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Bereits verlegte Stolpersteine



Erna Meyerson (geborene Grandzior) * 1892

Brahmsallee 25 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
ERNA MEYERSON
GEB. GANDZIOR
JG. 1892
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 9.1.1944

Weitere Stolpersteine in Brahmsallee 25:
Max Abraham, Kathy (Käthy) Abraham, Georg Meyerson, Anneliese Meyerson, Hildegard Meyerson, Harriet Peyser, John Rogozinski, Max Wagner

Georg Meyerson, geb. am 17.12.1884 in Schwerin, am 19.7.1942 aus Hamburg nach Theresienstadt deportiert, am 9.10.1944 weiter deportiert nach Ausschwitz
Erna Meyerson, geb. Gandzior, geb. am 14.5.1892 in Gleiwitz, am 19.7.1942 aus Hamburg nach Theresienstadt deportiert, dort am 9.1.1944 verstorben
Anneliese Meyerson, geb. am 21.5.1922 in Mannheim, am 19.7.1942 aus Hamburg nach Theresienstadt deportiert, dort am 24.10.1942 verstorben
Hildegard Meyerson, geb. am 28.9.1923 in Mannheim, am 19.7.1942 aus Hamburg nach Theresienstadt deportiert, am 9.10.1944 weiter deportiert nach Ausschwitz

Brahmsallee 25

Georg Meyerson wurde als Sohn von Heinrich und Agnes Meyerson, geb. Ehrenbaum, am 17.12.1884 in Schwerin geboren. Wahrscheinlich verließ er bei erreichter Volljährigkeit die Stadt. Seine Eltern waren von Beruf beide Tuchhändler und sind auf dem Jüdischen Friedhof in Rostock begraben. Aus der Kultussteuerkarteikarte von Georg Meyerson geht hervor, dass er eine 50-prozentige Schwerkriegsbeschädigtenrente erhielt, so können wir davon ausgehen, dass er als Soldat im Ersten Weltkrieg diente. Er wurde vier Mal verwundet und erlitt eine schwere Hirnverletzung mit der Folge nervlicher Erregbarkeit.

Nach seiner Genesung lebte er in Mannheim. Dort schloss er am 10. Oktober 1920 die Ehe mit der am 16.2.1885 in Mannheim geborenen Elsa, geb. Kander. Sie stammte aus einer seit September 1879 in Mannheim ansässigen jüdischen Kaufmannsfamilie. Vom 17. Oktober 1920 bis zum 15. Februar 1928 wohnte die Familie in der Lameystraße 13 im ersten Stock, der von den Eltern übernommenen Geschäfts- und Wohnadresse der Ehefrau. Sie betrieben dort ein Agentur-Geschäft. Georg Meyerson unterhielt in Mannheim seine eigene Antiquitäten-Handlung. Zwei Jahre nach der Eheschließung bekam das Paar die erste Tochter Anneliese, ein Jahr später folgte eine weitere Tochter, Hildegard. Als die Kinder sechs und sieben Jahre alt waren, erkrankte die Mutter an Gebärmutterhalskrebs. Durch die teuren Medikamente und die Pflege geriet Georg Meyerson in finanzielle Not und musste sein Geschäft aufgeben. Möglicherweise zog die Familie aus diesem Grund am 15. Februar 1928 nach Hamburg.

Dort wohnten sie in der Dillstraße 1. Um den Töchtern den Anblick der mütterlichen Qualen zu ersparen, schickten die Eltern sie in das jüdische Mädchenwaisenhaus Paulinenstift, dessen Träger die Deutsch-Israelitische Gemeinde in Hamburg war. Am 30. Juli 1931 erlag Else Meyerson ihrer Krankheit, sie starb im Israelitischen Krankenhaus in der Eckernförderstraße 4 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Ohlsdorf begraben.

