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Bereits verlegte Stolpersteine



Zeichnung des Kindes Lisa Huesmann
Lisa Huesmann (Zeichnung)
© Privatbesitz

Lisa Huesmann * 1940

Marckmannstraße 135 (ehemalige Kinderklinik) (Hamburg-Mitte, Rothenburgsort)


LISA HUESMANN
GEB. 3.5.1940
ERMORDET 19.6.1943

Weitere Stolpersteine in Marckmannstraße 135 (ehemalige Kinderklinik):
Andreas Ahlemann, Rita Ahrens, Ursula Bade, Hermann Beekhuis, Ute Conrad, Helga Deede, Jürgen Dobbert, Anneliese Drost, Siegfried Findelkind, Rolf Förster, Volker Grimm, Antje Hinrichs, Gundula Johns, Peter Löding, Angela Lucassen, Elfriede Maaker, Renate Müller, Werner Nohr, Harald Noll, Agnes Petersen, Renate Pöhls, Gebhard Pribbernow, Hannelore Scholz, Doris Schreiber, Ilse Angelika Schultz, Dagmar Schulz, Magdalene Schütte, Gretel Schwieger, Brunhild Stobbe, Hans Tammling, Peter Timm, Heinz Weidenhausen, Renate Wilken, Horst Willhöft

Kinderkrankenhaus Rothenburgsort

Im früheren Kinderkrankenhaus Rothenburgsort setzten die Nationalsozialisten ihr "Euthanasie-Programm" seit Anfang der 1940er Jahre um.
33 Namen hat Hildegard Thevs recherchieren können.

Eine Tafel am Gebäude erinnert seit 1999 an die mehr als 50 ermordeten Babys und Kinder:

In diesem Gebäude
wurden zwischen 1941 und 1945
mehr als 50 behinderte Kinder getötet.
Ein Gutachterausschuss stufte sie
als "unwertes Leben" ein und wies sie
zur Tötung in Kinderfachabteilungen ein.
Die Hamburger Gesundheitsverwaltung
war daran beteiligt.
Hamburger Amtsärzte überwachten
die Einweisung und Tötung der Kinder.
Ärzte des Kinderkrankenhauses
führten sie durch.
Keiner der Beteiligten
wurde dafür gerichtlich belangt.



Weitere Informationen im Internet unter:

35 Stolpersteine für Rothenburgsort – Hamburger Abendblatt 10.10.2009

Stolpersteine für ermordete Kinder – ND 10.10.2009

Stolpersteine gegen das Vergessen – Pressestelle des Senats 09.10.2009

Die toten Kinder von Rothenburgsort – Nordelbien.de 09.10.2009

35 Stolpersteine verlegt – Hamburg 1 mit Video 09.10.2009


Wikipedia - Institut für Hygiene und Umwelt

Gedenken an mehr als 50 ermordete Kinder - Die Welt 10.11.1999

Euthanasie-Opfer der Nazis - Beitrag NDR Fernsehen 29.05.2010

Hitler und das "lebensunwerte Leben" - Andreas Schlebach NDR 24.08.2009
©


Lisa Maria Huesmann, geb. 3.5.1940 im Kronprinzenkoog/Krs. Süderdithmarschen, Tod am 19.6.1943

Marckmannstraße 135, ehemalige Kinderklinik

Lisa Huesmann wurde in eine bäuerliche Familie im Kronprinzenkoog in Süderdithmarschen hinein geboren und erhielt als zweiten Vornamen den ihrer Großmutter Maria Feil. Die Eltern, Ferdinand August Ludolf Huesmann, geb. 3.3.1911, und Thea Elisabeth Huesmann, geb. Feil, geb. 1.1.1914, hatten bereits einen vier Jahre alten Sohn, Ludolf Max Ferdinand, als Lisa am 3.5.1940 zur Welt kam. Sie wurde in der evangelischen Kirche getauft. Lisa entwickelte sich zu einem entzückenden Kind mit langen blonden Locken und blauen Augen. Ihr Vater Ferdinand Huesmann wurde zur Wehrmacht eingezogen, Lisas Mutter führte den Betrieb nach der Einberufung ihres Mannes allein weiter. Im Frühjahr 1943 wurde Ferdinand Huesmann als vermisst gemeldet. Die letzte Nachricht von ihm überbrachte ein Kamerad aus einem Lazarett in Welikiye Luki an der Lowat im Westen der Sowjetunion.

