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Bereits verlegte Stolpersteine



Sophie Mehrgut * 1880

Woldsenweg 8 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

1941 Lodz
ermordet 12.05.1942

Weitere Stolpersteine in Woldsenweg 8:
Kurt Georg Mehrgut, Wolf Willy Mehrgut

Sophie Mehrgut, geb. am 18.4.1880 in Hamburg, am 25.10.1941 nach "Litzmannstadt"/Lodz deportiert und am 12.5.1942 ermordet

Woldsenweg 8

Sophie Mehrgut hat in Hamburg kaum Spuren hinterlassen. Alles, was wir über ihr Leben wissen, findet sich in einer Akte des Wohlfahrtsamtes, denn Anfang 1932 musste die alleinstehende Frau Fürsorgeunterstützung beantragen. Sophie Mehrgut war ledig und hatte, bevor sie arbeitslos wurde, als Gesellschafterin bzw. Hausdame gearbeitet. Nun war ihre Arbeitslosenunterstützung ausgelaufen, und sie ohne Krankenversicherung. Wie die Akte vermerkt, konnten ihre Geschwister sie finanziell nicht unterstützen.

Sophie war die vierte Tochter des "Lotteriecollecteurs" (Lotterielosverkäufers) Samuel (Sally) Mehrgut (geb. 7.2.1852 in Ronshausen, Hessen) und der Näherin Ester, genannt Elise (geb. 4.2.1844 in Grohnde). 1875 war das älteste Kind, Flora, geboren worden, 1877 Selma und 1878 Zerline. Kurz nach Zerlines Geburt hatten die Eltern geheiratet, nachdem Elise schon 1873 von ihrem ersten Ehemann Marcus Hecht geschieden worden war. Ein Sohn, Wolf Willy, kam am 3. September 1883 zur Welt. Sally hatte wohl parallel zu seinem Lotteriegeschäft eine Möbelfabrikation aufgebaut, denn in Wolf Willys Geburtseintrag wurde "Möbelfabrikant" als sein Beruf angegeben. Das Hamburger Adressbuch verzeichnete den Eintrag "Möbel und Decoration" ab 1887. Firma und Wohnung der Familie befanden sich in der Paulstraße.

Im Januar 1885 starb Elise Mehrgut im Alter von nur 40 Jahren und ließ ihren Mann mit fünf kleinen Kindern zurück. Ein halbes Jahr später hatte dieser eine neue Frau gefunden, die 31-jährige Scheintje (Jeanette) Mindus aus dem ostfriesischen Jengum. Weitere Kinder wurden geboren: Rudolf am 20.6.1886, Bertha am 5.8.1888, und schließlich Mary am 22.11.1890. Bertha starb schon 1889, nur neun Monate alt. Zerline , "ledig, und ohne Gewerbe", lebte bei den Eltern, als sie 1899 mit 21 Jahren starb. Die anderen Geschwister waren 1932, als Sophie den Fürsorgeantrag stellte, alle verheiratet und hatten Kinder. Sophies Vater Samuel Mehrgut war 1913, ihre Stiefmutter Scheintje 1931 gestorben. Sie sind auf dem Jüdischen Friedhof in Ohlsdorf begraben, ebenso wie Elise, Zerline und Rudolf.

Über Sophie hieß es in dem Antrag: "Früher Hausdame, geht regelmäßig zum Stempeln. Sie ist sehr arbeitswillig, wird aber wegen zu fortgeschrittenen Alters schwerlich ein Engagement finden. Guter Eindruck ... Wohnt sehr beengt in einem kleinen Zimmer, hat aber Annehmlichkeit von Zentralheizung ... Angeblich ißt sie öfters bei Bekannten und den Schwestern. U.(nterstützung) von 9 RM (Reichsmark) weiterhin erforderlich."

Sophie Mehrgut scheint doch wieder eine Anstellung gefunden zu haben. Sie war als Pflegerin in verschiedenen Privathaushalten tätig, und wie schon früher wohnte sie bei ihren Arbeitgebern in deren Wohnung.1938 wurde sie jedoch erneut arbeitslos. Zu der Zeit waren viele jüdische Familien bereits geflohen, und die verbliebenen konnten sich keine Privatpflege leisten.

