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Stolperstein für Eduard Pulvermann
© Gesche Cordes

Eduard Pulvermann * 1882

Geffckenstraße 15 (Hamburg-Nord, Eppendorf)


HIER WOHNTE
EDUARD PULVERMANN
JG. 1882
GESTAPOHAFT
ERMORDET
9.4.1944

Siehe auch:

Eduard F. Pulvermann, geb. 2.9.1882 in Hamburg, gestorben am 9.4.1944 im Haftkrankenhaus Langenhorn

Geffckenstraße 15

Eduard F. Pulvermann wurde am 2. September 1882 in der Fährstraße auf der Uhlenhorst geboren und im Januar 1883 in der Kirche St. Georg evangelisch-lutherisch getauft. Er besuchte die private Realschule des Dr. Bieber, ruderte beim Germania Ruder Club, segelte im Norddeutschen Regatta Verein und entdeckte früh sein Interesse für den Reitsport.

Eduards Vater, der Kaufmann Albert Pulvermann, war 1871 aus der preußischen Provinz Posen nach New York ausgewandert und dort in die Im- und Exportfirma Markt & Co. eingetreten. Seine Mutter, Anna Franziska, wurde in Milwaukee als Tochter des John (Johann) Markt aus Ried im Innkreis geboren. John Markt hatte die Firma 1860 gegründet und 1882 die Geschäftsführung des Familienunternehmens seinem Schwager in New York und seinem Schwiegersohn Albert Pulvermann in Hamburg übergeben, wo seit 1874 eine Niederlassung bestand.

Nach Abschluss der Handelsschule erhielt Eduard eine berufliche Ausbildung in der väterlichen Firma in Hamburg sowie bei Markt & Co. in London, Paris und New York.

Als Sohn amerikanischer Staatsbürger besaß Eduard von Geburt an die amerikanische Staatsbürgerschaft. 1903 wurde er auf eigenen Wunsch als hamburgischer Staatsangehöriger naturalisiert. Seinen Militärdienst leistete er bei den 16er Husaren in Schleswig, beim Jäger-Regiment zu Pferde in Langensalza und bei den 17er Dragonern in Ludwigslust. Als Eduard Pulvermann 1908 Freiin Ruth von Cramm heiratete, war er Prokurist bei Markt & Co. in Hamburg. Nach der Geburt der Kinder Franziska und Curt zog Familie Pulvermann 1910 aus der Mietwohnung am Loogestieg 8 in Eppendorf in das Einfamilienhaus in der benachbarten Geffckenstraße 15. Von 1912 bis 1925 war Eduard Pulvermann Mitglied der Freimaurerloge Emanuel zur Maienblume.

Nach einem kurzen Gastspiel im Hamburger Polo Club richteten sich Eduard Pulvermanns sportliche Aktivitäten ganz auf Hindernisrennen und Springreiten. Mit Erfolg nahm er an den Geländeritten des Hamburg-Wandsbeker Schleppjagdvereins teil. Sein erstes Spring-Turnier ritt Pulvermann 1912 in Travemünde. In den kommenden 25 Jahren prägten Siege, Trophäen, Preise und Pokale auf den bekannten deutschen und europäischen Turnierplätzen seine Reiterkarriere. Weltweit bekannt wurde Eduard Pulvermann als Gründer des Deutschen Springderbys, dessen Parcours er entworfen und gestaltet hatte. Ehe das Springderby 1920 zum ersten Mal ausgetragen werden konnte, wurde die Welt 1914 vom Kriegsausbruch erschüttert.

Die Mobilmachung erreichte Pulvermann bei der Vorbereitung eines Turniers in Travemünde. Er ahnte, dass "etwas Gewaltiges, Unfassbares" geschehen würde und war weit davon entfernt, den Krieg zu verherrlichen. Pulvermann nahm an den großen Schlachten an der Ost- und Westfront teil. Während der Revolution 1918 wurden auch ihm Degen und Achselstücke genommen – eines der bittersten Kriegserlebnisse für den Kavallerieoffizier.

Als Pulvermann im März 1919, körperlich unversehrt, ins Zivilleben zurückkehrte, herrschte in Hamburg Hungersnot. Dessen ungeachtet setzte er fort, was er 1914 hatte abbrechen müssen – die Vorbereitung für ein Springturnier in Travemünde. Hier entwarf Pulvermann eine der holsteinischen Landschaft ähnelnde Kombination von Hecke-Graben-Hecke, die als das 14. Hindernis des Deutschen Springderbys unter dem Namen Pulvermanns Grab bekannt ist.

Seinen Freundeskreis fand Eduard Pulvermann unter Reitern, vor allem Sigismund Prinz von Preußen, Erich von Buddenbrock-Pläswitz, Rudolf Graf Goertz, Ottmar von Loessl, H. Otto Traun. Partnerin beim Gruppenspringen war Armgard Prinzessin zu Lippe-Biesterfeld, eine Ver­wandte seiner Frau Ruth und Patentante seiner jüngsten Tochter. Als Reaktion auf den Friedensvertrag von Versailles wurde Pulvermann Mitglied in der Deutsch-Nationalen Volkspartei (DNVP), ohne sich politisch zu exponieren. Stärker engagiert war er als Mitbegründer des "Nationalklub von 1919", einem konservativen Herrenclub in Hamburg.

