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Bereits verlegte Stolpersteine



Max Sommerfeld * 1909

Gertigstraße 9 (Hamburg-Nord, Winterhude)

1941 Minsk
HIER WOHNTE
MAX SOMMERFELD
JG. 1909
DEPORTIERT 1941
MINSK
1944 MAUTHAUSEN

(befreit 5. Mai 1945)

Weitere Stolpersteine in Gertigstraße 9:
Bertha Sommerfeld, Hertha Sommerfeld

Bertha Sommerfeld, geb. 24.12.1896 in Schleswig, am 11.9.1941 ins KZ Ravensbrück eingewiesen, dort am 12.6.1942 ermordet
Hertha Sommerfeld, geb. 15.10.1910 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk

Die Eheleute Willy Sommerfeld (geb. 14.12.1870 in Berlin) und Helene, geb. Marcus (geb. 16.4.1875 Lüneburg) haben vermutlich 1894 geheiratet. Sie wechselten häufig ihren Wohnort innerhalb Norddeutschlands. Im September 1895 zogen sie von Flensburg nach Schleswig, wo Willy Sommerfeld am Kornmarkt 12 eine Filiale der Husumer Firma Samuel Goetz & Robert Eichwald Herren- und Knabengarderoben leitete. Eine Schwester von Helene Sommerfeld war mit dem Firmeninhaber Robert Eichwald verheiratet.

Robert, der erste Sohn von Willy und Helene Sommerfeld war am 17.7.1895 noch in Flensburg zur Welt gekommen, die Tochter Bertha wurde am 24.12.1896 in Schleswig geboren. Der nächste Orts- und Wohnungswechsel erfolgte im Mai 1897 nach Geestemünde. Um 1900 lebte die Familie in Brunsbüttel, wo der Sohn Siegfried am 10.3.1900 zur Welt kam. Circa 1905 zog die Familie dann nach Hamburg. In der Hansestadt wurden die Kinder Max (1909) und Hertha (1910) geboren.

Das Herumreisen hatte nun ein Ende, die Sommerfelds wurden sesshaft – mit Ausnahme des ältesten Sohnes Robert, der ab 1913 zur See fuhr. Seit 1914/15 wohnte die sechsköpfige Familie im 1. Stock des Hauses Gertigstraße 9.

Max Sommerfeld besuchte von 1915 bis 1923 die Volksschule Barmbeker Straße und danach noch ein Jahr die Oberklasse der Schule Schillerstraße. Ab 1924/25 erlernte er bei Firma Adolf Gabriel, Großhandlung für Wollwaren und Trikotagen (Kaiser-Wilhelm-Straße 70) den Beruf des Handlungsgehilfen.

Der Vater Willy Sommerfeld arbeitete in verschiedenen Branchen: 1915 bis 1920 war er Expedient, 1922 Pförtner und 1928 Bote. 1929 trat Willy Sommerfeld in die Jüdische Gemeinde ein.

Siegfried Sommerfeld machte sich 1928 mit einem Transportgeschäft selbständig. Als Büro nutzte er die Wohnung der Familie in der Gertigstraße. In Amtlichen Fernsprechbüchern firmierte er bis 1938 als "S. Sommerfeld, Auto-Eil-, Stadt- u. Ferntransp.". Max Sommerfeld war laut Kultussteuerkartei seit 1931 arbeitslos. Die jüngste Tochter Hertha arbeitete als Verkäuferin beim renommierten Konfektionshaus Gebrüder Robinsohn am Neuen Wall. Die ältere Schwester, Bertha, war mittlerweile zur Untermiete in die Barmbeker Straße 173, Ecke Dorotheenstraße verzogen. Sie verlor 1933 ihre Stelle als Angestellte und konnte keine neue Beschäftigung finden. Im Dezember 1934 starb der Vater, der zuletzt als Hausdiener tätig gewesen war.

Vier Jahre später, im Zuge des Novemberpogroms wurde Max Sommerfeld verhaftet. Er selbst schilderte seine Verhaftung später gegenüber dem Amt für Wiedergutmachung so: "Ich (wurde) am 10. November 1938 abends gegen 8 Uhr an der Rothenbaumchaussee Ecke Hallerstraße als ich aus der Straßenbahn gestiegen war, von zwei Herren in Zivil gefragt, ob ich Jude sei. Als ich dieses bejahrte, erklärte man mir, ich müsste mit zur Wache kommen. Man brachte mich zur Polizeiwache Bundesstraße, wo bereits ca. 100 Juden waren. Nachdem man mir mein Bargeld, Wertgegenstände etc. abgenommen hatte, wurde ich in den Keller gebracht. Noch in der gleichen Nacht wurde ich mit vielen anderen Juden unter Beifall der draussen wartenden deutschen Bevölkerung und unter Fusstritten im ‚Grünen August’ unter SS-Bewachung ins Zuchthaus Fuhlsbüttel gebracht. Hier befanden sich u. a. in meiner Zelle bereits an prominenten Persönlichkeiten Herr Rechtsanwalt Dr. Siegfried Urias sowie Dr. Max Warburg vom Bankhaus Warburg. Nach 3 oder 4 Tagen im Zuchthaus Fuhlsbüttel wurden wir transportweise vom Hannoverschen Bahnhof nach Sachsenhausen verladen."

