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Bereits verlegte Stolpersteine



Recha Lübke * 1880

Isestraße 21 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1942 Theresienstadt
weiterdeportiert 1944 ???

Siehe auch:

    Weitere Stolpersteine in Isestraße 21:
    Magda Levy, Sabine Levy, Carl Richard Sohn, Martha Sohn, Vilma Lore Sohn, Elsa Sprei, Mary Stern, Julchen Tobias, Julia Weber

    Recha Lübke, geb. 6.3.1880, am 19.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, am 9.10.1944 weiter deportiert nach Auschwitz und dort ermordet

    Hermann J. Mayer ließ den Stolperstein für seine Tante verlegen. Er schrieb: "meine sel. Mutter Hedwig Mayer-Luebke stammte aus Hamburg. Sie ist leider bereits 1923, als ich 8 Jahre alt war, in Berlin verstorben … Nach ihrem Tode bin ich 2 Jahre (bis mein Vater wieder heiratete) bei meiner Tante RECHA LUEBKE gross geworden und habe die Talmud Tora Schule besucht. Wir wohnten in der Isestraße 21 …" Dort wohnte zu dieser Zeit auch noch Recha Lübkes verwitwete Mutter.

    Recha Lübke war Lehrerin. Von 1901 bis 1934 gehörte sie dem Kollegium der staatlichen Mädchenschule Rosenallee 11 an. Mitten im Ersten Weltkrieg wurde ihr eine Stellung als Leiterin eines jüdischen Waisenhauses angeboten. Hierfür schrieb ihr der Rektor ihrer Schule, A. Pfau, ein Zeugnis: "Frl. Recha Lübke ist seit dem 1. Oktober 1901 an der Volksschule für Mädchen Rosenallee 11 tätig. Während dieser Zeit hat sie sich stets ausgezeichnet durch ihre Pflichttreue. In den 16 Jahren ihrer Wirksamkeit hat sie nicht ein einziges Mal gefehlt. Pünktlich u. wohl vorbereitet ist sie stets zur Stelle gewesen u. alle ihr aufgetragenen Arbeiten hat sie stets willig und zur grössten Zufriedenheit erledigt.

    Dazu kommt ihr erfolgreiches unterrichtliches u. erzieherisches Wirken. Frl. Lübke hat ihre jetzige Kinderschar, 12–13 jährige Mädchen – seit deren Schuleintritt unter ihrer Obhut, u. ich muss gestehen, dass die Klasse sich nicht nur in der Schrift, in Deutsch, Rechnen u. Handarbeiten auszeichnet u. abhebt, sondern auch in ihrem Äussern, in ihrem Auftreten u. Verhalten. Besonders möchte ich noch hinweisen auf Frl. Lübkes Befähigung und Neigung, Neues einzurichten u. übersichtlich zu ordnen. Seit Kriegsbeginn untersteht die hier eingerichtete Schulspeisung ihrer Leitung, u. täglich ist Frl. L. auf ihrem Posten u. alles geht ohne Störung vor sich. Frl. Lübke gehört zu den Lehrkräften, die der Schule ihr Gepräge gegeben haben."

    Für ihren besonderen Einsatz in der Heimat während des Ersten Weltkriegs wurde Recha Lübke ein Verdienstkreuz verliehen.

    So, wie sie sich in der Schule einsetzte und sich ganz selbstverständlich um den kleinen Neffen kümmerte, engagierte sich Recha Lübke auch im Rahmen der Jüdischen Gemeinde. Sie war Mitglied des Repräsentanten-Kollegiums der Deutsch-Israelitischen Gemeinde und wurde im März 1921 in das Jugendamt gewählt.

