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Bereits verlegte Stolpersteine



Karl und Louise Müller mit ihren Kindern, um 1915
© Privatbesitz

Louise Rebecca Müller (geborene Hauer) * 1872

Cäcilienstraße 6 (Hamburg-Nord, Winterhude)

1942 Theresienstadt
1944 Auschwitz ermordet

Weitere Stolpersteine in Cäcilienstraße 6:
Karl Joseph (Carl Josef) Müller

Karl Joseph Müller, geb. 19.1.1865 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, dort am 29.10.1942 gestorben
Louise Rebecca Franziska Müller, geb. Hauer, geb. 12.2.1872 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, nach dem 15.5.1944 in Auschwitz ermordet

Karl Müller wurde in Hamburg-Altstadt geboren. Seine wohlhabenden jüdischen Eltern Abraham Müller (1832–1896), Bürger der Hansestadt seit 1869, und Henriette "Jette", geb. Burchard (geb. 1832 Neubuckow/Mecklenburg), besaßen eine Zigarren-Fabrik am Spielbudenplatz 5 in St.Pauli. Als Karl Müller zehn Jahre alt war, existierte neben Fabrik und Lager, jetzt am Speersort 11 (Altstadt), auch eine Filiale in Altona-Ottensen mit der Adresse Am Felde 68. Die Familie wohnte zu dieser Zeit am Pferdemarkt 13 (Altstadt).

Nach dem Besuch der Israelitischen Stiftungsschule von 1815 am Zeughausmarkt absolvierte Karl Müller eine dreijährige Lithographie-Lehre. 1886 bis 1888 folgte eine Ausbildung an der Königlich Sächsischen Kunstgewerbeschule in Dresden bei dem Historien- und Dekorationsmaler Donadini, danach bei Professor Hanke von der Preußischen Akademie der Künste in Berlin.

Karl Müllers Malstil war konventionell-realistisch und orientierte sich nicht an modernen Strömungen. 1891 entstanden die Ölbilder "Vorbereitung zum Dienst", "In der Wachstube", Zapfenstreich", "Turnstunde", "Schleichpatrouille" und "Rückkehr von der Felddienstübung", deren Hauptmotiv fast immer Soldaten bildeten. 1893 malte er den "Einmarsch der 76er" als Querformat in schwarz-weiß, das Gemälde wurde 1930 vom Museum für Hamburgische Geschichte erworben. Die Gesinnung von Karl Müller konnte in dieser Zeit als "kaisertreu" und "national" (Maike Bruhns) eingestuft werden – nicht von ungefähr handelte er sich mit seinen Motiven den Spitznamen "Soldatenmüller" ein. Er nahm bereits vor der Jahrhundertwende erfolgreich an Ausstellungen in Berlin und Hamburg teil.

Schon in dieser Zeit fällt der häufige Wohnungswechsel auf: 1893 Papendamm 25 (Rotherbaum), 1896 Bundesstraße 9 (Rotherbaum). 1898 wurde er im Hamburger Adressbuch als "Genre- und Portraitmaler" mit der Wohnadresse 1. Durchschnitt 43 (Rotherbaum) geführt.

Mit 38 Jahren heiratete Karl 1903 in der Hansestadt die jüdische Louise Hauer, genannt "Lieschen". Sie wohnte vor der Heirat bei ihrer Mutter am Grindelberg 78. Ihr Vater, Martin Hauer (1836–1897), ebenfalls in Hamburg geboren und seit 1862 Bürger der Stadt, besaß eine Fabrik für Seife und Parfüm. 1904 und 1911 wurden die beiden Töchter Karla und Lotte geboren.

1904, die Familie wohnte zu dieser Zeit in der Bogenstraße 20, malte Karl Müller als Auftragsarbeit ein Portrait des ausgewanderten Hamburgers Henry Jones zur Eröffnung der gleichnamigen Loge in der Hartungstraße 9–11. Bereits zu dieser Zeit dürfte er Mitglied im Hamburger Künstlerverein von 1832 gewesen sein.