1921 erwarb Eduard Pulvermann das adelige Gut Westensee bei Rendsburg, wo er Rinder und die Westenseer Herde des großen weißen Edelschweins züchtete. Der Besitzer und Reiter vieler guter Springpferde gründete in Westensee ein eigenes Gestüt zur Zucht des deutschen Halbblutpferdes. Seine bekanntesten Turnierpferde waren Coraggio, Heiliger Speer, Tristan, Kampfgesell und Weißer Hirsch. Eine kleine Bronzestatue des Bildhauers Willibald Fritsch zeigt Pulvermann auf Tristan. Vom Hamburger Maler Hermann Junker ließ er sich im roten Reiterrock mit Zylinder auf Weißer Hirsch malen. Mit dem Erwerb des Gutes übernahm Eduard Pulvermann das Patronat der St. Catharinenkirche in Westensee. Gemeinsam mit seinem Bruder John stiftete Eduard Pulvermann ein bürgerliches Wappen. Bei John wendete sich das über Helm und Schild aufsteigende Einhorn nach rechts, bei Eduard nach links. Den Wappenspruch "In pluribus unum" ["Vieles in Einem"] hatte Großvater John Markt als Motto für seine Firma dem US-amerikanischen Siegel entnommen.

Nach dem Ersten Weltkrieg waren die europäischen Märkte für amerikanische Waren, die Markt & Co. bisher importiert hatte, zusammengebrochen. Deswegen gründeten die Brüder in Bad Oldesloe das HERO Armaturenwerk. Die in der eigenen Bronzegießerei gefertigten Armaturen und Ventile sowie Produkte anderer Hersteller exportierten sie überwiegend nach Südamerika. Diese Geschäfte und sein Aktienanteil an Markt & Co. New York sicherten Eduard Pulvermann und seiner Familie, trotz Inflation und Weltwirtschaftskrise, einen hohen Lebensstandard in Hamburg und auf Gut Westensee, als international bekannter Turnierreiter und bei Geschäftsreisen auf den Luxusdampfern der 1920er und 1930er Jahre.

Diese glückliche Zeit wurde 1927 durch den frühen Tod seiner Frau Ruth getrübt.
1929 heiratete Eduard Pulvermann Sibylla Freiin von Alten. Aus der Ehe gingen die Töchter Jutta und Armgard hervor.

1932 war Eduard Pulvermann Präsident des Handelshauses Markt & Co. in Hamburg, Vize-Präsident der Markt & Hammacher Company, in der die weltweiten Aktivitäten des Stammhauses in New York gebündelt waren, Aufsichtsrat bei Markt & Co. Kopenhagen, Präsident der HERO SAC Buenos Aires, Direktor des HERO Armaturenwerks Bad Oldesloe und Teilhaber der Schleifmittel AG, vormals Pike & Escher in Sonneberg. Die nationalsozialistischen Devisen- und Handelsgesetze brachten 1938 die Exportfirma Markt &Co. in wirtschaftliche Schwierigkeiten. In diesem Zusammenhang äußerte die Handelskammer Hamburg Zweifel am "arischen Charakter der amerikanischen Firma, die auf Märkten tätig sein will, die bisher von deutschen Firmen bearbeitet werden".

Auf Anfrage der "Reichsstelle für Sippenforschung" bestätigte das Standesamt Hamburg im August 1939, dass Eduard Pulvermanns verstorbene Eltern christlichen Glaubens waren. Nach der Besetzung Polens durch die deutsche Wehrmacht wurde im Amtsgericht Ostrowo, dem Geburtsort des Vaters Albert Pulvermann, der Nachweis gefunden, dass die väterlichen Vorfahren einer alteingesessenen jüdischen Kaufmannsfamilie entstammten. Der Urgroßvater Abraham Pulvermann war einer der ersten wohlhabenden "jüdischen Familienväter", die 1834 die preußische Staatsbürgerschaft erhielten. Der Großvater Moritz Pulvermann, Liqueurfabrikant und Vorsitzender der Jüdischen Synagogengemeinde, war verheiratet mit Sophie Jaffé, ebenfalls aus alter, wohlhabender jüdischer Familie.

Obwohl sein Vater Albert zum christlichen Glauben konvertiert war, galt Eduard Pulvermann wegen seiner jüdischen Großeltern den nationalsozialistischen Rasse-Ideologen als "Halbjude", bzw. als "assimilierter jüdischer Mischling ersten Grades mit christlichem Bekenntnis und vorläufiger Reichsbürgerschaft". Pulvermann geriet in das Visier der Gestapo. Im März 1941 wurde das Gut Westensee von Gestapobeamten unter Führung des Leiters des "Judenreferats" Claus Göttsche durchsucht.