    Vielleicht bewahrte sie die Auszeichnung im Ersten Weltkrieg 1933 vor der sofortigen Entlassung. Aber am 30. Juni 1934 wurde sie mit 54 Jahren aufgrund des § 6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entlassen. Noch einmal erhielt sie ein ausgezeichnetes Zeugnis: "Frau Lübke hat in diesen [33 Dienst] Jahren auf allen Stufen mit gutem Erfolg unterrichtet. Und wiederholt Klassen von der 8. bis zur 1. Klasse durchgeführt … Etwa 25 Jahre widmete sie sich mit besonderem Interesse der Erholungsfürsorge unserer Schülerinnen, auch leitete sie die Milchspeisung. Neben ihrer unterrichtlichen Tätigkeit widmete sich Frau L. mit besonderem Erfolg der Erziehung ihrer Schülerinnen, hielt sie in straffer Zucht und war für ihr Fortkommen, auch noch über deren Schulzeit hinaus, stets sehr besorgt."

    Jörn Hass, dessen Mutter, Ella Teves, von 1911 bis 1919 Schülerin von Recha Lübke war, berichtet, seine Mutter habe bis an ihr Lebensende die Erinnerung an die geliebte und verehrte Lehrerin wachgehalten.

    Der spätere nationalsozialistische Schulsenator Karl Julius Witt war zwölf Jahre lang in der Rosenallee ihr Kollege gewesen. Auf seine Hilfe hoffte sie, als sie 1939 den Versuch unternahm, nach Palästina auszuwandern. Das konnte nur gelingen, wenn sichergestellt war, dass ihre Pension in das britische Mandatsgebiet überwiesen wurde und ihr Lebensunterhalt somit gesichert war. Ende Juli 1939 zeichnete sich eine entsprechende Regelung ab. Allerdings benötigte Recha Lübke noch Zeit, um ihre Wohnung aufzulösen und den Umzug zu organisieren. Unterdessen begann der Zweite Weltkrieg und an eine Einwanderung in britisches Gebiet war nicht mehr zu denken.

    Seit ihrer Entlassung aus dem Schuldienst betreute sie die älteren Bewohnerinnen des Frauen-Wohnheims des Israelitischen Humanitären Frauenvereins in der Innocentiastraße. Das blieb weiterhin ihre Hauptaufgabe. Sich selbst bezeichnete sie als "Vice" des Heimes. Als das Wohnheim im Februar 1942 zwangsweise aufgegeben werden musste, wurde sie für die ordnungsgemäße Übergabe des Hauses verantwortlich gemacht.

    Der Deportationsbefehl nach Theresienstadt erreichte sie am 19. Juli 1942 im Kleinen Schäferkamp 32. Sie hatte also zuvor aus der Isestraße in ein "Judenhaus" umziehen müssen. Von dort wurde sie nach Theresienstadt deportiert. Aus Theresienstadt berichtete sie, dass sie trotz ihrer 64 Jahre einen Posten in der "Krankenkartei" habe. Sie richtete auf dieser Karte auch Grüße an die Familie Anker aus. Otto Anker wohnte mit seiner nichtjüdischen Frau und deren Schwester im Parterre der Isestraße 21. Er und Inge Pein, Kind aus einer Mischehe, sind die einzigen "Nichtarier" von denen wir wissen, dass sie nicht aus der Isestraße deportiert wurden und das Ende des Krieges im eigenen Zuhause erlebten.

    Recha Lübke wurde am 19. Oktober 1944 weiter nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

    Ein zweiter Stolperstein für Recha Lübke liegt vor der Schule Rosenallee.

    © Christa Fladhammer

    Quellen: 1; 2; Hermann J. Mayer, Jerusalem, an Peter Hess, 17.6.2004; StaH, 522-1, 992 q Gemeindegrundstücke 43: Innocentiastraße 19/21 und Abl.1993, Ordner 15: Postkarten aus Theresienstadt; Ina Lorenz, Die Juden in Hamburg zur Zeit der Weimarer Republik, Hamburg 1987; Der lachende Drache, Stadt­teilzeitung für St. Georg, 21. Jg. Nr. 212, 5/2007 S. 8; Wilhelm Mosel, www.uni-uni-hamburg.de/rz3a035; mündliche Auskunft von Jörn Hass, Hamburg, am 19.8.2009.
    Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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