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Bereits verlegte Stolpersteine



Harriet Peyser (geborene Heimann) * 1878

Brahmsallee 25 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1941 Riga
ermordet

Weitere Stolpersteine in Brahmsallee 25:
Max Abraham, Kathy (Käthy) Abraham, Georg Meyerson, Erna Meyerson, Anneliese Meyerson, Hildegard Meyerson, John Rogozinski, Max Wagner

Harriet Peyser, geb. Heimann, geb. am 7.12.1878 in Wandsbek, deportiert am 6.12.1941 nach Riga-Jungfernhof

Brahmsallee 25

Harriet Peyser wurde am 7.12.1878 in Wandsbek (das damals noch zu Preußen gehörte) als älteste Tochter des in Hamburg geborenen Bankiers Isaac Heimann (1844–1899) und seiner in Magdeburg geborenen Frau Margaretha, geb. Levy (1853–1925), geboren. Harriets jüngere Geschwister waren: Helene (1880–1950 in Schweden), Hans-Siegbert (1884–1915 in Belgien) und Betty (1888), die ebenfalls in Wandsbek geboren wurden. Über die Familiengeschichte von Harriets Mutter ist uns nichts bekannt.

Familie Heimann wohnte in Wandsbek zunächst in der Schloßstraße, ab 1890 in der Claudiusstraße. Später zog das Ehepaar Heimann in die Isestraße 119. Nach dem Tode Isaac Heimanns wohnte seine Witwe bis zu ihrem Tod 1925 im Jungfrauenthal 28.

Wann genau Harriet ihren künftigen Ehemann Joseph Peyser (1866–1931) kennenlernte und wie sich ihr Lebensweg bis zur Heirat gestaltete, darüber fanden sich keine Hinweise. Joseph Peyser war von Beruf Apotheker. Nach einem Studium der Pharmazie, welches ca. 9–12 Semester dauerte, stellte er einen Antrag bei der Apothekerkammer zwecks Eröffnung einer neuen Apotheke. Im 19. Jahrhundert gab es für Apotheker noch keine Niederlassungsfreiheit. Am 26. Juli 1900 wurde Joseph Peyser die St. Catharinen Apotheke in der Süderstraße 34/Ecke Hammerbrookstraße (Hammerbrook) übertragen, da der vorherige Besitzer Konkurs anmelden musste.
Harriet Heimann und Joseph Peyser heirateten am 9. Juli 1902. Das Ehepaar wohnte zunächst im Hause der Apotheke im 2. Stock. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde der Eingang der Apotheke in die Hammerbrookstraße 114 verlegt. Im selben Haus hatte ein praktischer Arzt seine Praxis. Der Stadtteil Hammerbrook war damals ein Wohngebiet, in dem überwiegend Arbeiter und Angestellte wohnten. Die Straße war von unterschiedlichen Geschäften gesäumt, Bäckereien, Colonialwarenläden, Möbelgeschäfte sowie Kleingewerbebetriebe. Im Jahre 1929 fand das Ehepaar privat eine passendere Wohnung in der Brahmsallee 25. Daraus leiten wir ab, dass sich die Apotheke gut etabliert hatte. Die Kultussteuerkarte der Jüdischen Gemeinde, deren Mitglied Joseph Peyser seit 1919 war, scheint das zu bestätigen, da er regelmäßig recht hohe Jahresbeiträge zahlte.

Am 30. September 1931 starb Joseph Peyser. Seinen Tod meldete der Kaufmann Gustav Heinemann den Behörden. Gustav Heinemann gehörte der Beerdigungsbruderschaft an, deren Aufgaben es war, u.a. in Krankheits- und Todesfällen innerhalb der Jüdischen Gemeinde aktiv zu werden. Die Mitglieder der Bruderschaft besuchten Kranke, standen den Angehörigen bei, wuschen und kleideten den Verstorbenen, trugen ihn auf den Friedhof, hoben das Grab aus, bestatteten den Toten, sorgten für die Anwesenheit eines Minjan aus mindestens zehn männlichen Juden, und waren während der sieben Trauertage im Hause der Hinterbliebenen anwesend. Joseph Peyser scheint also ein religiöses Leben geführt zu haben. Für Gustav Heinemann und seine Familie wurden in der Hamburger Isestraße 90 Stolpersteine verlegt.

