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Sophie London * 1888

Eppendorfer Landstraße 42 (Hamburg-Nord, Eppendorf)


HIER WOHNTE
SOPHIE LONDON
JG. 1888
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Eppendorfer Landstraße 42:
Alice Ekert-Rotholz, Ella Leffmann, Louise Leffmann, Bertha Neuburger, Max Neuburger, Lisa Neuburger, Stefanie Neuburger, Dr. Leopold Rotholz

Sophie London, geb. 12.4.1888 Hamburg, deportiert 15.7.1942 Theresienstadt, 15.5.1944 Auschwitz, ermordet

Eppendorfer Landstraße 42

Sophie London war das älteste der drei Kinder von David Marcus London, geb. 14.12.1858 in Hamburg, und Hanna, geb. Heilbut, geb. 11.12.1860 in Hamburg. Ihre Großväter, Marcus David London und Liepmann Michel Heilbut, waren Zigarrenarbeiter. Sie lebten in der Schlachterstraße 47 in der Hamburger Neustadt, dem Lazarus-Gumpel-Stift für arme jüdische Familien.

Sophie erhielt ihren Namen nach ihrer Großmutter Sophie London, geb. Rosenstein (geb. 17.3.1820 in Leer in Ostfriesland), die am 9. Dezember 1855 die Ehe mit Marcus David London (M.D. London) geschlossen hatte. Am 14.12.1858 wurde der Sohn David Marcus (D.M. London), Sophies Vater, geboren. Weitere Kinder sind nicht bekannt. Bei Sophies Geburt am 12.4.1888 war ihre Großmutter Sophie bereits verstorben.

Sophie Londons Mutter, Hanna Heilbut, war ihrerseits das älteste Kind gewesen, aufgewachsen mit den Geschwistern Michel Liepman (geb. 18.6.1864) und der Schwester Goldine (geb. 30.8.1866). Die Wurzeln der Familie lagen in Neubukow in Mecklenburg.

Hanna Heilbut hatte am 1. Juni 1887 den "Commis” (kaufmännischer Angestellter) David Marcus London geheiratet. Bis zur Hochzeit wohnten beide Brautleute bei ihren Eltern in der Schlachterstraße 47. Beide Väter fungierten als Trauzeugen. Das junge Paar zog in die Schlachterstraße 7, wo Sophie geboren wurde.

Elf Monate später, am 16.3.1889, kam Bertha London zur Welt, gefolgt von dem einzigen Sohn, Max, geb. 8.12.1891. Ihre Namen wie die Berufe ihrer Väter lassen den Bruch mit der Tradition und die Assimilation der Familien erkennen. Während ihre Großväter als Zigarrenarbeiter ihr Einkommen erzielten, wurden deren Söhne Kaufleute und Prokuristen. Sie verließen die Hamburger Neustadt und zogen in bürgerliche Stadtteile wie Hohenfelde und Winterhude. Jüdische Rufnamen wie Johebet Jette von Hannas Mutter oder Liepmann von Hannas Vater finden sich bei den Enkelkindern nicht wieder.

David Marcus London zog um 1906 aus der Neustadt nach Hoheluft-West in die Wrangelstraße 20. Diese Adresse blieb der Familienwohnsitz über seinen Tod im Jahr 1928 hinaus.

Über die Ausbildung von Sophie London und ihren weiteren Lebensweg ist wenig bekannt. Auch, wann sie erstmals eine Erwerbstätigkeit als Angestellte aufnahm, ließ sich nicht feststellen. Sie blieb ledig und kinderlos, während ihre Schwester Bertha den Kaufmann Bernhard Levy heiratete und ihr Bruder Max die Ehe mit Charlotte Wolff einging. Aus beiden Ehen gingen Kinder hervor.

Zunächst lebte Sophie im Haushalt ihrer Eltern, später bei ihrem Bruder Max. Sie zahlte nicht als berufstätige Person Kultussteuern an die Jüdische Gemeinde, sondern unterlag der Haushaltsbesteuerung.

