Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Elfriede Maaker * 1936

Marckmannstraße 135 (ehemalige Kinderklinik) (Hamburg-Mitte, Rothenburgsort)


ELFRIEDE MAAKER
GEB.19.7.1936
ERMORDET 30.6.1941

Weitere Stolpersteine in Marckmannstraße 135 (ehemalige Kinderklinik):
Andreas Ahlemann, Rita Ahrens, Ursula Bade, Hermann Beekhuis, Ute Conrad, Helga Deede, Jürgen Dobbert, Anneliese Drost, Siegfried Findelkind, Rolf Förster, Volker Grimm, Antje Hinrichs, Lisa Huesmann, Gundula Johns, Peter Löding, Angela Lucassen, Renate Müller, Werner Nohr, Harald Noll, Agnes Petersen, Renate Pöhls, Gebhard Pribbernow, Hannelore Scholz, Doris Schreiber, Ilse Angelika Schultz, Dagmar Schulz, Magdalene Schütte, Gretel Schwieger, Brunhild Stobbe, Hans Tammling, Peter Timm, Heinz Weidenhausen, Renate Wilken, Horst Willhöft

Kinderkrankenhaus Rothenburgsort

Im früheren Kinderkrankenhaus Rothenburgsort setzten die Nationalsozialisten ihr "Euthanasie-Programm" seit Anfang der 1940er Jahre um.
33 Namen hat Hildegard Thevs recherchieren können.

Eine Tafel am Gebäude erinnert seit 1999 an die mehr als 50 ermordeten Babys und Kinder:

In diesem Gebäude
wurden zwischen 1941 und 1945
mehr als 50 behinderte Kinder getötet.
Ein Gutachterausschuss stufte sie
als "unwertes Leben" ein und wies sie
zur Tötung in Kinderfachabteilungen ein.
Die Hamburger Gesundheitsverwaltung
war daran beteiligt.
Hamburger Amtsärzte überwachten
die Einweisung und Tötung der Kinder.
Ärzte des Kinderkrankenhauses
führten sie durch.
Keiner der Beteiligten
wurde dafür gerichtlich belangt.



Weitere Informationen im Internet unter:

35 Stolpersteine für Rothenburgsort – Hamburger Abendblatt 10.10.2009

Stolpersteine für ermordete Kinder – ND 10.10.2009

Stolpersteine gegen das Vergessen – Pressestelle des Senats 09.10.2009

Die toten Kinder von Rothenburgsort – Nordelbien.de 09.10.2009

35 Stolpersteine verlegt – Hamburg 1 mit Video 09.10.2009


Wikipedia - Institut für Hygiene und Umwelt

Gedenken an mehr als 50 ermordete Kinder - Die Welt 10.11.1999

Euthanasie-Opfer der Nazis - Beitrag NDR Fernsehen 29.05.2010

Hitler und das "lebensunwerte Leben" - Andreas Schlebach NDR 24.08.2009
©


Elfriede Maaker, geb. 17.7.1936 in Hamburg, ermordet 30.6.1941

Elfriede Maaker starb im Altonaer Kinderhospital. Dorthin wurden 80 Kinder, darunter Elfriede, verlegt, als in der Nacht zum 30. Juni 1941 das Kinderkrankenhaus in Rothenburgsort durch eine Sprengbombe beschädigt und daraufhin evakuiert wurde.

Elfriede wurde 1936 in eine Barmbeker Schneiderfamilie hinein geboren. Die Eltern ließen ihre Tochter in der evangelischen Kirche taufen. Wann sie erstmals in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, wissen wir nicht. 1941 war sie schon einmal im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort gewesen, wie aus einem Verweis in der vorliegenden Krankenakte hervorgeht. Die Einweisung 1941 erfolgte durch Wilhelm Roggenkämper mit der Diagnose "Hydrocephalus mit Krämpfen".

Wer Elfriede am 20. Mai 1941 in die Klinik brachte, ist nicht bekannt, ebenso wenig, wer schrieb, dass "Elfriede später nach Alsterdorf oder Bethel verlegt werden" sollte. Sie hatte zuvor vier Tage lang unentwegt geschrieen, selbst, als ihr starke Beruhigungsmittel verabreicht wurden. Die gegen die gelegentlich auftretenden Krämpfe eingesetzten Mittel hingegen zeigten Wirkung. Der Akte liegt ein Krampfkalender für die Zeit vom 22. Juni 1940 bis 24. Februar 1941 bei. Danach zeigte Elfriede an insgesamt zehn Tagen "Krampfbereitschaft", davon an zwei Tagen im Jahr 1941, und an diesen mehrfach.