Eduard Pulvermann wurde auf dem Lehrter Bahnhof in Berlin von den Hamburger Gestapobeamten Stephan (Judenreferat) und Westphal (Zollfahndung) zur Klärung einiger Fragen in "Schutzhaft" genommen und nach Hamburg in die Gestapozentrale im Stadthaus gebracht. Von dort kam Eduard Pulvermann ins Polizeigefängnis Fuhlsbüttel und im Juli 1941 in das Untersuchungsgefängnis. Die Anklage vor dem Hanseatischen Sondergericht lautete auf "Heimtücke".

Eduard Pulvermann hatte 1939 während seiner letzten Auslandsreise aus dem Kontor von Markt & Co. in Oslo einen Brief an den Schatzmeister der Firma in New York, seinen Vetter Edgar Vintschger, geschrieben. Er schilderte die schwierige finanzielle Lage der Firma in Hamburg, die bereits aus dem Chilehaus in das Privathaus Geffckenstraße verlegt werden musste: "bis auf vier habe ich allen Angestellten gekündigt". Und er fuhr fort mit den Worten: "ich bleibe noch bis 29. Okt. hier und ge­nieße das gute Essen. Die Verpflegung bei uns ist furchtbar". Ein Durchschlag dieses Briefes wurde nach der deutschen Invasion Norwegens 1940 in Oslo gefunden und bildete die Grundlage für die Anklage. Weil diese Bemerkung eine "unwahre Behauptung tatsächlicher Art darstellt, die geeignet ist, das Wohl des Reiches schwer zu schädigen", wurde Eduard Pulvermann im Januar 1942 zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Wegen seiner Verdienste im Ersten Weltkrieg und aufgrund von Zeugenaussagen, die Pulvermanns nationale Gesinnung bestätigten, wurden Polizei- und Untersuchungshaft auf die Strafe angerechnet, die damit als verbüßt galt. Unmittelbar nach der Verhaftung Pulvermanns geriet auch das florierende HERO-Werk in Schwierigkeiten, weil dem "jüdisch versippten Unternehmen" die Materiallieferungen gesperrt wurden. Letztendlich musste das Werk unter politischem Druck an Wilhelm Klauke, den damaligen Besitzer der Hamburger Gießerei Th. Rose, verkauft werden.

Nach dem Heimtückeprozess blieb Eduard Pulvermann aufgrund einer Anklage wegen Devisenvergehens vor dem Landgericht Hamburg in Untersuchungshaft. Als Gestapobeamte Pulvermann ins Polizeigefängnis Fuhlsbüttel "Kolafu" verlegen wollten, weigerte sich der Leiter des Untersuchungsgefängnisses, Oberregierungsrat Robert Bredow, Pulvermann auszuliefern, obwohl er sich "ihm gegenüber keineswegs besonders verbunden fühlte. Im Gegenteil! Persönlich mochte ich ihn gar nicht." Aber überzeugt davon, dass nicht ein Devisenvergehen, sondern "ein einflussreicher persönlicher Feind" hinter der Anklage stand, gab Bredow den Häftling Pulvermann in die Obhut der ihm unterstellten Ärzte des Lazaretts der Haftanstalten Dr. Wilhelm Callsen und Dr. Wilhelm Schaedel. Sie erklärten Pulvermann für haftunfähig und behielten ihn auf Weisung Bredows bis zum Devisenprozess im Lazarett.

Bredow verhinderte eine Überprüfung seiner ärztlichen Gutachten durch SS-Ärzte und ermöglichte Frau Sibylla Pulvermann Besuche bei ihrem Mann in seinem Dienstzimmer, in dem für den Häftling eine Zigarre bereitlag.

Im Oktober 1943 wurde Pulvermann wegen "Erschleichung einer Devisengenehmigung" zu drei Monaten Haft und 90000 RM Strafe verurteilt. Das Gericht erkannte ausdrücklich an, dass Pulvermann sich nicht persönlich bereichert hatte. Wiederum galt die Strafe durch die Polizei- und Untersuchungshaft als verbüßt. Dennoch legte Pulvermann gegen das Urteil Revision beim Reichsgericht in Leipzig ein. Vielleicht hoffte er, durch weitere Untersuchungshaft der Gestapo zu entkommen.

Weil Oberregierungsrat Bredow Pulvermann und anderen Häftlingen Schutz geboten hatte, wurde er im Oktober 1943 zwangspensioniert. An dem Tag, an dem Bredow sein Amt aufgeben musste, wurde Eduard Pulvermann von der Gestapo aus der schützenden Haft erneut in "Schutzhaft" genommen und ins KZ Neuengamme verbracht.

Am 1. April 1944 wurde der schwer erkrankte Eduard Pulvermann auf Betreiben seines Rechtsanwaltes Dr. Carl Stumme wieder in das Haftkrankenhaus Langenhorn eingeliefert. Dort starb er eine Woche später am Ostersonntag, dem 9. April 1944. Seine Asche wurde im Familiengrab auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt.

© Joachim Winkelmann

Quellen: Winkelmann, Eduard F. Pulvermann, 2007, dort Quellenangaben im Detail; Robert Bredow Nachlass, in Familienbesitz; (Grabstelle: AB 25, 96-100/AC 125-143).

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