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Bereits verlegte Stolpersteine



Henriette Heymann * 1878

Husumer Straße 13 (Hamburg-Nord, Hoheluft-Ost)


HIER WOHNTE
HENRIETTE HEYMANN
GEB. KAHL
JG. 1878
EINGEWIESEN 1940
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
LANDES-PFLEGEANSTALT
"AKTION T4"

Henriette Heymann, geb. Kahl, geb. am 5.10.1878 in Aumund, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Stolperstein Hamburg-Hoheluft-Ost, Husumer Straße 13

Henriette Heymann kam am 5. Oktober 1878 in Aumund (heute ein Stadtteil von Bremen) als Tochter des Kellners Carl Heinrich Theodor Kahl und seiner Ehefrau Friederike, geborene Rosenberg, zur Welt. Henriette heiratete am 25. August 1906 den am 30. März 1875 in Altona geborenen Jacob Heymann. Beide bekannten sich zum jüdischen Glauben. Jacob Heymann arbeitete als Redakteur. Das Ehepaar wohnte am Ottenser Marktplatz 13 in Altona. Hier wurde ihre Tochter Hanna Ilse am 29. Juni 1912 geboren. 1919 zog die Familie in die Husumer Straße 13 im Hamburger Stadtteil Hoheluft-Ost. Die Einträge im Hamburger Adressbuch bezeichneten Jacob Heymann nun als Schriftleiter. Es ist nicht überliefert, für welche Zeitung oder Zeitschrift er tätig war.

In Hamburg waren der Familie nur wenige Jahre gemeinsamen Lebens vergönnt. Jacob Heymann starb am 28. November 1921 im Alter von nur 46 Jahren.

Der Tod ihres Mannes belastete Henriette Heymann offenbar sehr. Sie wurde Ende 1921 in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg aufgenommen und hielt sich dann von Mai 1922 bis März 1923 in der Staatskrankenanstalt Hamburg-Langenhorn auf. Anscheinend war sie danach wieder so weit hergestellt, dass sie bis Mitte 1940 ein selbstständiges Leben führen und wohl auch für ihre Tochter sorgen konnte. Von 1928 bis 1938 arbeitete sie als Geschäftsführerin der Versicherungsabteilung in der Firma H. Heymann, Alter Wall 69, einem Handelsvertretungsunternehmen. Ludwig Heymann, der Mitinhaber, war Henriettes Schwager, der Bruder ihres verstorbenen Ehemannes Jacob Heymann.

Am 30. November 1937 erklärte Henriette Heymann ihren Austritt aus der Jüdischen Gemeinde. Vermutlich hoffte sie, dadurch künftig Repressalien zu entgehen. Als jedoch die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland geschaffen wurde, wurde ihre Mitgliedschaft zwangsweise wiederhergestellt.

Henriette Heymann strebte die Emigration an und hatte 1939 zu diesem Zweck ihre Habe bereits seefest verpackt. Die Ausreise zog sich hin. Dies belastete Henriette Heymann wohl so stark, dass sie am 6. Juli 1940 erneut Patientin in der inzwischen in Heil- und Pflegeanstalt umbenannten Anstalt in Langenhorn wurde.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Am 23. September 1940 wurde Henriette Heymann mit weiteren 135 Patientinnen und Patienten aus norddeutschen Anstalten nach Brandenburg an der Havel transportiert. Der Transport erreichte die märkische Stadt noch an demselben Tag. In dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses trieb man die Menschen umgehend in die Gaskammer und ermordete sie mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).

In der Wiedergutmachungsakte von Henriette Heymanns Tochter Hanna Ilse, verheiratete Gabry, befindet sich eine Sterbeurkunde. Danach soll Henriette Heymann am 4. Februar 1941 um 9 Uhr 10 Minuten in Chelm, Post Lublin, an Kreislaufschwäche und Hirnschlag gestorben sein.

Wie die anderen in Brandenburg ermordeten Menschen war auch Henriette Heymann nie in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch), einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Hanna Ilse Gabry, Henriette Heymanns Tochter, war nach Paris emigriert und hatte den Holocaust überlebt. In ihrem Wiedergutmachungsverfahren behauptete die Oberfinanzdirektion Hamburg, dass das 1940 vom Deutschen Reich beschlagnahmte Umzugsgut von Henriette Heymann, das in einem Lift Van, einer Seekiste, verpackt gewesen war und im Freihafen gelagert hatte, bei einem Luftangriff in der Nacht vom 24. auf den 25. Oktober verbrannt sei.

Stand: November 2017
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 9; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 332-5 Standesämter 6185 Geburtsregister Nr. 976/1875 Jacob Heymann, 6196 Geburtsregister Nr. 1245/1877 Ludwig Heymann, 5969 Heiratsregister Nr. 891/1906 Henriette und Jakob Heymann, 9793 Sterberegister 2162/1921 Jacob Heymann; 351-11 Nr. 3699 Hanna Ilse Gabry; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Henriette Heymann der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg; Staatsarchiv Bremen, Standesamt Aumund, Geburtsregister Nr. 58/1878, Henriette Kahl.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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