Sophie lebte 1938 im Jüdischen Mädchenheim in der Innocentiastraße 21. Im April 1939 zog sie in ein Wohnstift der Oppenheimer`s Stiftung in der Kielortallee 22 und bewohnte " bei Dambitsch" für 3 Reichsmark monatlich ein Zimmer. Dort erhielt sie im Oktober 1941 den Deportationsbefehl ins Getto "Litzmannstadt", wo sie sieben Monate später umkam.

Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass Sophie Mehrgut jemals im Woldsenweg, wo ein Stolperstein an sie erinnert, gelebt hat. Da sie aber wahrscheinlich nie eine eigene Wohnung hatte, soll der Stein neben den Stolpersteinen für ihren Bruder und ihren Neffen verbleiben.

Das Schicksal der anderen Familienangehörigen:
Sophies Schwester Flora lebte mit ihrem Mann Leiser Süsskind im Jüdischen Altersheim in der Sedanstraße. Beide wurden später nach Theresienstadt deportiert und kamen dort um (s. www.stolpersteine-hamburg.de).

Selma, die den Kaufmann Hugo Ehrenberg geheiratet hatte, konnte 1934 mit ihrem Mann in die USA fliehen. Sie starb 1942 in Manhattan.

Wolf Willy hatte 1937 in den Niederlanden Zuflucht gesucht. Er wurde 1943 im Sammellager Westerbork inhaftiert und im Januar 1944 nach Bergen-Belsen deportiert, wo er am 25. Februar 1945 starb. Seine Frau Gertrud, geb. Badt, und die beiden Töchter Lola und Felicitas retteten sich nach England. Der Sohn Kurt Georg wurde im Juni 1941 aus den Niederlanden ins österreichische Konzentrationslager Mauthausen verschleppt und im September 1941 ermordet.

Rudolf Mehrgut lebte in Hamburg, war aber krank, völlig verarmt und von Wohlfahrtsunterstützung abhängig. In den 1920er Jahren hatte er zusammen mit seinem Halbbruder Wolf Willy die Möbelfabrik seines Vaters weitergeführt. Seine Frau Alice, geb. Cohen, und seine Tochter Ruth gelangten im Februar 1939 mit Dienstbotenvisa nach England, der Sohn Heinz Sigurd erreichte England mit einem Kindertransport. Rudolf starb im Dezember 1941 im Alters- und Pflegeheim des jüdischen Religionsverbandes Hamburg in der Grünestraße 5 in Altona. Der Krankenpfleger Max Lefebre (s.www.stolpersteine-hamburg.de) zeigte seinen Tod an.

Sophies Halbschwester Mary hatte 1911 den Kaufmann Bernhard Goslar geheiratet. Ein Jahr später wurde die Tochter Ruth geboren. Familie Goslar zog 1933 nach Frankfurt am Main und flüchtete von dort aus nach Frankreich. Alle drei wurden im Lager Gurs interniert. Mary durchlitt noch weitere Lager, bevor sie untertauchen konnte und in einem Versteck überlebte. Sie starb 1963 in den USA. Ihr Mann wurde im März 1943 über das französische Durchgangslager Drancy ins Konzentrationslager Majdanek im besetzten Polen deportiert. Die Tochter Ruth wurde 1942 in Auschwitz ermordet.

Stand: November 2017
© Sabine Brunotte

Quellen: 1; 5; StaH 351-11_19491; StaH 351-11_43255; StaH 351-11_12893; StaH 332-5_2590; StaH 332-5_1904; StaH 332-5_ 1932; StaH 332-5_1977; StaH 332-5_2046; StaH 332-5_169;
StaH 332-5_ 2676; StaH 332-5_2117; StaH 332-5_ 2167; StaH 332-5_253; StaH 332- 5_2221;
StaH 332-5_444; StaH 332-5_8016; StaH 332-5_980; StaH 332-5_2904; StaH 332-5_5426;
www.ancestry.de, Passagierlisten "SS Ile de France" 19.9.1934, eingesehen am 27.10.2017; Hamburger Adressbücher 1883 bis 1887, 1938, online eingesehen unter http://agora.sub.uni-hamburg.de/subhh-adress/digbib/start am 29.10.2017; Schriftliche Auskunft Mémorial de la Shoah Paris vom 28.9.2017.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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