Nach der Verabschiedung der Nürnberger Rassegesetze wurde Sophie London als eigenständiges Mitglied der Jüdischen Gemeinde zur Gemeindesteuer veranlagt. Was sie jedoch an eigenem Einkommen hatte, war so belanglos, dass es nicht besteuert wurde. Auf ihrer Steuerkarte wurde vermerkt, dass ihr Bruder Max sie unterhielt, in dessen Haushalt sie weiterhin lebte.

Wie eng die familiären Kontakte waren, geht aus den vorhandenen Akten nicht explizit hervor. Zeitweilig jedoch wohnten Verwandte bei denen, die noch eine eigene Adresse hatten. So zog Sophie London kurzfristig zu ihrer Schwester Bertha Levy, bis ihr Bruder Max nach seinem Wegzug aus der langjährigen Wohnung in der Fuhlsbütteler Staße 227 1935 wieder eine Daueradresse in der Eppendorfer Landstraße 42 gefunden hatte. Dort überbrückte auch sein Neffe Herbert Levy die Zeit bis zu seiner Emigration.

Max London verlor im Dezember 1939 seine Stellung und beschloss auszuwandern. Die Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten verhängte über sein Vermögen eine "Sicherungsanordnung" und billigte ihm einen monatlichen Freibetrag von 600 RM zur Deckung seiner Lebenshaltungskosten zu.

Er sorgte für seine Schwester Sophie vor. Aus dem Sperrkonto konnte er die Entnahme von Mitteln, die über den Freibetrag hinausgingen, beantragen wie z.B. das Schulgeld für die Kinder und die Passagekosten für die Überfahrt in die USA. Diese Anträge wurden jeweils noch am selben Tag genehmigt. Mit der Begründung, Sophie sei längere Zeit krank gewesen und habe ihre Ersparnisse aufgebraucht, beantragte er die Freigabe von 350 RM für Reisekosten und einen achtwöchigen Aufenthalt im jüdischen Erholungsheim in Baden-Baden. Auch dieser Antrag wurde umgehend genehmigt.

Am 25.10.1939 starb Sophies Tante Goldine Burchard im Israelitischen Krankenhaus in der Johnsallee 68 an Herzinsuffizienz. Sie hatte mit 42 Jahren den 30 Jahre älteren Milchhändler Simeon Burchard geheiratet, der bereits 1926 gestorben war, ohne Kinder zu hinterlassen. Goldine wurde an seiner Seite auf dem Jüdischen Friedhof in Ohlsdorf beigesetzt. Aus ihrem Nachlass erhielten Sophie London und Bertha Levy sowie ihre Cousine Vera Heilbut, eine Tochter von Michel Liepmann Heilbut, die bereits in Palästina lebte, je 1200 RM. Goldine Burchard hatte bis zu ihrem Tod Hegestraße 39 bei Louise Wolff, ebenfalls einer Verwandten, gewohnt. Dieses Erbe galt als Vermögen und wurde nicht besteuert, und da es weniger als 5000 RM betrug, konnte Sophie auch frei darüber verfügen. Sie zahlte es auf ihr Konto bei der Neuen Sparkasse ein.

Sophie London reiste offenbar nach der Auswanderung ihres Bruders am 26. Juli 1940 nach Baden-Baden ab. Sie hatte bei ihrem Bruder in der Eppendorfer Landstraße 42 gelebt und war noch mit ihm in die Lenhartzstraße 3 gezogen. An den Jüdischen Religionsverband, wie die Jüdische Gemeinde nun hieß, führte sie inzwischen wieder einen Beitrag ab, den Grundbetrag von einer Mark monatlich.

Schließlich brachte die Jüdische Gemeinde Sophie London gemeinsam mit ihrer Schwester Bertha und dem Schwager Bernhard Levy sowie Louise Dessau, geb. Burchard (geb. 19.7.1863), Mutter des Kapellmeisters Paul Dessau, in ihrem Siechen- und Pflegeheim in der Schäferkampsallee 29 unter. Auch ihre anderen Angehörigen lebten in solchen Einrichtungen, ihr Onkel Michael Heilbut im Altenhaus des Jüdischen Religionsverbandes in der Sedanstraße 23, wo auch Goldines Schwager Carl Burchard (geb. 27.1.1871) mit seiner Ehefrau Emma (geb. 30.6.1877) und Siegmund Simon Burchard, von Beruf Buchhändler (geb. 21.12.1872), einquartiert waren. Franz und Louise Wolff zogen ins Samuel-Levy-Stift in der Bundesstraße 35.

