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Bereits verlegte Stolpersteine



Franz Martin Sussmann, 1923
© Universitätsarchiv München

Franz Martin Sussmann * 1904

Lenhartzstraße 10 (Hamburg-Nord, Eppendorf)


HIER WOHNTE
FRANZ MARTIN SUSSMANN
JG. 1904
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Weitere Stolpersteine in Lenhartzstraße 10:
Anna Eva Sussmann

Franz Martin Sussmann, geb. 2.1.1904 in Hamburg, am 8.11.1941 nach Minsk
deportiert

Lenhartzstraße 10

Wie Anna Sussmann wohnte auch Franz Sussmann in der Lenhartzstraße 10. Trotz der Namensgleichheit bestanden aber keine verwandtschaftlichen Beziehungen.

Franz Sussmanns väterliche Vorfahren stammten aus Brody. Die heute ukrainische Stadt war zur Zeit der Habsburger Monarchie zwischen 1772 und 1918 österreichische Grenzstadt zu Russland. Ihre Einwohnerinnen und Einwohner waren zu ungefähr 70 Prozent Jüdinnen und Juden. Ursprünglich ein Mittelpunkt der jüdischen Orthodoxie, wurde Brody zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Zentrum der jüdischen Aufklärung und schlug den Weg einer deutschen Akkulturation ein.

Franz Sussmanns Urgroßvater Jonas Sussmann war in Brody Lehrer gewesen. Aus seiner Ehe mit Braindl Reissmann ging Moses Sussmann (1834 Brody–1905 Hamburg) hervor, der sich mit Breine Reissmann (1837 Brody–1927 Hamburg), vermutlich einer Cousine, vermählte. Das Paar hatte sieben Kinder, die teils in Brody, teils nach der um 1867 erfolgten Übersiedlung in Hamburg geboren wurden. Alfred, das 1873 in Hamburg geborene fünfte Kind, betrieb in der Mönckebergstraße 15/19 ein erfolgreiches Reismaklergeschäft, in dem auch seine beiden jüngeren Brüder Alexander (1876–1926) und Siegfried (1878– 1921) tätig waren. 1901 erwarb er die hamburgische Staatsangehörigkeit und heiratete die gleichaltrige, aus Wien stammende Rachel Shelly Kramrisch. Sie waren die Eltern von Franz Sussmann und seiner jüngeren Schwester Erna Helene (geb. 6.12.1907).

Franz Sussmann legte Ostern 1922 die Reifeprüfung am Heinrich-Hertz-Realgymnasium ab. Anschließend studierte er Rechtswissenschaft an den Universitäten in Heidelberg, München und Hamburg, wo er am 5. Dezember 1925 das erste juristische Examen bestand. Wenige Tage später wurde er zum Referendar ernannt. Sein Vorbereitungsdienst war beeinträchtigt durch mehrere Schicksalsschläge. Zuerst musste er wegen eines schweren Fußleidens operiert werden. Im April 1928 starb seine Mutter. Von der Ablegung der zweiten juristischen Prüfung, zu der er im Februar 1932 zugelassen worden war, muss­te er wegen einer erneuten Erkrankung zurücktreten, die sich als langwierig erwies. Zwei Monate später starb sein Vater. Als Franz Sussmann am 27. Mai 1933 erneut den Antrag auf Zulassung zur zweiten juristischen Prüfung stellte, war es zu spät: Von der Landesjustizverwaltung erhielt er die Mitteilung, dass er – wegen seiner jüdischen Herkunft – aus dem Staatsdienst entlassen sei, womit sich gleichzeitig sein Antrag auf Zulassung zur zweiten juristischen Prüfung erledigt habe.

Ebenso wie seine Schwester hatte Franz Sussmann vom Vater ein beträchtliches Wertpapiervermögen geerbt. Hinzu kam der Erlös aus dem Verkauf des elterlichen Hauses im Nonnenstieg 3, in dem er bis Herbst 1932 gewohnt hatte. Er richtete sich eine Vierzimmerwohnung in der Lenhartzstraße 10 ein, in die er seine unverheiratete Tante Mina Sussmann (geb. 1869) aufnahm. Sie übertrug ihm ihr Vermögen, dafür zahlte er ihr eine monatliche Rente. Sein Vermögen und seine Verpflichtung gegenüber der Tante werden die Gründe dafür gewesen sein, dass er – wie er 1939 gegenüber dem Oberfinanzpräsidenten erklärte – eine Auswanderung nicht beabsichtigte. Am 27. Juni 1941 mussten Franz und Mina Sussmann die Wohnung in der Lenhartzstraße 10 verlassen, sie wurden in zwei Zimmer des Hauses Lenhartzstraße 3 eingewiesen, das zu dieser Zeit wie ein "Judenhaus" benutzt wurde (siehe den Beitrag "Das ‚jüdische Haus’ Lenhartzstraße 3").

Franz Sussmann wurde am 8. November 1941 nach Minsk deportiert. Seine Tante Mina Sussmann, die vermutlich in das Altersgetto Theresienstadt deportiert werden sollte, starb am 25. Februar 1942 im Jüdischen Krankenhaus Johnsallee 54. In dem Schließfach, das Franz Sussmann bei der Deutschen Bank unterhielt, fand sich neben Zulassungszetteln für Hamburger Bibliotheken von 1940 eine größere Anzahl handschriftlicher Entwürfe und Aufzeichnungen "anscheinend über chemische Versuche". Vielleicht waren dies seine schriftstellerischen Arbeiten, denen er sich nach Angaben seiner nach England emigrierten Schwester seit der Mitte der 1930er Jahre gewidmet hatte.

© Heiko Morisse

Quellen: 1, 4, 5; StaH 241-2 Justizverwaltung-Personalakten, A 1251; StaH, 351-11 Amt für Wiedergutmachung, Abl. 2008/1, 061207, Samson, Helen; StaH, 314-15 Oberfinanzpräsident-Devisen- und Vermögensverwertungsstelle, R 1939/2571, R 1939/2611 und R 1939/3092; StaH, 213-13 Land­gericht-Wiedergutmachungsamt, Z 3562 und Z 24052; StaH, 332-8 Meldewesen, A 30; StaH, 522-1 Jüdische Gemeinden, 390 und 391.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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