Über Lisas Weg in die "Kinderfachabteilung" im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort ist nichts Sicheres bekannt. Lisa litt offenbar unter epileptischen Anfällen, als deren Ursache in der Familie eine Impfung gilt. Der sie behandelnde Arzt war Alphons Saure in Marne. Ob er oder der Amtsarzt Lisas Mutter veranlasste, ihr Kind zur Untersuchung in das Hamburger Kinderkrankenhaus Rothenburgsort zu bringen, ist nicht bekannt. Lisas Zustand gehörte zu den fünf auf den Meldebögen für den "Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingte schwerer Leiden" aufgelisteten meldepflichtigen Krankheiten. Wer Lisa dem Ausschuss in Berlin meldete, ob der Arzt, der die Einweisung in das Kinderkrankenhaus Rothenburgsort veranlasste, oder der dortige Chefarzt Wilhelm Bayer oder eine der Assistenzärztinnen, ist nicht bekannt. Bei ihrer Aufnahme im Kinderkrankenhauses Rothenburgsort kam sie auf die Kleinkinderstation. Wegen ihrer Arbeit auf dem Hof und der Entfernung nach Hamburg konnte Thea Huesmann ihre Tochter nicht in dem Maße besuchen, wie die Besuchszeiten es ermöglicht hätten. Ob sie jemals mit Wilhelm Bayer über Lisas Krankheit und deren "Behandlung" sprach, ist nicht bekannt. Die Mutter wurde Mitte Juni 1943 in das Kinderkrankenhaus gerufen, um von ihrer Tochter Abschied zu nehmen.

Gerade drei Jahre alt geworden, hatte Lisa von der Stationsärztin Ursula Petersen die tödliche Luminal-Spritze erhalten. Dabei assistierte ihr offenbar die Stationsschwester Margarethe Rieckmann, denn da sich die Kleinkinder gegen die schmerzhafte Injektion wehrten, wobei die Kanüle abzubrechen drohte, wurden sie in der Regel festgehalten. Aus Geheimhaltungsgründen war das ausschließlich Sache der jeweiligen Stationsschwester. In mindestens drei Fällen arbeiteten Ursula Petersen und Margarethe Rieckmann in dieser Weise zusammen. Lisa starb am späten Abend des 19. Juni 1943 an einer Lungenentzündung, die gezielt herbeigeführt worden war. Als Todesursache stand neben Epilepsie und Demenz als akute Ursache "Kreislaufschwäche" auf dem Totenschein. Von "Demenz" war in der Familie nie die Rede.

Thea Huesmann zeigte den Tod ihrer Tochter beim Standesamt Rothenburgsort an. Lisa wurde am 24. Juni 1943 im Familiengrab der Familie Huesmann auf dem Friedhof in Marne beerdigt. Der dritte Todesfall, der Thea Huesmann in demselben Jahr betraf, war der ihrer Mutter Maria Feil am 30. September.

Thea Huesmann ließ nach einem Foto ihrer Tochter eine Zeichnung anfertigen, die sie begleitete, bis sie 1992 starb. Sie hatte ein zweites Mal geheiratet und eine Tochter geboren, Ingeborg. Als das Familiengrab in Marne aufgegeben wurde, wurde Lisas Grabstein gesichert und beim Tod ihrer Mutter Thea auf das Familiengrab im Kronprinzenkoog versetzt. Lisa Huesmann ist bis heute in ihrer Familie sehr präsent. Eine Großnichte ist nach ihr benannt.

Stand Dezember 2015

© Hildegard Thevs mit Ingeborg Ahrens

Quellen: StaH 213-12 Staatsanwaltschaft Landgericht NSG, 0017-001 Bd. II, Bl. 117R; 0017-002, Bd. IV, Bl. 16R, Bl. 154R; 332-5 Standesämter, (StA 4b 404) 1187+404/1943; Friedhofsamt Marne; Foto und mündliche Mitteilungen von Angehörigen Juli/August 2015.

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