Ab 1908 sind anhand der Fernsprechbücher weitere Wohnungswechsel nachvollziehbar: beinahe jährlich zog die Familie um und bewegte sich dabei aus dem Grindelviertel über Hoheluft-Ost nach Harvestehude und Winterhude. Circa 1912 bezog sie eine Wohnung in der Sierichstraße 156. Hier hatte der Vermieter Schröder dem Künstler zunächst auf dem Trockenboden eine Fläche von rund 45 qm als Atelier zur Verfügung gestellt. Doch die Baupolizei bemängelte diese Nutzung und nach einigen Streitigkeiten musste der Maler wieder einmal mit Familie und Atelier umziehen. Das Amtliche Fernsprechbuch verzeichnete als Anschrift von 1914 bis 1918 Klosterallee 20 (Harvestehude).

Friedrich Jansa beschrieb 1912 in seinem Künstlerlexikon die geänderte Motivwahl von Karl Müller: Er "aquarellierte in den letzten Jahren vieles in der Umgegend von Hamburg und entnimmt jetzt hauptsächlich seine Motive dem Hamburger Hafenleben. Seine Arbeiten sind sämtlich in Privatbesitz." Es entstanden Landschaften, Portraits, Hafenszenen, Volksleben. Am Ersten Weltkrieg nahm Karl Müller aus Altersgründen nicht teil.

Nach 1918 verschwand das Interesse des Publikums an Müllers Soldatenbildern. Der Kunsthändler Karl Heumann erinnerte sich 1951 in einem Schreiben an die Tochter, das an das Amt für Wiedergutmachung weitergeleitet wurde: "Ich lernte Ihren Herrn Vater kurz nach dem ersten Weltkriege kennen, als ich Geschäftsführer im Kunstsalon Krone war. Dort ging Ihr Vater damals ein und aus und im Bestande des Geschäfts befanden sich auch eine Anzahl Bilder von ihm. Es handelte sich, wie ich zu erinnern glaube, nur um Soldatenbilder, Manöverleben, Im Biwak usw., die ich hier erstmals sah. Aber mit dem verlorenen Kriege war auch die Vorliebe für derartige Bilder weg." 1919 entstand das naturalistische Bild "Alte Fahrensleute" bzw. "Lotsenzimmer", das das Museum für Hamburgische Geschichte 1964 erwarb.

Von Juli 1919 bis 1932 wohnte die vierköpfige Familie laut Fernsprechbuch in der Bieberstraße 9, I. Stock (Rotherbaum). Durch die Inflation von 1923 büsste sie ihre Ersparnisse ein. Die finanzielle Situation verschlechterte sich nach der Wirtschaftskrise von 1929 weiter. Für die Jahre 1929 bis 1933 wurden in der Beitragsspalte von Karl Müllers Kultussteuerkartei-Karte der Jüdischen Gemeinde keine Zahlungen vermerkt. Verwandte unterstützten die Familie, die seit 1933 in sehr beschränkten wirtschaftlichen Verhältnissen lebte. Die jüngere unverheiratete Tochter Lotte wurde 1933 am Berliner Staatstheater aus "rassischen" Gründen entlassen.

Die im September 1933 per Gesetz gegründete Reichskulturkammer mit ihren sieben Einzelkammern war eine Pflichtorganisation für Künstler, machte aber die Mitgliedschaft von einem "Ariernachweis" abhängig. Die Nicht-Mitgliedschaft bedeutete de facto ein Berufs- und Veröffentlichungsverbot für den Künstler. Trotzdem veröffentlichte das "Hamburger Fremdenblatt" in seiner Abend-Ausgabe vom 6. Januar 1934 eine Seite mit Soldaten-Bildern von Karl Müller, dessen volkstümliche Militärdarstellung nun wieder dem Zeitgeschmack entsprach. Allerdings war dem Blatt entgangen, dass der Maler aus "rassischen" Gründen gar nicht mehr veröffentlichen durfte.