Die Verwaltung der Apotheke übernahm Josef Kestenbach aus Dillingen. Harriet Peyser war als Inhaberin verzeichnet, sodass sie vorerst über ein Einkommen verfügte. Zum 1. Oktober 1936 pachtete der Verwalter die Apotheke, bis er sie am 16. Dezember 1938 käuflich erwarb. Durch die bereits am 7. Dezember 1938 erlassene "Sicherungsanordnung" war Harriet Peysers Vermögen gesperrt. Auf Antrag wurde ihr monatlich eine geringe Summe zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zugebilligt. Harriet Peyser musste ihre Wohnung in der Brahms­ allee 25 verlassen. Ab 1936 wohnte sie bis ca. Mitte 1938 bei ihrer Schwester Helene und dem Schwager Wilhelm Blitz in der Werderstraße 65.

Harriets Vater Isaac Heimann gründete im Jahre 1867 ein Bankgeschäft unter dem Namen "Hartwig Hertz Nachfolger", welches sich mit Geldwechsel- und Staatspapiergeschäften im Laufe der Jahre etablierte. Isaac Heimanns Bruder Samuel Moritz (1851–1922) trat 1875 als Teilhaber in das Bankgeschäft ein.

Samuel Moritz Heimann war mit Dorothea Rosalia, geb. Benjamins (1864 in Amsterdam–1943 in Sobibor ermordet), verheiratet. Sie hatten mehrere Kinder: Bertha (1874–1934) war verheiratet mit Dr. Julius Scherbel (1866–1940), beide sind auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Hamburg beigesetzt; Frieda war verheiratet mit Dr. James Anton Bruno; Dr. phil Betty (1885–1926); Helene (1886 Hamburg), die mit Dr. Moses Franzie (1879 in Rotterdam) verheiratet war und deren Tochter Jacoba Helene (1907 in Leiden). Familie Franzie wurde am 15. Dezember 1942 von Holland nach Auschwitz deportiert.
Isaac Heimann starb am 5. Dezember 1899 in Hamburg. Das Bankgeschäft wurde von seinem Bruder bis zu dessen Tod am 28. Januar 1922 weitergeführt. Zunächst führten wechselnde Gesellschafter die Geschäfte fort. Am 10. November 1938 sollte das Bankgeschäft auf Anordnung der Gestapo geschlossen werden. Der damalige Inhaber Reinhold Eichelgrün teilte mit, dass kein Vermögen mehr vorhanden sei und einer Löschung des Bankhauses nichts entgegenstehe.
Harriet Peysers Schwester Helene war mit dem Rechtsanwalt Dr. jur. Wilhelm Blitz (1876 in Leer–1940 in der Emigration in England verstorben) verheiratet. Sie wohnten in der Werderstraße 65, einem Mehrparteienhaus, welches ihnen gehörte. Das Ehepaar hatte vier Kinder: Thea Elisabeth (1905–1975 in London), verheiratet mit dem Rechtsanwalt Dr. Herbert Paul Hochfeld (1903 in Lemgo–1990 in London), Hans Egon (1906–1959 USA), verheiratet mit Evelyn, geb. Brüll (1916–1961 USA), deren Sohn Harald Peter (Harry) (1948) in den USA, Edith Margarethe (1907), Eduard Edgar (1910).
Wilhelm Blitz führte seit 1901 eine erfolgreiche Kanzlei in der Hamburger Innenstadt, in die ab 1930 sein Schwiegersohn Herbert Paul Hochfeld eintrat. Nach ihrem 1932 erfolgreich abgeschlossenen Jurastudium wurde Thea Elisabeth Hochfeld Anwältin in der Kanzlei ihres Vaters. Wilhelm Blitz war gleichzeitig als beratender Rechtsanwalt für das Bankgeschäft seines Schwiegervaters tätig.
Am 25. April 1933 wurden der Anwältin Thea Elisabeth Hochfeld und ihrem Mann die Zulassungen als Anwälte entzogen, gemäß §1 des Zulassungsgesetzes. Herbert Paul Hochfeld nahm eine Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter in einer Handelsgesellschaft auf. Nach deren "Arisierung" im September 1938 emigrierte er zusammen mit seiner Frau nach London, wo beide wieder als Rechtsanwälte arbeiteten.
Wilhelm Blitz wurde im Januar 1938 der "Rassenschande" mit einer Klientin beschuldigt und inhaftiert. Grundlage hierfür waren die am 15. September 1935 erlassenen "Nürnberger Gesetze", die Juden außerehelichen Sexualverkehr mit nichtjüdischen Partnern verboten und unter Strafe stellten. Durch das zuständige Gericht wurde Wilhelm Blitz aufgrund der Beweislage freigesprochen. Trotzdem inhaftierte ihn die Gestapo für neun Monate im Konzentrationslager Fuhlsbüttel. Aus diesem wurde er im November 1938, unter der Auflage baldiger Auswanderung, entlassen. Seine zu dieser Zeit besuchsweise in Hamburg anwesende Schwiegertochter schilderte ihren Schwiegervater wie folgt: "an Stelle eines sehr lebendigen, kraftvollen Menschen als sehr alter, körperlich und auch seelisch gebrochener, erschreckend abgemagerter Mann". Seine Zulassung als Anwalt wurde auf eigenen Antrag zum 30. September 1938 gelöscht. Das Haus in der Werderstraße 65 wurde verkauft. Bis zur Emigration wohnte das Ehepaar zusammen mit Harriet Peyser in der Lenhartzstraße 1. Durch Vermittlung und finanzieller Sicherheiten ermöglichten ihm seine Kinder im Dezember 1938 nach England zu emigrieren. Dies galt jedoch nicht für seine Frau, dafür reichten die Mittel nicht. Helene Blitz flüchtete Anfang 1939 durch die Unterstützung ihres Sohnes Eduard Edgar nach Schweden. Die Kinder Hans Egon, Edith Margarethe und Eduard Edgar waren bereits 1936 und 1937 nach England, Schweden und die USA emigriert. Am 4. Januar 1940 verstarb Wilhelm Blitz an einer Koronarthrombose, einer Folge seiner unmenschlichen Haftzeit.
Zur Erinnerung an das Schicksal des Rechtsanwalts Wilhelm Blitz wird vor seinem langjährigen Wohnort Werderstraße 65 ein Stolperstein verlegt.

Warum sich Harriet Peyser nicht für eine Emigration zu ihrer Familie nach England entschied, wissen wir nicht. Mitte 1939 wurde sie im Jungfrauenthal 53 bei Familie Meseritz einquartiert. Das Ehepaar Meseritz wurde wie Harriet Peyser am 6. Dezember 1941 nach Riga-Jungfernhof, einem Außenlager des Rigaer Gettos, deportiert. Danach verliert sich ihre Spur.

Von ihrer Familie wurde Harriet Peyser nicht vergessen. Ihr Neffe Eduard Edgar Blitz aus Schweden hinterlegte in den Jahren 1980 und 1988 jeweils ein Gedenkblatt für sie in Yad Vashem.
Auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Hamburg, befindet sich das Grab für ihren 1931 verstorbenen Ehemann Joseph Peyser mit einer Gedenkschrift für Harriet Peyser.

Stand: September 2016
© Sonja Zoder

Quellen: 1; 2; 5; 8; StaH 231-7B1995/ 201; 332-5/8619-355/1902; 332-5/3832-620/1878; 332-5/8107-460/1931; 351-11/ 3117; 351-11/ 4610; 351-11/460; B45/863/1872; Jüdische Gemeinden, 992e2 Bd. 2 (Deportationslisten); Hamburger Adressbuch; Auskunft Bärbel Kroh v. 15.10.2013; Apothekerkammer Hamburg, Dr. Reinhard Hanpft v. 28.4.2014; Schmitz, Geschichte der Hamburger Apotheken, S. 253/254; Morisse, Ausgrenzung, Bd. 1, S. 128, 145f.; http://www.communityjoodsmonument.nl/page/33118/nl am 28.10.2013; http://de.wikipedia.org/wiki/Beerdigungsbruderschaft am 9.11.2013; Jüdischer Friedhof Hamburg, Ilandkoppel am 10.11.2013.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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