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Bereits verlegte Stolpersteine



Hermann Küster * 1892

Eidelstedter Weg 25 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
HERMANN KÜSTER
JG. 1892
MEHRMALS VERHAFTET
ZULETZT 1938
KZ FUHLSBÜTTEL
SACHSENHAUSEN
ERMORDET 26.4.1942

Hermann Heinrich Peter Andreas Küster, geb. am 26.4.1892 in Hannover, gestorben am 26.4.1942 im KZ Sachsenhausen

Eidelstedter Weg 25 (Eidelstedterweg 85)

Bereits in der Weimarer Republik machten Schutzpolizisten selbst in der Dunkelheit mit Hilfe von Taschenlampen Jagd auf homosexuelle Männer, die sich in die Grünanlagen am Bismarckdenkmal und am Rand des Heiligengeistfeldes zu intimen Handlungen zurückgezogen hatten. Einer solchen Razzia fiel am 16. Mai 1932 auch der bisher unbestrafte Hermann Küster zum Opfer, als er kurz nach Mitternacht mit einem 23-jährigen Holzarbeiter von dem Polizeiwachtmeister Wilcken in einer Querreihe, die vom Heiligengeistfeld zur Glacischaussee führte, überrascht wurde. Da vor der Verschärfung des § 175 die beobachteten Handlungen nur zu einer Verurteilung nach § 183, Erregung öffentlichen Ärgernisses, ausreichten, behauptete der Beamte später vor Gericht, durch das Verhalten der Angeklagten Anstoß genommen zu haben. Hermann Küster gab zwar seine homosexuelle Veranlagung zu, habe jedoch keinerlei unsittliche Handlungen vorgenommen, was auch der Mitangeklagte bestätigte. Dieser Darstellung schenkte das Gericht jedoch keinen Glauben und verurteilte ihn zu 50 RM Geldstrafe, sein Partner trat statt der 30 RM Strafe eine sechstägige Haftzeit an.

Hermann Küster kam 1892 als Sohn des Arbeiters und späteren Feuerwehrmannes Eduard Küster und Magdalene, geb. Kummer, in Hannover zur Welt. Er hatte eine Schwester, später verheiratete Bargstedt. Seine ersten neun Volksschuljahre verbrachte er in Hannover, danach zog die Familie nach Hamburg, wo er die Schule beendete und eine kaufmännische Lehre absolvierte. Von 1915 bis 1918 war Hermann Küster Teilnehmer des Ersten Weltkriegs, um danach wieder in seinem Lehrberuf zu arbeiten, 1937 als Geschäftsführer eines Wettbüros. Einige Jahre zuvor lernte er den seit 1926 polizeibekannten Strichjungen Otto Zipf, geb. 1902, kennen, der sich im Oktober 1936 trotz Verbots des Aufenthalts an einschlägigen Treffpunkten in Gastwirtschaften und öffentlichen Bedürfnisanstalten dort aufhielt und festgenommen wurde. Im Zuge der daraufhin angestrengten Ermittlungen der Kripo wurde auch sein Freier Hermann Küster, den er als "Tante" bezeichnete, am 13. November 1936 in "Schutzhaft" im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert und verblieb dort bis zur Überstellung in Untersuchungshaft am 10. Dezember 1936. Anfang Februar 1937 wurde er dann vom Schöffengericht Hamburg nach § 175 zu einer neunmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, über deren Verlauf wegen fehlender Aktenüberlieferung keine weiteren Hinweise vorliegen. Die Strafe galt am 12. August 1937 als verbüßt.

Gut ein Jahr nach dem Ende seiner Haftstrafe geriet Hermann Küster am 21. Oktober 1938 durch die Aussage des Strichjungen und späteren Erpressers Theodor Gehring erneut in den Fokus der Hamburger Kriminalpolizei. Der Strichjunge identifizierte Hermann Küster anhand einer Lichtbildkartei als Sexualpartner, den er um 1935 beim Bahnhof Sternschanze kennengelernt hatte und damals bei ihm übernachtete. 1938 traf Theodor Gehring Hermann Küster zufällig in der Bismarckstraße wieder, wo er gegen Zahlung von 2 RM in einem Treppenhaus mit ihm onanierte. Nach seiner ersten Vernehmung im Stadthaus wurde Hermann Küster erneut ins das KZ Fuhlsbüttel eingesperrt. Die darauffolgenden zehn Tage wurde er zu mehreren Verhören jeweils in der Stadthausbrücke gebracht, wo er nach "eindringlichen Ermahnungen", die auch als Chiffren für die Anwendung körperlicher Misshandlungen zu deuten sind, vor dem Kriminaloberassistenten Voigt ein umfangreiches Geständnis ablegte. In der Folge wurde Hermann Küster im Dezember 1938 vor dem Schöffengericht zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Eindringlich empfahl man dem Angeklagten "vom Richtertisch in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft", sich "freiwillig entmannen" zu lassen. Einem solchen gravierenden gesundheitlichen Eingriff hatte er während seiner Haftzeit, die er bis zum 21. Oktober 1940 in Fuhlsbüttel verbüßte, nicht zugestimmt. Möglicherweise war das auch der Grund, warum er einen Tag später statt in Freiheit zu kommen der Polizei übergeben wurde. Jedenfalls muss davon ausgegangen werden, dass er nicht wieder in Freiheit gelangte, sondern wahrscheinlich nach einem Aufenthalt im Polizeigefängnis Hütten, für das es keine Überlieferung der Inhaftierten gibt, in das KZ Sachsenhausen überstellt wurde. Anhand der Häftlingsnummer 35060 ist nachgewiesen, dass er dort im Januar 1941 eingeliefert worden sein muss. Aus diesem Monat datiert auch der erste Nachweis im Lager als "B. V. 175" (nach § 175 verurteilter "Berufsverbrecher"). Hermann Küster wird in Sachsenhausen bald erkrankt sein, da er bereits am 19. Januar 1941 in den dortigen Krankenbau verlegt wurde. Weitere Ein­lieferungen datieren vom 10. März und 8. Mai. Sein letzter Aufenthalt dort dauerte bis zum 23. Juli. Doch schon am 12. August wurde er wieder eingeliefert und verblieb bis 1. Dezember 1941 im Krankenbau. Schließlich wurde sein Tod am 26. April 1942 um 8.50 Uhr im KZ Sachsenhausen mit der offiziellen Todesursache "Herzschwäche" nach einer "Bronchopneumonie" beim Standesamt Oranienburg beurkundet. Vor seinem letzten frei gewählten Wohnsitz bei seiner Schwester im Eidelstedter Weg 25 im zweiten Stock, früher Hausnummer 85, erinnert seit 2008 ein Stolperstein an sein Schicksal.

Der Denunziant Theodor Gehring wurde am 9. Juli 1942 hingerichtet (s. Biographie Henry Heitmann).

© Bernhard Rosenkranz(†) / Ulf Bollmann

Quellen: StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, A07518/33, 1193/37 u. 342/39; 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Abl. 2, 451 a E 1, 1 a u. Abl. 2, 451 a E 1, 1 c; 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferungen 13 u. 16; Auskunft von Rainer Hoffschildt, Hannover; Auskunft von Monika Liebscher, Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen vom 3.8.2011 und 1.11.2012; Rosenkranz/Bollmann/Lorenz, Homosexuellen-Verfolgung, S. 228.

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