Kurzfristig bezogen Karl und Louise Müller eine Wohnung in der Schwenckestraße 54 III (Eimsbüttel). Von 1933 bis 1937 war ein Fernsprechanschluss für die Cäcilienstraße 6 Parterre (Winterhude) mit dem Hinweis "Kunstmaler" eingetragen. Um geeignete Räumlichkeiten zum Malen zu erhalten, errichte Karl Müller im Sommer 1933 im Hintergarten einen einfachen Holzschuppen, dessen Dach bis unter die Fensterbank der Müllerschen Erdgeschoss-Wohnung reichte. Da Karl Müller Wohlfahrtsempfänger war und über fast keine eigenen Einnahmen mehr verfügte, wurde ihm die dafür fällige Genehmigungsgebühr von 10 RM erlassen. Im Oktober 1937 zog das Ehepaar in die Gryphiusstraße 7 in Winterhude um. Jetzt engagierte sich Karl Müller im Jüdischen Kulturbund Hamburg. Der letzte Wohnort in Hamburg war eine Wohnung im Martin-Brunn-Stift in der Frickestraße 24 in Eppendorf, das als "Judenhaus" die Funktion eines Deportationssammelquartiers zu erfüllen hatte.

Der Kunsthändler Heumann berichtete später dem Amt für Wiedergutmachung, er habe Karl Müller in der Frickestraße besucht "nachdem ich von ihm einen Brief bekommen hatte, in dem er mich bat, ihm bei der Versendung einer größeren Anzahl von Studien und Bildern ins Ausland behülflich zu sein. Es gab damals (und gibt es jetzt wieder) ein Gesetz, nach dem Gemälde, die einen unersetzlichen Verlust für den deutschen nationalen Kunstbesitz bedeuten würden, nicht ohne weiteres ausgeführt werden durften und zwar ganz gleich, ob aus jüdischem oder arischem Besitz. Wenn ich nach so langen Jahren noch recht erinnere, wollte er die Bilder nach Japan schicken. Ich vermute, dass ihm wohl der Spediteur auf diese Gesetzesbestimmung hingewiesen hat. Soweit ich erinnere habe ich ihm dann eine Bestätigung geschrieben, dass gegen die Ausfuhr seiner Bilder keinerlei Bedenken beständen. (…) Ob die Expedition der Bilder ins Ausland dann durchgeführt ist, weiss ich nicht. (…)".

Das Ehepaar Müller wurde am 15. Juli 1942 von der Frickestraße 24 mit "Transport VI/1" ins Getto Theresienstadt deportiert. Dort kamen sie am 19. Juli 1942 an. Karl Müller verstarb laut Todesfallanzeige in den "Zentralkrankenstuben Zimmer 9" am 20. Oktober 1942 an "Herzschwäche". Das Künstlerlexikon Rump gibt an, dass er in Theresienstadt verhungert sei.

Louise Müller wurde am 15. Mai 1944 aus dem Getto Theresienstadt weiter ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert, ihr genaues Todesdatum ist nicht bekannt. Zur Berechnung der Wiedergutmachungsansprüche wurde vom Gericht der 8. Mai 1945 als Todesdatum festgesetzt.

© Björn Eggert

Quellen: 1; 3; 4; 8; AfW 040211; StaHH 741-4, Alte Einwohnermeldekartei 1892-1925; Bezirksamt Hamburg-Nord, Bauamt/Bauprüfabteilung, Akten Cäcilienstr. 4–16, Gryphiusstr. 7, Sierichstr.156/158, Sierichstr. 160/162; Amtliche Fernsprechbücher Hamburg 1908–1937; Friedrich von Boetticher, Malerwerke des Neunzehnten Jahrhunderts, Bd. 2, Dresden 1898; Jörgen Bracker, Karsten Prange (Hrsg), Alster, Elbe und die See. Hamburger Schiffahrt und Hafen in Gemälden, Zeichnungen und Aquarelle des Museums für Hamburgische Geschichte, Hamburg 1981; Friedrich Jansa, Deutsche Bildende Künstler in Wort und Bild, Leipzig 1912; Kay Rump (Hrsg.), Der neue Rump - Lexikon der bildenden Künstler Hamburgs, Altonas und der näheren Umgebung, Überarbeitete Neuauflage des Lexikons von Ernst Rump (1912), Neumünster 2005; AB 1866, 1896, 1898, 1904, 1920, 1922; Maike Bruhns, Kunst in der Krise, Band 2, Künstlerlexikon Hamburg 1933–1945, Hamburg 2001; Wilhelm Mosel, Wegweiser zu ehemaligen jüdischen Stätten in Hamburg, Heft 1, Hamburg 1983, S. 15–20; Museum für Hamburgische Geschichte, E-Mail vom 21.12.2007, Auflistung der drei im Museumsbestand vorhandenen Bilder von Karl Müller.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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