Am 15. Februar 1939 wurde Max Sommerfeld entlassen. Sein Bruder Siegfried war bereits am 7. Januar 1939 nach Amsterdam emigriert. Der Mutter gelang es, im Juni 1939 ein Visum für Australien zu erlangen und dorthin auszuwandern. Ihre jüngste Tochter Hertha bemühte sich im August 1939 erfolglos um eine Emigration nach England. Hertha Sommerfeld wurde ein Quartier im Haus Hochallee 66 (Harvestehude) zugewiesen, das ehemals die Wohnadresse des Kaufmanns Leo Robinsohn war. Das Haus wurde nun als Sammelquartier für Deportationen genutzt. Am 18. November 1941 erfolgte ihre Deportation nach Minsk. Ihr Verbleib und ihr Todesdatum sind nicht bekannt.

Vermutlich im Mai oder Juni 1941 wurde Bertha Sommerfeld aus der Wohnung Gertigstraße 9 abgeholt, die genauen Gründe sind nicht bekannt. Es folgten mehrfach Verlegungen zwischen den Polizei- und Gestapo-Gefängnissen der Hansestadt. Am 24. Juni 1941 wurde sie als "Abgang" im Polizeigefängnis Hütten vermerkt, am 17. Juli 1941 wurde sie dort wieder als "Zugang" notiert und am Tag darauf an die Gestapo übergeben. Diese überstellte sie am 11. September 1941 in das Konzentrationslager Ravensbrück. Dort fanden 1942 im Rahmen der "Euthanasie-Aktionen" planmäßige Massentötungen unter der Tarnbezeichnung 14 f 13 statt. Im Februar und März 1942 wurden rund 1600 Ravensbrück-Häftlinge nach Bernburg bei Dessau in die "Heil- und Pflegeanstalt" transportiert. Offiziell handelte es sich um Krankentransporte, tatsächlich aber wurden die Häftlinge in Bernburg im Gas ermordet. Auch Bertha Sommerfeld gehörte laut einer Totenliste des Frauen-KZ Ravensbrück zu den Opfern. Eine Sonderkommission der SS-Kommandantur Ravensbrück stellte hierfür Sterbeurkunden mit gefälschten Todesdaten und Todesursachen aus. Für Bertha Sommerfeld wurde offiziell der 12. Juni 1942 als Sterbedatum angegeben. Auf der Karteikarte der Jüdischen Gemeinde Hamburg wurde hingegen der 18. März 1942 als Sterbetag eingetragen, ein Datum, das von aktuellen Forschungen bestätigt wird. Die SS vernichtete im April 1945 die Lager-Registratur des KZ Ravensbrück, so dass keine genauen Rückschlüsse möglich sind.

Max Sommerfeld wurde 1939 vom Arbeitsamt Hamburg zur Zwangsarbeit im Straßen- und Tiefbau verpflichtet. Er wohnte zuletzt zur Untermiete in der Hoheluftchaussee 91. Am 8. November 1941 wurde er ins Getto Minsk und im September 1943 weiter ins KZ Lublin deportiert. Danach folgten die Konzentrationslager Mielce, Willice, Flossenburg, Leitmeritz und ab September 1944 das KZ Mauthausen-Gusen II. Dort wurde er am 5. Mai 1945 von amerikanischen Soldaten befreit. Nachdem er sich 1948 in Hamburg kurzfristig mit einem "Kraftfuhrwesen" selbständig gemacht hatte, wanderte er im August 1949 mit Unterstützung jüdischer Hilfsorganisationen in die USA aus. 1985 verstarb er im Bundesstaat North Carolina.

[P.S. Die Datenbank der Gedenkstätte Yad Vashem und das Gedenkbuch des Bundesarchivs (2006) verzeichnen Max Sommerfeld als Opfer der Shoah. Vor Abfassung der vorstehenden Biographie wurde daher im August 2006 auch für Max Sommerfeld ein Stolperstein in der Gertigstraße 9 verlegt.]

© Björn Eggert

Quellen: 1; 4; 8; AfW 090909; Stadtarchiv Schleswig, An- und Abmeldeunterlagen ca. 1867 bis 1919, Auskunft Stadtarchiv Schleswig v. 15.3.2007; Erich Koch, Kartei schleswig-holsteinischer Juden, E-Mail vom 17.7.2007; Mahn- u. Gedenkstätte Ravensbrück, Totenliste; Archiv der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH), 35363 Fuhlsbüttel, Zu- und Abgangslisten; Standesamt Lüneburg, 1875 Geburtseintrag; Generalregister der hamburgischen Standesämter, Auskunft vom 13.9.2007 zur Sterbeurkunde von Willy Sommerfeld (1934); Bezirksamt Hamburg-Nord, Bauamt/Bauprüfabteilung, Akte Gertigstr.9; AB 1915, 1920, 1922, 1928, 1939; Amtliches Fernsprechbuch Hamburg 1931–1938; Gedenkbuch für die Opfer des Konzentrationslagers Ravensbrück 1939–1945, Berlin 2005, S. 39–42.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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