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Porträt Bertha Ollech 1928
Bertha Ollech 1928
© Ev. Stiftung Alsterdorf, Archiv

Berta (Bertha) Ollech * 1897

Eilbeker Weg 61 (Wandsbek, Eilbek)


HIER WOHNTE
BERTA OLLECH
JG. 1897
EINGEWIESEN 1935
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 1943
HEILANSTALT
AM STEINHOF WIEN
TOT AN FOLGEN
11.7.1945

Bertha Ollech, geb. am 5.3.1897 in Borowen/Masuren, gestorben am 11.7.1945 in der Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien

Eilbeker Weg 61

Bertha Ollech erlebte noch das Kriegsende in der Heil- und Pflegeanstalt in Wien, starb je­doch im Sommer 1945. Der letzte Briefverkehr mit Angehörigen datiert vom November 1943, so dass davon auszugehen ist, dass sie von Bertha Ollechs Ableben nie erfuhren.
Bertha Ollech wurde 1897 in eine evangelische Familie in dem Dorf Borowen in Masuren hinein geboren. Ihr Vater, Christof Ollech, war Wirt. Ihre Mutter Henriette, geborene Pokropp, kam aus Pustnik in Ostpreußen, wo Bertha die Volksschule besuchte und nach acht Jahren abschloss. Sie lernte Nähen und ging 1914 zu Krupp in Essen "in Stellung", nahm danach Stellungen in Berlin, Dortmund und Hamburg an und kehrte zwischendurch immer wieder nach Hause zurück. Sie hatte vier Geschwister, von denen eine Schwester später ebenfalls in Hamburg-Eilbek lebte.

Bertha Ollech fand dann eine Anstellung als Plätterin im Hamburger Waisenhaus in der Averhoffstraße. Sie führte ihre spätere Erkrankung auf eine Begegnung mit einem Kellner im Jahr 1922 zurück, der hypnotisieren konnte. Als sie das Verhältnis löste, habe er mit Rache gedroht. Seither leide sie an Verfolgungsvorstellungen. Im Frühjahr 1928 wurde sie im Krankenhaus Barmbek aufgenommen, nach einem Monat Aufenthalt an die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg überwiesen und bereits im Sommer wieder entlassen. Sie kehrte in ihre frühere Tätigkeit im Waisenhaus zurück. Als 1930 aufgrund einer Notverordnung Stellen abgebaut wurden, wurde sie arbeitslos und erhielt eine wöchentliche Unterstützung von 8 Mark, von der sie ihr Leben in Untermiete fristete.

Bertha Ollech begann nun, an Schlaflosigkeit, Erbrechen, Traurigkeit und Müdigkeit zu leiden. Im August 1931 wurde sie wegen einer Typhuserkrankung im Krankenhaus St. Georg behandelt.

1933 wurde Bertha wegen aggressiven Verhaltens erneut in das Allgemeine Krankenhaus Barmbek eingewiesen, wo sie vier Monate blieb. Da sich ihr Zustand auch nach der Entlassung nicht besserte, wurde sie am 6. November desselben Jahres zum zweiten Mal in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg aufgenommen und von dort am 26. April 1935 mit der Diagnose "Schizophrenie" in die damaligen Alsterdorfer Anstalten verlegt.

Bei ihrer Aufnahme wirkte sie verschlossen und unsicher, sie litt unter Verfolgungsideen. Ein Pfleger wurde bestellt, um ihre Rechte in Rentenangelegenheiten wahrzunehmen. Im Sommer fiel sie durch extreme Beschäftigung mit ihrer Körperpflege auf, insbesondere dadurch, dass sie ausgiebig in warmem Wasser badete. Sie ging viel spazieren, lachte und redete dabei vor sich hin und halluzinierte. Im Umgang wurde sie schwieriger, entzog sich der Arbeit und ängstigte die Mitpatientinnen durch Unfreundlichkeit. 1936 wurde ein Sterilisationsgutachten erstellt, das aber keine Folgen hatte.

Hatte sich Bertha Ollech zunächst sorgfältig um sich selbst gekümmert, so vernachlässigte sie sich später immer mehr. Zeitweilig zeigte sie Einsicht in ihre Wahnideen und Halluzinationen, meist aber ging sie ruhelos umher, stritt mit Mitpatientinnen und wurde sogar einmal tätlich. Wie schon zuvor bei einem Anfall, wurde sie zur Beruhigung in den Wachsaal (s. Harry Becker) gebracht. Nach ihrer Rückkehr auf die Abteilung isolierte sie sich von den anderen, ohne irgendeiner Beschäftigung nachzugehen. Es gelang dem Pflegepersonal nicht, sie einzubinden.

Als im August 1943 die Anstaltsleitung einen Teil der Bewohner und Bewohnerinnen in andere Heil- und Pflegeanstalten verlegte, wurde Bertha Ollech dem Transport von 228 Frauen und Mädchen in die Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien zugeordnet. Bei dem Aufnahmegespräch dort am 17. August 1943 saß sie dem Arzt mit unbewegtem Gesicht gegenüber, beantwortete seine Fragen zunächst noch deutlich, dann mit kaum vernehmbarer Stimme und beharrte darauf, dass sie sich nicht hypnotisiert fühle.

Nach sechs Wochen der Eingewöhnung verhielt sie sich so abweisend wie zuvor in Alsterdorf. Ihr Körpergewicht sank von 62 kg im Oktober 1943 auf 42 kg im April 1945. Bertha Ollech starb am 11. Juli 1945 angeblich an einer Enterocolitis, schwerem Durchfall, nachdem sie am 27. Juni noch einem Intelligenztest unterzogen worden war. Tatsächlich wurde Bertha Ollech schleichend ermordet durch den Entzug von Nahrung und medizinischer Versorgung über das Ende des Krieges hinaus.

© Hildegard Thevs

Quellen: Ev. Stiftung Alsterdorf, Archiv, V 135; Wunder, Exodus in: Wunder, Genkel, Jenner, Auf dieser schiefen Ebene.

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