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Bereits verlegte Stolpersteine



Dr. Manfred Horowitz * 1880

Lenhartzstraße 7 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

gedemütigt entrechtet
Flucht in den Tod 14.11.1937

Siehe auch:

Weitere Stolpersteine in Lenhartzstraße 7:
Dr. Bernhard Aronsohn, Ida Aronsohn, Henriette Hirsch

Dr. jur. Manfred Horowitz, geb. am 15.1.1880 in Hamburg, Freitod am 14.11.1937 in Hamburg

Axel-Springer-Platz 3 (Kaiser-Wilhelm-Straße 23/31)
Lenhartzstraße 7 (Hamburg-Eppendorf)

Der Rechtsanwalt Manfred Horowitz und sein Bruder Edwin (geb. 6.6.1881) waren in der Glashüttenstraße 116 im heutigen Karolinenviertel zur Welt gekommen und stammten aus einer jüdischen Familie. Der jüngere Felix (geb. 18.6.1884) wurde nach einem Umzug in die Kielerstraße 77 geboren. Ihr Vater Léon Horowitz, eigentlich hieß er Aron Hurwitz, war Inhaber einer Papier- und Tütenfabrik in der Straße Bei der Kleinen Michaelisstraße 26. Nach einem Umzug in die Deichstraße 54 wurde aus der Fabrik eine Großhandlung, erweitert um eine Buch- und Steindruckerei. 1912 wohnte Familie Horowitz im Loogestieg 10. Nach dem Tod des Vaters am 24. Juli 1925 und dessen Gesellschafters Martin Mortensen übernahm Manfreds Bruder Felix die väterliche Firma, die bereits 1875 gegründet worden war. Die Mutter Henriette, geb. Prager (geb. 14.9.1839), eine Lehrerstochter, war bereits am 12. Oktober 1919 verstorben.

Manfred Horowitz besuchte von 1886 bis 1889 die "Stiftungsschule von 1815" am Zeughausmarkt 32 (später Anton-Rée-Realschule, heute Anna-Siemens-Gewerbeschule). Ursprünglich von reformierten Hamburger Juden als Armenschule gegründet, nahm die Schule seit 1859 auch christliche Schüler auf. Nach bestandenem Abitur am Christianeum in Altona, studierte Manfred Horowitz Rechtswissenschaft in München, Berlin und Kiel, wo er im November 1901 seine Erste juristische Prüfung bestand. Nach seiner Promotion zum Doktor der Rechte in Rostock, legte er seine Zweite juristische Prüfung vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht ab. Am 28. April 1905 ließ er sich als Rechtsanwalt in Hamburg nieder. Seine gutgehende Kanzlei in der Kaiser-Wilhelm-Straße 23–31 im "Rosenhof" betrieb er in einer Sozietät mit Hans Heymann (geb. 7.2.1881, gest. 13.12.1948).

Am 26. November 1915 heiratete er die nichtjüdische Ingeborg Pflittner, geboren am 27. März 1893 in Hamburg. Anfang 1918 trat Manfred Horowitz aus der Jüdischen Gemeinde aus. Kulturell und politisch betätigte er sich, als er ein Jahr später, im Januar 1919, den Vorsitz der eben gegründeten Volksbühne Hamburg übernahm und von März bis Juni kurzzeitig SPD-Abgeordneter in der Hamburger Bürgerschaft und Mitglied der Steuerdeputation wurde.

Als nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten den jüdischen Rechtsanwälten am 7. April 1933 per Gesetz die Zulassung entzogen werden konnte, gehörte Manfred Horowitz zu denjenigen, die zunächst noch weiter tätig sein konnten, da er bereits vor 1914 als Rechtsanwalt zugelassen worden war und am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte. Doch mit den auferlegten Beschränkungen durch die antijüdischen Gesetze und Verordnungen ging das Auftragsvolumen der Kanzlei stark zurück.

Um seine Ehefrau Ingeborg und seine 1929 geborene Tochter Eva nicht zu gefährden, ließ er sich im Dezember 1936 scheiden. Zuvor hatte er seiner Frau noch das Haus in der Parkallee 10 überschrieben.

Kurz darauf wurde Manfred Horowitz von der Gestapo verhaftet. Jemand, der ihn angeblich mit einer nichtjüdischen Frau auf der Straße gesehen hatte, hatte ihn denunziert. Der Verdacht der "Rassenschande" stellte sich aber als unbegründet heraus. Manfred Horowitz wurde am 23. Dezember 1936 aus der Polizeihaft entlassen, allerdings sollte er Deutschland unverzüglich verlassen.

