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Erich Siegbert Redlich * 1887

Schedestraße 18 (Hamburg-Nord, Eppendorf)


HIER WOHNTE
ERICH SIEGBERT
REDLICH
JG. 1887
DEPORTIERT 1941
LODZ
ERMORDET 22.2.1942

Siegbert Erich Redlich, geb. 5.9.1887 in Breslau, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert, dort gestorben am 22.2.1942

Schedestraße 18

Siegbert Erich Redlich wurde 1887 in Breslau/Schlesien als Sohn des Kaufmanns Hugo Redlich und dessen Ehefrau Minna, geb. Schwarz, geboren. Er war seit 1911 in Hamburg wohnhaft, sein Name und seine Adresse tauchte aber erst ab 1923 in den Hamburger Adressbüchern auf, d. h. von 1911 bis 1922 wohnte er vermutlich zur Untermiete. Die erste Erwähnung im Hamburger Adressbuch 1923 dürfte auch ein Hinweis auf die Veränderungen im Privatleben von Siegbert Erich Redlich sein: Nach der Heirat mit Elfriede Windmüller (geb. 11.5.1893 in Beckum/Westfalen) im Dezember 1922 in Hamburg bezog das Paar eine gemeinsame Wohnung, der sich Elfriede Redlich als Hausfrau widmete. Siegbert Erich Redlich eröffnete im Stadtteil Hoheluft-Ost in der Klosterallee 104 das Geschäft "S. E. Redlich, Kraft­wagen u. Zubehör, Kleinkrafträder". Ab 1929 war er Mitglied der Jüdischen Gemeinde. Er war als Autoschlosser und später als selbstständiger Fahrlehrer tätig. In den Hamburger Adressbüchern von 1926 und 1928 findet sich der Eintrag "S. E. Redlich, Kraftwagen, Winterhuder Marktplatz 18" (Winterhude). Der Briefkopf der Firma Erich Redlich verwies unter dem Namens­zug auf die Dienstleistungen "Fahrschule für alle Klassen – Kraftfahrzeuge – Fachmännische Kaufberatung". Bis zur Auflösung der Firma Ende 1938 besaß Siegbert Erich Redlich ein Fahrzeug der Marke DKW (Deutscher Kleinwagen) Baujahr 1933, d. h., er hatte noch 1933 oder in den beiden Jahren danach ein Auto erworben.

Von 1929 bis 1936 lautete die Wohnanschrift der Eheleute Redlich Schedestraße 18. 1937 waren sie in der Lenhartzstraße 1 gemeldet. Das Einkommen des kinderlosen Ehepaares erreichte 1936 mit einer jährlichen Gesamtsumme von 1100 RM einen so niedrigen Stand, dass an eine berufliche Perspektive in Deutschland nicht mehr zu denken war. Zwar stieg das Jahreseinkommen 1937 auf 2100 RM und 1938 auf 2400 RM an, hierin dürften aber bereits Einnahmen aus der Firmenauflösung und möglicherweise auch aus Verkäufen der Wohnungseinrichtung enthalten sein. An die Auflösung von Geschäft und Wohnung schlossen sich Emigrationsbemühungen von Siegbert Erich und Elfriede Redlich an – allerdings nicht mehr gemeinsam, denn die Eheleute lebten seit Oktober 1938 in Trennung; im Dezember 1939 wurden sie rechtskräftig geschieden. Bis zur Ausreise bewohnten beide jeweils ein Zimmer zur Untermiete.

Im November 1938 beantragte Siegbert Erich Redlich die "Wiederaushändigung" seines Reisepasses, da er eine "Informationsreise" nach Lettland unternehmen wollte. Hierzu kam es jedoch aus unbekannten Gründen nicht. Der vermutlich auf politischen Druck hin erfolgten Firmenauflösung folgten wirtschaftliche Probleme und mehrfache Wohnungswechsel. Seit Dezember 1938 lebte Redlich zur Untermiete im Loogestieg 6 Parterre bei dem Versicherungsmakler Paul Wolfers und dessen Frau, die beide 1939 emigrierten. Elfriede Redlich bewohnte ein Zimmer in der Lenhartzstraße 1 im 3. Stock bei Meyer. Siegbert Erich Redlich hoffte noch immer auf seine Ausreise. Für die getrennt lebende Ehefrau findet sich auf der Kultussteuerkartei-Karte der handschriftliche Vermerk "England U. B. Mai 39 erteilt, 18.4.39". Die befristete Unbedenklichkeits-Bescheinigung war nur für die 46-jährige Elfriede Redlich ausgestellt.

