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Lonny Beese (geborene Lisser) * 1905

Grindelallee 73 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

Freitod 10.9.1944 Hamburg

Weitere Stolpersteine in Grindelallee 73:
Bert(h)a Hirnheimer, Alma Lisser, Alexander Norden, Caroline Norden, Max Moses Norden, Carl Norden, Siegfried Norden

Lonny Beese, geb. Lisser, geb. am18.05.1905 in Breslau, gest. am 10.09.1944 in Hamburg durch Freitod

Die geschiedene Stenotypistin Lonny Beese lebte mit ihrer Tochter Ursula zusammen. Ihren Ex-Ehemann, den Schiffsingenieur Walter Wilhelm Christian Beese aus der Sierichstraße 20, hatte sie am 19. März 1927 geheiratet. Er war nichtjüdisch. Lonny Beese war zum Christentum konvertiert; in ihrer Todesanzeige wurde später ihr religiöses Bekenntnis als evangelisch-lutherisch angegeben. Ihre Tochter Ursula Marion kam am 21.02.1928 in Bremen zur Welt. Nach der Geburt zog die Familie nach Hamburg in den Mittelweg 25. Die Ehe wurde am 30. April 1940 geschieden. Walter Beese verstieß die Tochter als "Bastard" und brach den Kontakt ab, Lonny erhielt das alleinige Sorgerecht. Die Tatsache, dass Lonny für ihre minderjährige Tochter, die als "Mischling ersten Grades" galt, aus der Mischehe mit Walter sorgte, rettete sie vorläufig vor der Deportation.

Obwohl der Vater unterhaltspflichtig war, mussten die beiden die Wohnung im Mittelweg aufgeben, und Lonny arbeitete wieder als Stenotypistin. Sie kamen beim Schwiegervater Adolf Beese unter, dessen Wohnung in der Grindelallee 73 sie nach seinem Tod am 02. April 1943 übernahmen. Lonnys Mutter Alma Lisser, geb. Königsfeld, geb. am 22.02.1877 in Ratibor, war als Haushälterin für Adolf tätig und lebte bis 1941 mit ihm und ihrer Tochter mit in seiner Wohnung.

Lonnys Vater, der Geschäftsführer Erwin Lisser, war zu diesem Zeitpunkt höchstwahrscheinlich schon verstorben. Ihr Bruder Hans lebte im Ausland. Lonny Beese konnte bis 1943 im Büro des jüdischen Rechtsanwalts Dr. jur. Walter Schüler im Jungfernstieg 24 tätig sein, dann wurde dieser verhaftet. Trotz ihrer Anstellung verfügte Lonny entweder über ein geringes oder gar kein Einkommen, denn weder musste sie Beiträge für die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland zahlen noch verfügte der Oberfinanzpräsident Sicherungsanordnungen. Nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses wurde sie im Zuge des "Judeneinsatzes" (=Zwangsarbeit) vom Arbeitsamt gezwungen, bei der Firma Heldmann-Chemie Delicia-Präparate, also Ratten- und Mäusegifte, zu verpacken und für die Firma Dralle Trümmer und Schutt zu beseitigen. Durch die schwere Arbeit trug sie wie viele Zwangsarbeiter gesundheitliche Schäden davon. 1944 reichte sie eine Eingabe an Karl Kaufmann, den Reichsstatthalter von Hamburg, ein, um wieder im Büro arbeiten zu dürfen. Es wurde ihr gestattet, als Stenotypistin bei der Firma Greve und Behrens zu arbeiten.

Die Zwangsarbeit und die Deportation ihrer Mutter Alma Lisser am 11. Juli 1942 belasteten sie seelisch so stark, dass sie vom 02. Mai 1944 bis zum 12. September desselben Jahres vom jüdischen Arzt Dr. Hans Sommerfeld krankgeschrieben wurde.

Im September 1943 hatte Lonny Beese ihre frühere Schneiderin Henriette Möller samt Ehemann und Kind zu sich in die Wohnung aufgenommen, da diese ausgebombt worden waren. Doch kam es zwischen ihr und dem Ehepaar wiederholt zu Streitigkeiten, der in einer Denunziation von Seiten der Möllers kulminierten. Sie beschuldigten Lonny Beese der "Rassenschande" und des Abhörens feindlicher Sender.

Die Anklage der "Rassenschande" hängt mit dem als korrupt und unberechenbar geltenden Willibald Schallert zusammen, dem Leiter des Arbeitsamtes "für den Judeneinsatz", der laut Aussage der Tochter Ursula ihre Mutter belästigte. Schallert arbeitete eng mit der Gestapo zusammen und war kraft Amtes berechtigt, Juden am Arbeitsplatz und zu Hause aufzusuchen und zu kontrollieren. Nach dem Krieg stellte ein Gericht fest, dass er in mehreren Fällen jüdische Frauen sexuell bedrängt hatte, die ihm, der die Macht hatte, sie bei der Gestapo anzuzeigen, wehrlos ausgeliefert waren. Lonny Beese geriet also in eine ausweglose Situation: Um der Anzeige von Schallert zu entgehen, fügte sie sich und wurde prompt von den "arischen" Untermietern denunziert. Aufgrund dieser seelischen Belastung vergiftete sie sich am 08. September 1944 mit Veronal.

Ihre Tochter und eine Freundin fanden sie bewusstlos in der Wohnung. Die Nachbarin holte einen Arzt, der Lonny ins Universitätskrankenhaus Eppendorf einweisen ließ, wo sie drei Tage später im Pavillon 69 starb. In einem Abschiedsbrief erklärte sie, dass die Möllers ihr den Rest gegeben hätten und sie, auch wenn sie die Wahrheit gesagt habe, als Jüdin kein Recht bekommen würde.

Ihre Tochter blieb als Untermieterin in der Wohnung, die von der Gestapo konfisziert wurde, und fürchtete bis zum Kriegsende, dass sie jeden Tag als "Mischling" verhaftet werden könnte; ein Schicksal, dem sie jedoch entkam. Ende 1945 erhielt sie auf ihren Antrag hin die Wohnung zurück, erklagte sich das Recht auf die verkauften Möbel und stellte 1955 Anträge auf Wiedergutmachung für ihre Mutter und ihre Großmutter.

© Jacqueline Malchow

Quellen: StaHH, 331-5 Polizeibehörde Unnatürliche Sterbefälle 3 Akte 1944/1174; Beate Meyer, Beate (Hrsg.): Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933-1945. Geschichte. Zeugnis. Erinnerung. Hamburg: Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, 2006; Amt für Wiedergutmachung 180505.

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