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Ernst Wenkel * 1901

Vereinsstraße 39 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
ERNST WENKEL
JG. 1901
VERHAFTET 1938
KZ FUHLSBÜTTEL
SACHSENHAUSEN
ERMORDET 16.12.1939

Ernst Peter Gustav Olof Wenkel, geb. am 8.8.1901 in Altona, gestorben am 16.12.1939 im KZ Sachsenhausen

Vereinsstraße 39

"An die Kriminalpolizei Hamburg
Im Hause Vereinsstr. 39 II bei Merten wohnt ein Mensch den die Frau Merten schon seit vorigem Jahr versteckt hält. Sein Name ist Henkel od. Senkel; die Kinder zu denen er in frdl. Weise nett ist nennen ihn Onkel Ernst. Jedenfalls stimmt da etwas nicht […] Bitte nehmen Sie sich der Sache einmal an.
Mit deutschem Gruß Frau Schumann"

Aufgrund dieses im Oktober 1939 geschriebenen Denunziationsschreibens, das fälschlich den Namen einer früheren Bewohnerin trug und deren eigentlicher Urheber nicht identifiziert werden konnte, sowie einer weiteren "vertraulichen" Mitteilung wegen einer möglichen "Fahnenflucht" an die Gestapo, kamen die nationalsozialistischen Machthaber auf die Spur von Ernst Wenkel. Dieser hatte sich aus Angst, in ein Konzentrationslager überführt zu werden, bei der Familie des Konditors Georg Maerten und dessen Ehefrau Magdalene, geb. Haufe, sowie deren drei Kindern versteckt gehalten.

Er kam 1901 in Altona als Sohn des Seemanns Hermann Wenkel und der Kristina, geb. Petersdotter, zur Welt. Nach dem Besuch der dortigen Volksschule, die er mit 14 Jahren beendete, erlernte er in zwei Jahren auf einer Handelsschule den Beruf des Kaufmanns. Als kaufmännischer Angestellter hatte er bis 1933 verschiedene Stellungen inne, bis er arbeitslos wurde. Ernst Wenkel beschrieb sich später gegenüber der Polizei als bisexuell, der seit 1920 auch Kontakte zu Männern suchte. 1928 begann er mit dem 25 Jahre älteren Kaufmann Max Mendel (geb. 1876, gest. 1939 KZ Sachsenhausen, Stolperstein in der Eimsbütteler Meißner­traße 17a) eine längere homosexuelle Beziehung und wurde in dieser Zeit auch finanziell von ihm unterstützt.

1929 und 1930 kam er erstmals mit dem Gesetz in Konflikt, als er mit dem mit ihm befreundeten Schauspieler an der Volksoper und Rundfunksprecher bei der NORAG, Walter Breiholdt (geb. 1900, zu Ende 1945 nach Kriegseinsatz für tot erklärt), homosexuelle und sadomasochistische Phantasien ausübte. Zu diesem Zweck hatten sich beide in zwei Fällen gegenüber Schuljungen als Polizisten bzw. Jugendamtsmitarbeiter ausgegeben und diese bei angeblichen Straftaten, u. a. Äpfelstehlen, erwischt und daraufhin vor die Alternative, zur Polizei zu gehen oder eine Tracht Prügel zu erhalten, gestellt. Ernst Wenkel und Walter Breiholdt wurden dafür 1929 zu jeweils sechs Monaten Gefängnis nach § 176 in Tateinheit mit Körperverletzung verurteilt, der Versuch einer vergleichbaren Tat 1930 wurde mit einer Zusatzstrafe wegen Amtsanmaßung und Beleidigung von einem Monat geahndet. Ernst Wenkel beschrieb sich vor Gericht als leicht beeinflussbar und durch die von Walter Breiholdt ausgeliehenen Bücher zum Thema Erziehung und Prügelstrafe zu den Taten animiert.

Von seinem Verhältnis mit Max Mendel erfuhr die Altonaer Polizei im Jahre 1936 und Ernst Wenkel wurde daraufhin am 27. August 1936 in das dortige Gerichtsgefängnis eingeliefert. Nach einem Verfahren vor dem Schöffengericht Altona wurden er und sein Partner nach § 175 verurteilt. Beide Männer erhielten jeweils eine Gefängnisstrafe von fünf Monaten. Der Umstand, dass Ernst Wenkel von Max Mendel auch Geld erhielt, wurde nicht als "Gewerbsmäßigkeit" angesehen. Ernst Wenkel verbüßte die Strafe bis zum 25. Januar 1937 im Altonaer Gerichtsgefängnis, nur unterbrochen durch einen Krankenhausaufenthalt vom 4. bis 8. September im Hamburger Zentrallazarett.
Im Januar 1938 machte der Packer Egon Alexander (geb. 1918, ab Februar 1942 "Frontbewährung") während Verhören vor der Kriminalpolizei die Aussage, mit Ernst Wenkel in den Jahren 1934 und 1935 homosexuelle Handlungen gegen Geld ausgeübt zu haben, wobei dieser ihm "kaum etwas hat geben können, weil er selbst nichts hatte". Als Ernst Wenkel daraufhin im Januar 1938 in die Stadthausbrücke zur Kripo vorgeladen wurde, flüchtete er zunächst nach Rotterdam. Er kehrte dann aber nach Hamburg zurück, wo er sich monatelang in der Vereinsstraße 39 bei einer Familie Maerten versteckt hielt, bis er dort von Nachbarn als "Fahnenflüchtiger" und "Kinderschänder" denunziert wurde. Ernst Wenkel, der auch ein Verhältnis mit der Asyl gebenden Ehefrau begonnen hatte, ist am 19. November 1938 vorläufig festgenommen worden. Danach ist eine Inhaftierung vom 21. bis 28. November im KZ Fuhlsbüttel aktenkundig und im Januar 1939 eine erneute Verurteilung nach § 175. Bis zum 16. Mai 1939 verbüßte er eine sechsmonatige Gefängnisstrafe in der Strafanstalt Glasmoor und wurde dann der Gestapo zugeführt. Wie er bereits befürchtet hatte, kam er in ein Konzentrationslager: am 25. Juni 1939 ist sein Zugang im KZ Sachsenhausen im Häftlingsblock 9 dokumentiert. Er musste die Häftlingsnummer 394 tragen. Nach wenigen Monaten trat dort sein Tod ein, der beim Standesamt Oranienburg für den 16.12.1939 beurkundet wurde. Sein Name ist auf einer Einäscherungsliste des Friedhofs Berlin-Baumschulenweg verzeichnet, wo wahrscheinlich sein Grab zu finden ist.

© Ulf Bollmann

Quellen: StaH 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Abl. 2, 451 a E 1, 1 c; 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, A07550/30, 1255/39 u. 8203/ 41; 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferungen 13 u. 16; 332-5 Standesämter, 13678 (Eintrag Nr. 2311); Auskunft von Monika Liebscher, Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen vom 15.11.2012; Dank an Dr. Ste­fan Micheler für die Zurverfügungstellung seiner Forschungsergebnisse aus dem Landes­archiv Schleswig-Holstein zu den dort für Altona verwahrten Strafakten Homosexueller, hier: LAS, Abteilung 352 (Altona), Nr. 7569.

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