Für die beiden minderjährigen Halbwaisen übernahm der Rechtsanwalt Joseph Sommer die Pflegevormundschaft. Sie erbten vom Bruder und Trauzeugen ihrer verstorbenen Mutter, dem Arzt Oskar Ehrmann, eine beträchtliche Summe, über die sie nicht verfügen konnten. Der Vater hatte ebenfalls erst ab dem 18. Lebensjahr seiner Töchter Zugriff darauf. Verursacht durch die Krankheit seiner Frau und seine eigene verminderte Arbeitsfähigkeit befand sich Georg Meyerson aber in einer wirtschaftlichen Notlage. Er wollte sich, um als Vertreter von Baumwollwaren mobil zu sein, einen Kraftwagen kaufen, wozu ihm aber das Geld fehlte. 1933 gelang es ihm, Joseph Sommer davon zu überzeugen, dass es für die Verwirklichung seines Planes sinnvoll sei, die Wertpapiere der Mädchen zu beleihen. Joseph Sommer emigrierte jedoch bereits am 5. Oktober 1933. Ihm folgte der Rechtsanwalt Henry Minden als Pflegevormund. Er vertrat die Interessen der Kinder im Rechtsstreit zwischen dem Waisenhaus und dem Vater der Kinder. Die Töchter erhielten Vollverpflegung sowie Schulbildung in der Mädchenschule der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in der Carolinenstraße. Die monatliche Rate von 81 RM, die der Vater an das Heim zahlen sollte, kam aber oft zu spät oder gar nicht. Georg Meyerson klagte, dass die Kinder abends nur Pudding zu essen bekämen, und dass es ihnen an guter Ausstattung und Kleidung fehle. Besonders beschwerte er sich über Annelieses Aussehen. Zur Rechtfertigung legte das Heim die ausgewogene und abwechslungsreiche Speisekarte der letzten zwei Wochen vor und beteuerte, es würde ausschließlich mit Butter gekocht und die Kinder seien unter ständiger ärztlicher Aufsicht. Immer wieder äußerte der Vater den Wunsch, die Kinder wieder zu sich zu nehmen. Aber die Betreuerinnen sahen darin keine gute Alternative. Dem Pflegevormund gegenüber klagten sie über Meyersons Zahlungsrückstände. Sie hätten die Mädchen bisher "aus reinem menschlichen Interesse im Heim belassen".

Im selbem Jahr wurde Georg Meyerson vom Vormundschaftsgericht die Verwaltung und Nutzung des Vermögens der Kinder entzogen und die Kinder bekamen einen neuen Pflegevormund, Emil von Sauer. Daraufhin kündigte Georg Meyerson an, er werde seine Kinder bis zum 1. Oktober aus dem Paulinenstift holen, auch wenn er so gut wie kein Einkommen habe. Er werde aus dem kleinen Zimmer, das er jetzt im Grindelhof 77 bewohne, ausziehen und sich eine Haushälterin für eine neue Wohnung besorgen. Der Anwalt befragte daraufhin die jetzige Wirtin nach dem Verhalten ihres Mieters, die die Auskunft gab, er sei zwar ein etwas merkwürdiger Typ, aber ganz gutmütig. Doch da Georg Meyerson weder eine Wohnung noch eine Haushälterin finden konnte, blieben die Mädchen weiterhin im Heim.

Aber Annelieses Zeit dort näherte sich dem Ende, denn die Betreuerinnen schätzten ihre weitere Entwicklung negativ ein. Sie schrieben dem Vormund: "Es entzieht sich vielleicht ihrer Kenntnis, dass Anneliese Meyerson geistig und charakterlich zurückgeblieben ist. Jedem Pädagogen ist es klar, dass solche Kinder wenn überhaupt, dann nur sehr schwer daran zu gewöhnen sind, auf sich und ihr Aeußeres zu achten." Damit hatte sie keine Chance mehr, eine Ausbildung anzutreten bzw. in ein Hachscharahlager zur Vorbereitung auf eine Auswanderung nach Palästina zu kommen.

Seit 1935 verfolgte Georg Meyerson das Ziel, nach Palästina auszuwandern. Die englische Regierung verlangte von Erwachsenen für dieses Vorhaben jedoch den Besitz von 1000 Pfund. Am 5. September 1936 erhielt Meyerson die Zusage der Reichsbank für einen Transfer des Kindervermögens nach Palästina. Dort wollte er ein Stück Land kaufen.

