 1878, deren Name später abweichend von dem Geburtsregistereintrag immer Betty geschrieben wurde.

Die Eheleute ließen sich kurz vor der Geburt ihres vierten Kindes in Hamburg nieder. Ella Esther kam am 14. September 1882 in der Admiralitätsstraße 30 in der Hamburger Neustadt zur Welt. Das jüngste Kind, Henriette, wurde am 22. Mai 1884 in der Wilhelminenstraße 35 im Stadtteil St. Pauli geboren.

Ascher Rosenblum nannte sich nun Adolf. Er betrieb ab 1884 ein Lager für Wagenfett, weitere Geschäftsaktivitäten ließen sich nicht ermitteln. Die Familie verlegte ihren Wohnsitz mehrmals, bis sie sich im Mai 1899 in der Straße Schulterblatt 78 im Stadtteil Sternschanze niederließ. Hier starben Ascher und Johanna Rosenblum 1915 bzw. 1916. Betty, Ella Esther und Henriette, die bis zuletzt bei ihren Eltern gewohnt hatten, mieteten gemeinsam eine Wohnung in der Straße Durchschnitt 8 im Stadtteil Rotherbaum. Ella Esther trug als Kassiererin und Henriette als Schneiderin zum Haushaltseinkommen bei. Ob Betty berufstätig war und über ein Einkommen verfügte, ist nicht überliefert. Die Brüder Max und Moritz hatten schon früher den elterlichen Haushalt verlassen.

Bei Ella Esther müssen sich im Laufe der zwanziger Jahre Krankheitssymptome gezeigt haben, die zu ihrer Aufnahme in die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg vom 17. September 1928 bis zum 30. Januar 1929 führten. Wir wissen nicht, ob sie danach wieder in ihre häusliche Umgebung zurückkehren konnte. Am 18. April 1936 kam sie in die Staatskrankenanstalt Hamburg-Langenhorn und blieb dort bis 1940.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in staatlichen sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die inzwischen in "Heil- und Pflegeanstalt" umbenannte Einrichtung in Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Ella Esther Rosenblum gehörte zu den Patienten, die schon vor dem Stichtag in der Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn lebten. Am 23. September 1940 wurde sie mit weiteren 135 Patienten aus norddeutschen Anstalten im Güterbahnhof Ochsenzoll in einen Zug verladen und nach Brandenburg an der Havel transportiert. Noch am selben Tag tötete man die Patienten in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).

Auf dem Geburtsregistereintrag von Ella Esther Rosenblum wurde notiert, dass das Standesamt Chelm II (Generalgouvernement) ihren Tod unter der Nummer 447/1941 registriert hat. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch), einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Auch Ella Esther Rosenblums Geschwister wurden im Holocaust ermordet: Max Rosenblum hatte Jenny Jacob, geboren am 27. August 1874, in Bühl (Baden) geheiratet. Das Ehepaar bekam am 9. Dezember 1913 einen Sohn, Erich. Die Familie wohnte in der Straße Grindelhof 9 im Stadtteil Rotherbaum. Max und Jenny Rosenblum wurden am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, am 21. September 1942 nach Treblinka weiterdeportiert und dort ermordet.

Ihr Sohn Erich Rosenblum hatte an einer Hamburger Handelsschule eine Ausbildung als Buchhalter abgeschlossen. Er wurde am 15. Dezember 1938 im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Nach seiner Freilassung flüchtete er in die Niederlande. Aus Amsterdam sind zwei Adressen bekannt: die N. Kerkstraat 107 und der Stadionweg 129c. Außerdem hielt er sich wohl auch eine Zeit lang im "Werkdorp Nieuwesluis″ im niederländischen Wieringermeer auf. Erich Rosenblum wurde am 26. Mai 1943 in Westerbork interniert und blieb dort verhältnismäβig lange, da er als Buchhalter von Nutzen für die Lagerverwaltung war. Er wurde am 11. Februar 1944 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Moritz Rosenblum hatte zeitweise bei seinen Schwestern im Durchschnitt 8 gewohnt. Er verließ Hamburg im Jahre 1924 und wandte sich nach Chemnitz und Stuttgart. Wahrscheinlich heiratete er während seiner Abwesenheit aus Hamburg. Wir wissen jedoch nicht wen und wann. Auf seinen 1933 angelegten Kultussteuerkarten wurde nur notiert, dass seine Ehefrau verstorben sei. In den Hamburger Sterberegistern findet sich dafür jedoch kein Beleg. Möglicherweise war Moritz Rosenblum bereits vor seiner Rückkehr nach Hamburg im Jahre 1933 Witwer geworden. Völlig erblindet und mittellos wohnte er nun an verschiedenen Adressen zur Untermiete, darunter in der Straße Bockhorst 54 in Iserbrook, zuletzt im Grindelberg 80 bei Rosenberg, bevor er am 5. März 1942 in die Beneckestraße 6, ein "Judenhaus", umziehen musste. Moritz Rosenblum wurde am 15. Juli 1942 in das Getto Theresienstadt deportiert und kam dort am 2. März 1944 ums Leben.

Henriette und Betty Rosenblum lebten völlig mittellos noch in der Straße Durchschnitt 8, als sie den Deportationsbefehl erhielten. Beide wurden am 6. Dezember 1941 mit weiteren 751 Frauen, Kindern und Männern nach Riga deportiert, wo sie umkamen.

Ihre Wohnungseinrichtung und weitere Habe wurde in den Gerichtsvollzieherhallen der Gerichtsvollzieherei, Drehbahn 36, versteigert. Die Oberfinanzkasse Hamburg eignete sich den Versteigerungserlös von 356,90 RM an.

Für Max, Jenny und Erich Rosenblum sollen Stolpersteine in Hamburg-Rotherbaum, Grindelhof 9 gelegt werden.
Für Moritz Rosenblum liegt ein Stolperstein in Iserbrook in der Straße Bockhorst 52, seine eigentliche Adresse lautete Bockhorst 54.


Stand: November 2018
© Ingo Wille

Quellen: 1; 3; 4; 5; 9; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 214-1 Gerichtsvollzieherwesen 592 Henriette und Betti Rosenblum; 332-5 726 Sterberegister Nr. 936/1915 Ascher Rosenblum, 749 Sterberegister Nr. 753/1916 Johanna Rosenblum, 2032 Geburtsregister Nr. 4437/1882 Ella Esther Rosenblum, 2078 Geburtsregister Nr. 2498/1884 Henriette Rosenblum; 332-8 Meldewesen K 6892; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; 522-1 Jüdische Gemeinden 390 Wählerliste 1930, 922 e 2 Band 3 und 4 Deportationslisten; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Ella Rosenblum der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg; Stadtarchiv Bühl/Baden, Geburtsregister Nr. 75/1874 Jenny Jacob; Stadtarchiv Salzwedel, Geburtsregister Nr. 1992/1849 Ascher Rosenblum, Geburtsregister Nr. 103/1875 Max Rosenblum, Geburtsregister Nr. 153/1878 Betti Rosenblum, Geburtsregister Nr. 193/1876 Moritz Rosenblum. Stadt Bühl (Hrsg.), Jüdisches Familienbuch Bühl 1810–1945, Bühl 2014, S. 109.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang