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Alice Vorwahlner (geborene Deutsch) * 1888

Loogestieg 12 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

1942 Theresienstadt
ermordet am 15.8.1943

Alice Vorwahlner, geb. Deutsch, geb. 7.8.1888 in Wien, am 19.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, dort am 15.8.1943 gestorben

Loogestieg 12

Alice wuchs als Tochter von Julius und Hermine Deutsch in Wien im katholischen Glauben auf. Dort besuchte sie die Höhere Schule Mariahilf. Nach Ablegung der Reifeprüfung ließ sie sich am Wiener Konservatorium zur Konzertpianistin ausbilden und gab viel beachtete Konzerte. Sie wurde von Franz Lehar beschäftigt, spielte in all seinen Operetten Klavier und gewann die Franz-Lehar-Medaille. Sie heiratete den Hofopernsänger Karl Josef Johan Vorwahlner-Reichwald, geboren 12. Dezember 1889, und begleitete ihn und andere Opern- und Operettensänger als Pianistin in Konzerten. Ihr Hauptwohnsitz war bis zum 28. Februar 1921 in Wien, Starhemberggasse 7/28. Ihr Sohn Walter August Wilhelm wurde am 20. Mai 1916 in Tegernsee geboren, vermutlich auf einer Konzertreise.

1921 trennte sich das Ehepaar Vorwahlner; offiziell geschieden wurde die Ehe erst 1931. Im Jahre 1921 war ihr Mann krankheitsbedingt in der Wiener "Landesanstalt Am Steinhof" und verzog im September desselben Jahres nach Berlin.

Alice Vorwahlner zog spätestens 1926 mit ihrem Sohn nach Hamburg, zunächst in die Eimsbütteler Straße 42, am 5. August 1926 in den Loogestieg 12 in eine Dreieinhalbzimmerwohnung. Sie war als gefragte Gesangslehrerin tätig und veranstaltete mit ihren Schülerinnen und Schülern erfolgreiche Konzerte. Ihre Schülerinnen Rose Adler und Vera Schwarz wurden bekannte Sängerinnen an der Hamburger Oper. Alice Vorwahlner hatte bis 1933 ständig etwa 30 Schülerinnen und Schüler, die je nach Begabung und wirtschaftlicher Lage zwischen 10 und 25 RM je Unterrichtsstunde zahlten. Ihr Jahreseinkommen wurde zwischen 1931 und 1933 auf 25.000 bis 30.000 RM geschätzt.

Seit 1934 ging die Schülerzahl rapide zurück, weil die nichtjüdischen Schülerinnen und Schüler dem Unterricht fernblieben und die jüdischen nach und nach auswanderten. Die antijüdischen Gesetze der Reichskulturkammer machten eine weitere Berufstätigkeit unmöglich, und spätestens nach dem 9. November 1938 war Frau Vorwahlner gezwungen, ihren Beruf ganz aufzugeben.

Am 11. März 1940 wurde eine "Sicherungsanordnung" verfügt. Die von Frau Vorwahlner benötigten Ausgaben wurden vom Oberfinanzpräsidium um 10 auf 300 RM reduziert. In jener Zeit lief ein Devisenverfahren gegen sie, da sie einen Betrag von 4.250 RM ohne die erforderliche Genehmigung an die Firma W. Schenk & Co. abgetreten hatte. Damit wurde die Abtretung nichtig und das Guthaben bis auf 50 RM beschlagnahmt.

Aus einigen überlieferten Briefen an ihren Anwalt Walter Wulff geht hervor, dass von der Zollfahndungsstelle auch eine ihr zustehende Erbschaft eingezogen worden war. Frau Vorwahlner kämpfte mit dem Mut der Verzweiflung um ihr Kapital, musste aber letztlich scheitern. Am 15. September 1939 bat sie ihren Anwalt wiederum um Hilfe: "…Lediglich auf Ihre Intervention baue ich jetzt meine Hoffnung… Nehmen Sie sich bitte meiner an, eines Menschen, dem nach dem Verlust des geisteskranken Mannes, des Berufs, und jetzt auch noch des in England weilenden einzigen Sohnes nichts mehr geblieben ist, als ein trostloses Ausharren". Gleichwohl blieben alle Versuche erfolglos und am 17. Juli 1942 wurde ihr gesamtes Vermögen eingezogen.

Alice Vorwahlner wurde am 19. Juli 1942 mit dem Transport VII/2 unter der Nummer 761 nach Theresienstadt deportiert. Ihre dortige Adresse lautete Parkstraße. 12/ L514. Vom jüdischen Arzt im Getto Theresienstadt wurde als Todesursache eine Blutvergiftung aufgrund eines Abszesses am Rücken angegeben. Sie starb am 15. August 1943.

Ihr Sohn Walter August Wilhelm Vorwahlner besuchte von 1926 bis Dezember 1935 das Wilhelm-Gymnasium in Hamburg und machte nach dem Abschluss eine kaufmännische Ausbildung. 1938 emigrierte er in die Schweiz, von dort mit einem Trainervisum des britischen Generalkonsulats weiter nach England. Im Mai 1940 wurde er interniert und nach Kanada verschifft. 1941 kehrte er nach England zurück, wo er bis 1946 in der britischen Armee diente.

Später wanderte er nach Kampala/Uganda aus, wo er als Kolonialbeamter und Schuldirektor einer Handelsschule tätig war. Seinen Namen änderte er in Walter John Bentley.

In einer von ihm 1963 als Alleinerbe beantragten Entschädigung wurde seine Mutter in eine Beamtengruppe des gehobenen Dienstes eingestuft. Mithilfe eidesstattlicher Erklärungen ehemaliger Schüler und Schülerinnen wurde der Antrag positiv beschieden.

© Ulrike Graubner

Quellen: 1; 2; 3; 5; 7; StaH 332-8 Meldewesen A51/1; StaH 621-1/87 Firma W.Wulff, 65/1939; StaH 314-15 OFP, R 1940/194; AfW 200516; Schriftliche Mitteilung Wiener Stadt- und Landesarchiv, Frau Dr. Ma-Kircher, MA8-B-AW3951/2010; Herzig/Rohde (Hrsg.), Die Juden, 1991.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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