Anneliese wurde jedoch am 1. April 1937 aus dem Paulinenstift entlassen und ging auf einem Gut bei Horsten (Horster Grashaus) in Ostfriesland "in Stellung", wo sie im Haushalt und in der Landwirtschaft arbeitete. 1938 wurde Anneliese vom Horster Grashaus entlassen, weil das Gut sich von allen jüdischen Angestellten trennen musste. Am Morgen ihrer Abreise von dort nahmen ihr sechs SA-Männer 69,50 RM ab, wohl ihren Lohn. Sie zog zunächst zu ihrem Vater und verdingte sich dann in wechselnden Haushalten als Hilfe, wo sie auch Logis erhielt.

Hildegard konnte mit der Begründung, sie sei die begabtere der Schwerstern, noch länger im Heim bleiben und weiter die Schule besuchen. Sie blieb bis 1939 im Paulinenstift und bekam danach einen Platz im jüdischen Schulungslager in Gehringshof, wo sie auf die geplante Auswanderung vorbereitet werden sollte. Von dort zog sie am 9. Juni 1941 ins Landwerk Steckelsdorf, ein weiteres Umschulungsgut, wo die Jugendlichen vor allem in landwirtschaftlichen Arbeiten und Techniken unterrichtet wurden. Doch zur Auswanderung kam es nicht mehr.

Stattdessen arbeitete Hildegard als Krankenschwester im Jüdischen Krankenhaus in der Johnsallee. Dort wohnte sie auch, bis sie den Deportationsbefehl erhielt.

Ihr Vater war unterdessen am 2. Januar 1941 eine zweite Ehe mit Erna Meyerson, geb. Gandzior, aus Gleiwitz eingegangen, die als Lehrerin tätig war.

Als letzter freiwilliger Wohnsitz von Georg und Erna Meyerson ist die Brahmsallee 25 verzeichnet. Dort wurden die Stolpersteine für sie und die beiden Töchter verlegt.

Kurz vor ihrer Deportation mussten sie aber noch in das "Judenhaus" in der Kiel­ortallee 22 ziehen. Die ganze Familie wurde gemeinsam am 19. Juli 1942 aus Hamburg mit dem Transport VI/2 ins Getto Theresienstadt deportiert. Insgesamt traten diesen Transport über 800 Menschen an, von denen nur 93 den Holocaust überlebten.

Schon etwa zwei Monate nach ihrer Ankunft im Getto starb Anneliese Meyerson am 24.Oktober 1942. Auf ihrer Todesfallanzeige wurde "Typhus abdominalis" als Todesursache angegeben.

Eineinhalb Jahre später, am 9. Januar 1944, starb auch Erna Meyerson in Theresienstadt.

Hildegard Meyerson, zu diesem Zeitpunkt 21 Jahre alt, wurde gemeinsam mit ihrem Vater Georg Meyerson am 9. Oktober 1944 ins Vernichtungslager Auschwitz weiterdeportiert, wo beide vermutlich in der Gaskammer ermordet wurden.

Stand: September 2016
© Lefke Sandrock

Quellen: StaH, 232-5, 1222 (1931-1942), Pflegschaft über das Vermögen der unmündigen Kinder des Georg Meyerson, Vormundschaftswesen; StaH 352-5, 1931 2a 357, Todesbescheinigung; StaH, 314-15 R123/1941, 314-15 R214/1941, Oberfinanzpräsident; www.db.yadvashem.org/names; www.holocaust.cz/de/documents; www.bundesarchiv.de/gedenkbuch; Hamburger Adressbuch; (Zugriff 23.3.2015) Stadtarchiv Schwerin (Blumenthal ) 13.4.2015; Stadtarchiv Mannheim (Hirsch ) 21.4.2015; http://www.jhi.pl/uploads/inventory/file/9/Gemeinde_Gleiwitz_112.pdf (Zugriff 23.3.2015); Hamburger Gesellschaft für jüdische Genealogie e.V., Heft 109 2013/ 4. Quartal, Paulinenstift.

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