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Bereits verlegte Stolpersteine



Moritz Nordheim * 1873

Trostbrücke 2–6 (Hamburg-Mitte, Hamburg-Altstadt)


MORITZ NORDHEIM
JG. 1873
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
18.8.1938

Weitere Stolpersteine in Trostbrücke 2–6:
Richard Abraham, Julius Adam, Julius Asch, Georg Blankenstein, Gustav Falkenstein, Ivan Fontheim, Henry Friedenheim, Albert Holländer, Max Israel, Gustav Heinrich Leo, Heinrich Mayer, Kurt Perels, Ernst Moritz Rappolt, Ferdinand Rosenstern, Walter Ludwig Samuel, Salomon Siegmund Schlomer, Ernst Werner, Heinrich Wohlwill, Alfred Wolff

Dr. Moritz Nordheim, geb. 1.2.1873 in Kassel, Suizid am 18.8.1938 in Hamburg
Clara Nordheim, geb. Steer, geb. 2.2.1891 in Dassow, Suizid am 19.8.1938 in
Hamburg

Moritz Nordheim war Kinderarzt. Die ursprünglich jüdische Familie stammte aus Unterfranken, ein Vorfahr, Marcus Nordheim (1812–1899) erhielt bereits 1849 das Hamburger Bürgerrecht. Marcus Nordheim hatte durch den Handel mit Häuten und Fellen ein großes Vermögen erworben, das er zu großen Teilen für wohltätige Zwecke stiftete. So finanzierte er unter anderem den Bau der Israelitischen Töchterschule an der Hamburger Karolinenstraße und nach seinem Tod wurde aus seinem Vermächtnis die Nordheim-Stiftung ins Leben gerufen, die 1903 in Sahlenburg an der Nordsee das heute noch existierende Seehospital, ursprünglich ein Erholungsheim für Kinder, gründete.

Moritz Nordheim hatte zwei Brüder, die ebenfalls in Hamburg lebten. Gemeinsam mit seiner Frau Anna, geb. Tandler, hatte er vier Kinder: Saskia, Lothar, Maria und Gisela (letztere geb. 1911). 1925 heiratete er in zweiter Ehe Clara, geb. Steer, mit ihr hatte er keine Kinder.

Im Jahr 1912 wurde Moritz Nordheim im Hamburger Fernsprechbuch als "Dirig. Arzt d. Hamburger Säuglingsheims, Spez. Arzt f. Kinder, Hochallee 111" verzeichnet. Seine Praxis befand sich im Haus Esplanade 40. Ab 1920 hat er laut Fernsprechbuch in der Isestraße 117 gewohnt, ab 1932 lautete die Adresse Maria-Louisen-Straße 2. Er war auch im Vorstand der Nordheim-Stiftung tätig. Er genoss hohes Ansehen und war Mitglied der Patriotischen Gesellschaft, bis diese ihn 1935 wegen seiner jüdischen Herkunft ausschloss. Moritz Nordheim war zwar Protestant, galt aber, wie seine Brüder, als "Volljude". Die beiden Brüder gingen bereits 1933 nach Paris ins Exil. Der ältere, Robert, berichtete später, dass der jüngere Bruder dort 1942 "im Elend" gestorben sein. Robert Nordheim war mit seiner Frau und den zwei jüngeren Kindern nach Paris gegangen, während der älteste Sohn, Günther, in Hamburg noch seine Sparkassen-Lehre abschließen konnte. Er blieb auch danach in der Stadt, und konnte bis 1939 noch bei jüdischen Arbeitgebern arbeiten. Mit Moritz Nordheim und seiner Frau scheint er bis zu deren Tod in Kontakt geblieben zu sein. Nach der Schließung der letzten "jüdischen" Firmen bekam er keine seiner Qualifikation entsprechende Arbeit mehr, musste 1944–45 Zwangsarbeit leisten und war auch kurzzeitig wegen "staatsfeindlicher Reden" im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert.

Zum 30. September 1938 wurde jüdischen Ärzten die Approbation entzogen, nur wenige durften mit Genehmigung noch als "Krankenbehandler" jüdische Patienten versorgen. Moritz Nordheim musste gewärtigen, zusätzlich zu den bereits zugefügten Demütigungen auch seine wirtschaftliche Existenz zu verlieren. Am 18. August 1938 spritzte er seiner Frau und sich selbst eine tödliche Dosis Morphium. Seine Frau starb erst am darauffolgenden Tag.

Überarbeitet und ergänzt am 10.12.2012


© Ulrike Sparr

Quellen: 4; 5; Auskunft von Anna v. Villiez, 21.03.2008; StaHH 331-5, Unnatürliche Sterbefälle, 1938/1348; AB 1937 (Bd.1); StaH 351-11 5315; StaH 351-11 39831; StaH 351-11 43807; StaH 332-5 9899 1139/1938; StaH 332-5 9899 1140/1938; Amtliche Fernsprechbücher Hamburg, 1912–1939; Bundesarchiv Berlin, Liste der jüdischen Einwohner im Deutschen Reich 1933–1945; Marlis Roß, Der Ausschluss der jüdischen Mitglieder 1935, Hamburg 2007, S. 83; Eduard Seidler, Kinderärzte 1933–1945, entrechtet – geflohen – ermordet, Basel 2007; http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/nordheim-marcus; www.nordheimstiftung.de; Mail Ralph E. Baer an die Autorin, 1.12.2008.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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