Ingeborg Pflittner, die ihren Geburtsnamen wieder angenommen hatte, unterstützte ihren geschiedenen Ehemann bei seinen Auswanderungsvorbereitungen. Sein Sozius Hans Heymann war bereits im April 1936 nach Großbritannien ausgewandert. Im Januar 1937 emigrierte Manfred Horowitz in die USA. In New York, seiner "neuen Heimat", konnte er jedoch keine angemessene Beschäftigung finden und wohl auch aus Heimweh und Sehnsucht nach seiner Familie kehrte er am 5. Juli 1937 nach Hamburg zurück. Er versuchte, sich wieder als Anwalt zu betätigen und wohnte seit dem 1. August 1937 zur Untermiete im Loogestieg 7. Als er erneut aufgefordert wurde, das Deutsche Reich bis zum 18. November 1937 zu verlassen, nahm er sich am 14. November 1937 mit einer Überdosis Tabletten das Leben.

Bei der polizeilichen Untersuchung gab seine Zimmerwirtin Elisabeth Kuhn (geb. 1895) zu Protokoll: "Gestern Abend gegen 20 Uhr habe ich ihm noch Tee in sein Zimmer gebracht, und er erzählte mir, dass er heute zu einer Trauung gehen wollte. Da nun Dr. Horowitz gegen 11 Uhr noch nicht auf war, klopfte ich an seiner Zimmertür, aber er meldete sich nicht."

Der herbeigerufene Distriktsarzt Maltrecht stellte den Tod durch Vergiftung fest. Im Papierkorb seines Zimmers befanden sich verschiedene zerbrochene Gläser und eine Pille, auf dem Schreibtisch noch ein Trinkglas und ein leeres Fläschchen, daneben lag ein Brief an seine geschiedene Frau, die mittlerweile mit ihrer Tochter in Berlin-Grunewald lebte: "Liebe Mutti, ich kann ohne Dich und Evi nicht leben. Nun lebe wohl. Ich danke Dir herzlich dafür, dass Du mein Leben mit Schönheit angefüllt hast und dass Du mir Evi geschenkt hast, den Gipfel aller Wonne. Küsse sie von mir, wie ich Dich küsse. Dein Mani."

Außerdem ein Zettel, gerichtet an seine Zimmerwirtin:
"Liebe Frau Kuhn. Ich danke Ihnen herzlich für alle Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit. Ich glaube, Sie können es mir nachfühlen, dass ich mich nicht von Mutti und Evi trennen kann. Ihr Manfred Horowitz."

Sein Bruder, der Kaufmann Edwin Horowitz, lebte mit seiner Ehefrau Betty, geb. Schlu (geb. 9.9.1889), in einer "Mischehe", die kinderlos geblieben war. Auch er wählte den Freitod. Zwei Jahre später, am 14. September 1939, vergiftete er sich mit einer Überdosis Schlaftabletten.

Felix Horowitz, dem jüngsten Bruder, gelang es, mit seiner Ehefrau im September 1939 in die USA zu emigrieren.

Der Stolperstein am Axel-Springer-Platz erinnert an Manfred Horowitz als Rechtsanwalt. Ein weiterer Stolperstein wurde an seinem ehemaligen Wohnort in der Lenhartzstraße 7 verlegt. Für Edwin Horowitz wurde ein Stolperstein am Loogestieg 10 verlegt (s. Stolpersteine in Hamburg-Eppendorf und Hamburg-Hoheluft-Ost).


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 351-11 AfW Abl. 2008/1, 10429 Horowitz, Eva; StaH 314-15 OFP, F 1120; StaH 331-5 Polizeibehörde - Unnatürliche Sterbefälle 1938/483; StaH 331-5 Polizeibehörde – Unnatürliche Sterbefälle 1939/1841; StaH Bürgerschafts-Mitglieder 1859-1959, Handschrift DCI (601); StaH 231-7 Amtsgericht Hamburg, Abteilung für das Handelsregister B 1955-327; StaH 332-5 Standesämter 1974 u 400/1880; StaH 332-5 Standesämter 8707 u 448/1915; StaH 332-5 Standesämter 6987 u 1136/1919; StaH 332-5 Standesämter 9888 u 754/1937; StaH 332-5 Standesämter 3349 u 790/1919; StaH 332-5 Standesämter 8163 u 374/1939; StaH 720-1, 211-2, 5_43; StaH 241-2, P 1747; Morisse: Jüdische Rechtsanwälte, S. 136; Batz: Bitte nicht Wecken!, S. 327; Hamburger Börsenfirmen, 1923, S. 492; Schult: Arbeiterbewegung, S. 103; diverse Hamburger Adressbücher.

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