Vor ihrer Abreise überprüfte die Zollfahndungsstelle Hamburg das Reisegepäck und das "Umzugsgut". Der Zollsekretär hielt in seinem "Ermittlungsbericht" am 11. Mai 1939 fest: "Auftragsgemäß habe ich heute das Umzugsgut der Jüdin Elfriede Redlich, Hamburg, Lenhartzstr. 1 einer Nachprüfung unterzogen. (…) Eine Anzahl versilberter Essbestecke, die auch in der Umzugsliste aufgeführt sind, wurden vorgezeigt. Frau R. wurde aufgegeben, diese Essbestecke von einem Fachmann überprüfen zu lassen und das Ergebnis der Devisenstelle mitzuteilen. Bekleidungsstücke und Wäsche sind nur im Rahmen des Notwendigen ergänzt. Bedenken gegen die Mitnahme des Umzugsgutes bestehen nicht." Elfriede Redlich verließ Deutschland im Mai 1939 und beabsichtigte in London als Hausangestellte zu arbeiten. Um ihre Rückkehr zu verhindern, sperrten die deutschen Behörden ihren Reisepass zum 1. Juni 1939, im Dezember 1939 lebte sie in Irland.

Ob ihr die Schiffspassage von Verwandten oder Freunden bezahlt wurde, ist nicht bekannt. Ihr Barvermögen betrug im April 1938 500 RM. Dies dürfte für die Reise von Hamburg nach London nicht ausgereicht haben. Ihr Bruder, der Bankprokurist Julius Windmüller, war zu diesem Zeitpunkt bereits von Berlin-Charlottenburg (Fritschestraße 76) nach Holland emigriert. In die Niederlande waren noch weitere Angehörige der Familie Windmüller geflüchtet, ihr Geburtsort Beckum deutet darauf hin, dass sie mit Elfriede Redlich, geb. Windmüller, verwandt waren. In Beckum/Westfalen sind die Windmüllers als Mitglieder der dortigen Jüdischen Gemeinde bereits für 1853 nachweisbar. Die in die Niederlande geflüchteten Familienmitglieder starben alle im Holocaust: Abraham Windmüller (geb. 1886, gest. 10.9.1943 in Auschwitz), Rosalia Oster, geb. Windmüller (geb. 1866, gest. 21.5.1943 in Sobibor), und Pauline Horn, geb. Windmüller (geb. 1902, gest. 11.6.1943 in Sobibor).

Seit dem 23. Januar 1940 wohnte Siegbert Erich Redlich zur Untermiete in der Eichenstraße 77 III. Stock (Eimsbüttel) bei Frau Ina Dähling (geb. 1881), die wenige Jahre zuvor noch Besitzerin einer Papierhandlung in der Dorotheenstraße 100 (Winterhude) gewesen und 1940 auf die Unterstützung der Wohlfahrt angewiesen war. (Sie wurde am 25. Oktober 1941 nach Lodz deportiert).

Im April 1940 leitete Siegbert Erich Redlich die Formalitäten für seine Auswanderung nach Ecuador ein. Auf seinem "Antrag auf Mitnahme von Umzugsgut" wurde vermerkt, dass die Verzeichnisse der Gegenstände folgen würden. Über den Grund für das Ausbleiben der Listen kann nur spekuliert werden. Allerdings war die finanzielle Situation von Redlich mittlerweile wohl so kritisch, dass sich daraus Probleme für seine Emigration ergaben. Ohne Bargeld oder Immobilien, Wertpapiere oder Schmuck, die mit großen Verlusten noch zu Geld zu machen waren, konnte keine Schiffspassage erworben werden.

Auch die Finanzierung des Visums sowie die Beschaffung der nachzuweisenden Barschaft für das Aufnahmeland dürften für ihn schwierig gewesen sein. Achtzehn Monate später erhielt er den "Evakuierungsbefehl". Er wurde am 25. Oktober 1941 mit dem ersten Hamburger Deportationstransport ins bereits überfüllte Getto Lodz deportiert. Dort war die Sterblichkeitsrate hoch. Vier Monate später, am 22. Februar 1942, starb er.

Ob die im Koblenzer Gedenkbuch vermerkten Opfer: Paul Redlich (geb. 24.1.1877 in Breslau), Siegfried Redlich (geb. 1.7.1880 in Breslau) und Walter Redlich (geb. 30.1.1889 in Breslau) mit Siegbert Erich Redlich verwandt waren, konnte nicht ermittelt werden.

© Björn Eggert

Quellen: 1; 2; 4; 5; StaH, 314-15 (Oberfinanzpräsident), Fvg 5756 (Siegbert Redlich); StaH, 314-15 (Oberfinanzpräsident), Fvg 4738 (Elfriede Redlich); AB 1923, 1926, 1928, 1932, 1936; AB Berlin 1933; AB Breslau 1887; www.joodsmonument.nl (eingesehen am 1.10.2008); Kreisarchiv Warendorf, Synagogengemeinde; Landgericht Hamburg, Scheidungsurteil 9b R 295/39.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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