An ihren verschiedenen Adressen erreichten Sophie London wie die in Hamburg verbliebenen Angehörigen der Familie Burchard die Aufforderungen zum Transport in das Altersgetto von Theresienstadt. Sie fanden sich alle in der Volksschule Schanzenstraße in Eimsbüttel ein, wo sie noch von der jüdischen Gemeinde vor dem Abtransport versorgt wurden.

Sophie London und ihre Schwester Bertha Levy besaßen auf ihren Konten noch Guthaben, die die 1200 RM aus ihren Erbschaft von ihrer Tante Goldine Burchard übertrafen. Bertha Levys "Vermögen" von 2056,42 RM wurde für den Heimeinkauf an die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland entrichtet (die es an ein Konto weiterleiten musste, auf das das Reichssicherheitshauptamt Zugriff hatte), während Sophie Londons Guthaben von 1278,75 RM von der Oberfinanzkasse eingezogen wurde. Beides wurde letztlich an die Reichsbank abgeführt.

Vom Sammelort brachten Lkws die Männer und Frauen zum Hannoverschen Bahnhof, wo sie mit einem Personenzug der Reichsbahn bis zum Bahnhof Bauschowitz fuhren. Von dort ging es zu Fuß oder per Lkw in das Getto von Theresienstadt.

Über das Ergehen der Deportierten nach dem Abtransport vom Hannoverschen Bahnhof am 15. Juli 1942 wissen wir keine Einzelheiten. Sie wurden nach Geschlechtern getrennt untergebracht. Das Getto war überfüllt, es gab nicht genug Betten und es mangelte an Nahrung, Hygiene und medizinischer Versorgung. Infektionskrankheiten grassierten.

Als erste aus der Familie Burchard starb sieben Wochen nach ihrer Ankunft im Getto Theresienstadt Louise Dessau am 8. September 1942, vier Tage vor ihrem 70. Geburtstag. Fünf Tage später starb Carl Burchard im Alter von 71 Jahren.

Zur weiteren "Entlastung" des Gettos wurden "Evakuierungstransporte" in die Vernichtungslager durchgeführt. Michel Liepmann Heilbut (s. www.stolpersteine-hamburg.de) wurde bereits am 21. September 1942 einem Transport in das Vernichtungslager Treblinka zugewiesen, wo er unmittelbar nach der Ankunft ermordet wurde.

Sophie London, ihre Schwester Bertha Levy, ihr Schwager Bernhard Levy und Louise Wolff erlebten noch einen zweiten Jahreswechsel im Getto. Am 15. Mai 1944 wurden sie nach Auschwitz deportiert und dort wahrscheinlich unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet. Niemand von ihnen erreichte das 65. Lebensjahr.

1958 beantragte die Jewish Trust Corporation die Rückerstattung von Sophie Londons eingezogenem Vermögen, das sich noch auf ihrem Sparkonto befand. Es ging in das Globalabkommen der israelischen Regierung mit dem deutschen Bundesminister der Finanzen ein.

Stand: März 2023
© Hildegard Thevs

Quellen: 1; 2 R 1939/3118, R 1940/0021, R 1940/0816, FVg 8055; 4; 5 digital; 7; 8; 9; Hamburger Adressbücher; Arolsen Online-Archiv; StaHH 213-13, 15440 Restitution Sophie London; 332-5 Standesämter; 351-11 Wiedergutmachung, 13250 Max London; https://www.stolpersteine-hamburg.de/?&MAIN_ID=7&r_name=heilbut&r_strasse=&r_bezirk=&r_stteil=&r_sort=Nachname_AUF&recherche=recherche&submitter=suchen&BIO_ID=; https://de.wikipedia.org/wiki/Lazarus_Gumpel; http://www.juden-in-mecklenburg.de/Orte/Neubukow.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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