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Bereits verlegte Stolpersteine



Otto Moses Luria, 1938
© StaHH

Otto Luria * 1869

Woldsenweg 7 (Hamburg-Nord, Eppendorf)


HIER WOHNTE
OTTO LURIA
JG. 1869
VERHAFTET 1938
KZ FUHLSBÜTTEL
EINGEWIESEN
HEILANSTALT
LANGENHORN
TOT AN DEN FOLGEN
31.8.1939

Otto Luria, geb. 16.11.1869 in Hamburg, gestorben am 31.8.1939 in Hamburg

Woldsenweg 7

Am 1. April 1938 wurde der 68-jährige Otto Luria in "Schutzhaft" ins KZ Fuhlsbüttel eingeliefert, wo er bis zur Überstellung in die Untersuchungshaftanstalt Hamburg-Stadt am 7. April verblieb. Ihm wurde das "Verbrechen" der "widernatürlichen Unzucht" vorgeworfen. Auf Beschluss des Landgerichts Hamburg kam er Ende August 1938 zur Überprüfung seines "Geisteszustandes" in die Staatskrankenanstalt Langenhorn. Nur aus der überlieferten Patientenakte erfahren wir mehr von seiner Biographie, da die ihn betreffenden Straf- und Gefangenenakten vernichtet wurden.

Otto Moses Luria kam am 16. November 1869 als vierter Sohn von Jacob Luria und Angelina, geb. Pardo, zur Welt. Die Eltern verstarben bereits in den Jahren 1873 und 1874.

Als Sohn jüdischer Eltern besuchte er die liberale Wahnschaff-Schule bis zum Einjährigen-Examen 1886, danach absolvierte er eine dreijährige kaufmännische Ausbildung in Hamburg. Wei­tere drei Berufsjahre verbrachte er in England, bevor er 1892 nach Caracas in Venezuela übersiedelte. Nach einem krankheitsbedingten Aufenthalt in Deutschland zog er 1897 zu einem Bruder nach San Salvador in Mittelamerika, mit dem er später ein florierendes Warenhaus im Landesinneren betrieb.

Nach Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er während einer Reise nach Deutschland daran gehindert, nach Mittelamerika zurückzukehren. Er wurde zum Grenzschutz an die dänische Grenze eingezogen. Nach dem Krieg arbeitete er bis 1934 bei seinem Hamburger Neffen Her­mann Fränkel im Versicherungsfach. Sein zuvor in Südamerika erworbenes Vermögen in Höhe von 200000 RM war durch seine Unterstützung bedürftiger Verwandter und durch Verluste an der Börse bis 1938 fast vollständig aufgebraucht. 1934 erlitt Otto Luria zwei Schlaganfälle, die ihn in den Ruhestand zwangen.

1938 wurde Otto Luria zur Last gelegt, einen 20-jährigen Boten eines Kolonialwarengeschäfts zu einem Kaffee eingeladen und sexuell berührt zu haben. Nachdem der Betreffende zunächst zustimmend reagiert hatte, meldete er die Kontaktanbahnung später der Polizei. Ein weiterer Vorwurf betraf eine Begegnung mit einem Mann in dem Homosexuellen-Lokal "Zu den 3 Sternen".

Auf Befragen des Langenhorner Arztes A. Georg Saupe beschrieb Otto Luria ausführlich sein Sexualleben: "Seit meiner frühesten Jugend war ich homosexuell veranlagt, wobei ich mich besonders in Südamerika aktiv betätigte, nebenbei verkehrte ich auch manchmal mit Frauen, aber doch lieber mit Männern." In seinem abschließenden Gutachten formulierte Saupe dann Stereotypen über Sexualität, die sich in zahlreichen Gutachten dieser Zeit, in denen es um verheiratete homosexuelle oder bisexuelle Männer geht, finden. So schrieb er über Otto Luria: "Somit kann man seinen abnormalen Trieb nicht als unwiderstehlich und krankhaft ansehen … ganz bewusst und gewollt gibt er sich also jeweils auftretenden Begierden hin … bis ihn jetzt an der Schwelle des Greisenalters die rächende Nemesis erreicht!"

Die "Rache" der Nationalsozialisten brachte den an Arteriosklerose leidenden Luria Anfang Oktober 1938 erneut in Untersuchungshaft, Ende Dezember wurde er dann wegen "widernatürlicher Unzucht" zu einer unbekannten Strafhöhe verurteilt und im Gefängnis Fuhlsbüttel inhaftiert. Im August 1939 wurde er ins Zentrallazarett verlegt, aus dem er Ende des Monats ins Israelitische Krankenhaus entlassen wurde. Dort starb er am 31. August 1939 offiziell an "Leberkrebs".

© Ulf Bollmann

Quellen: StaH, 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Abl. 2, 451 a E 1, 1 a; 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferung 16; StaH, 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Ablieferung 1995/2 Nr. 25180; StaH 332-5 Standesämter, 1104.

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