Die aufnehmende Ärztin, Ingeborg Wetzel, schilderte Elfriede als ein viereinhalb-jähriges graziles Mädchen in schlechtem Allgemeinzustand mit hochgradigem Hydrocephalus – Wasserkopf –, der innerhalb von sechzehn Tagen um 4 cm Umfang zugenommen habe. Elfriede schlage unruhig mit den Armen hin und her, krampfe aber nicht. Sie weise beiderseits eine Brustdrüsenschwellung auf. Wetzels Diagnose lautete "Hochgradiger Hydrocephalus, Idiotie und Pubertas praecox (vorzeitige Pubertät)".

Gegen die Unruhe erhielt Elfriede einen aus verschiedenen Beruhigungsmitteln zusammengesetzten Saft. Am dritten Kliniktag wurde erst durch eine Lumbal-, dann durch eine Suboccipitalpunktion (s. o. Erläuterungen) versucht, Liquor (Nervenwasser) zu gewinnen, was aber misslang. Deshalb konnte keine Myelo- oder Encephalographie vorgenommen werden.

18 Tage nach Elfriedes Aufnahme wurde ein "Antrag für den ‚Reichsausschuss’" gestellt. Ob es sich um die erste Meldung oder um eine Rückmeldung mit den Ergebnissen der Beobachtung handelte, ist unklar. In jedem Fall zeugt dieser Vorgang davon, dass die auf drei Jahre festgesetzte Altersgrenze bereits nicht mehr strikt galt.

Nach der Meldung erschien eines Tages Hermann Sieveking, Leiter des Gesundheitsamtes Hamburg, pflichtgemäß bei Elfriede, um die Angaben an den "Reichsausschuss" zu überprüfen. Bei der Gelegenheit bestärkte er Ingeborg Wetzel in ihrem Glauben, dass die "Euthanasie" eine absolut sichere Rechtsgrundlage habe, wie sie bei ihrer Vernehmung 1948 aussagte.

Elfriede wurde zeitweise wieder unruhiger. Am 27. Juni 1941 erkrankte sie an einer Lungenentzündung und wurde nach einer vorübergehenden Unruhe schläfrig und bewusstlos. In diesem Zustand verabfolgte ihr Ingeborg Wetzel die tödliche Luminal-Injektion, wobei die Stationsschwester Gudrun Kasch das Mädchen festhielt.

Bei der durch einen Sprengbombeneinschlag auf dem benachbarten Verschiebebahnhof in der Nacht zum 30. Juni ausgelösten Beschädigung des Krankenhauses wurde Elfriede am Kopf getroffen und erlitt eine ca. 5 cm lange Schnittwunde. Sterbend wurde sie in das Kinderhospital Tresckowallee (heutiges Altonaer Kinderkrankenhaus Bleickenallee) verlegt. Der dortige Arzt schrieb im Aufnahmebefund, Elfriede sei nicht mehr ansprechbar, und nach Aussagen der Mutter, die ihre Tochter offenbar begleitet hatte, habe sie im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort schon seit zwei Tagen bewusstlos gelegen. Er vermerkte die blutende Risswunde auf der rechten Wange sowie Blut im linken Gehörgang als Ausdruck eines Schädelbasisbruchs. Elfriedes Puls sei noch zu fühlen. Kurze Zeit darauf starb sie. Sie wurde fünf Jahre alt. Der Eintrag im Sterberegister erfolgte am 3. Juli 1941 aufgrund der Anzeige durch das Kinderhospital.

Wegen der fehlenden Akten lässt sich keine zuverlässige Aussage über die Ursache von Elfriedes Behinderung machen. Aber eine genetische Erkrankung ist äußerst unwahrscheinlich. Elfriede wurde getötet, obwohl ihr Leiden nicht zu den meldepflichtigen gehörte, die der "Reichsausschuss" aufgelistet hatte.

© Hildegard Thevs

Quellen: StaH 213-12 Staatsanwaltschaft Landgericht – NSG, 0017/001, 002 ; 332-5 Stan­desämter, 5105+799/1941; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Abl. 2000/1, 63 UA 9; freundliche Mitteilung von Dr. Thomas Brinkmann, AKK, E-Mail 16.6.2010.

druckansicht  / Seitenanfang